China und Ägypten im Neuen Museum: So fern und doch so nah

Viele Tausend Kilometer liegen zwischen China und Ägypten. Doch trotz der enormen Distanz entwickelten die beiden alten Hochkulturen ähnliche Strukturen und Praktiken. Die Ausstellung „China und Ägypten. Wiegen der Welt“ im Neuen Museum erkundet diese durch den direkten Vergleich der Artefakte.

Für Mariana Jung, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Ägyptischen Museum und
Papyrussammlung, war die Vorbereitung der Ausstellung eine neue Erfahrung. „Die Zusammenarbeit mit dem Shanghai Museum war sehr interessant, denn die Kolleginnen und Kollegen dort hatten noch nie zuvor ein solches Kooperationsprojekt mit einem anderen Museum gemacht“, berichtet die Wissenschaftlerin. Dass der Vergleich zweier Kulturen für die Museumsleute aus Shanghai etwas völlig neues war, hat das Ausstellungsteam vor manche Herausforderung gestellt, die aber gemeinsam gut gelöst werden konnten, erinnert sich Jung.

© Ägyptisches Museum und Papyrussammlung - Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
© Ägyptisches Museum und Papyrussammlung – Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Doch vor allem inhaltlich hielt die Ausstellung für die Fachleute überraschende Erkenntnisse bereit:
„Wir waren sehr überrascht, wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Kulturen sich in den Objekten widerspiegelten“, erklärt Mariana Jung. „Wir bekamen zum Beispiel eine große Anzahl von altchinesischen Bronzen aus dem Shanghai Museum, die es bei den Ägyptern erst ab der Spätzeit, also ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. gab. Dafür haben wir wesentlich mehr ägyptische Steinobjekte.“ Besonders auffallend war für die Berliner Wissenschaftler auch, dass die chinesische Kultur in dem Zeitrahmen der ausgestellten Objekte sehr wenige Personen in Skulpturen abbildet, während dies in Ägypten eine sehr häufige Erscheinung war.

Spannende Parallelen und Unterschiede
Besucher der Ausstellung können diese und viele weitere Unterschiede und Parallelen aufspüren, denn sie erhalten Einblicke in alle Lebensbereiche. Untergliedert ist die Präsentation in die Themenbereiche Lebenswelten, Schrift, Tod und Jenseits, Glaubenswelten sowie Herrschaft und Verwaltung.

Durch die direkte Gegenüberstellung von Orakelknochen aus der Shang-Dynastie (ca. 1600–1000 v. Chr.) und Hieroglyphen, etwa vom Türsturz des Ramses II. (1279–1213 v. Chr.), offenbaren die beiden ältesten Schriftkulturen der Welt spannende Parallelen und Unterschiede. Der Alltag war in Nordafrika und im fernen Osten ähnlich – das tägliche Leben im Alten Ägypten wird in Statuen, Schmuck, Keramik oder Kosmetikgefäßen fassbar, während Tonmodelle von Häusern, Musikinstrumente und Schmuck die vergangenen Tage der Han-Dynastie aufleben lassen. Die Herrschaftsstrukturen der beiden Kulturkreise unterschieden sich jedoch: Während die Pharaonen mit prachtvollen Königsstatuen ihre Allmacht unterstrichen, herrschte in China bis zur Han-Dynastie ein verzweigtes Netz von Adelsfamilien. Deren Macht und Wohlstand wurden durch kunsthandwerkliche Arbeiten wie Streitwagen und Zaumzeug sichtbar, die ihre Besitzer mit ins Jenseits nahmen.

© Ägyptisches Museum und Papyrussammlung - Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
© Ägyptisches Museum und Papyrussammlung – Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Ähnlicher Totenkult
Beim Stichwort Totenkult gerät auch Mariana Jung ins Schwärmen: „Am Eindrucksvollsten ist sicherlich die Gegenüberstellung eines prachtvollen chinesischen Jadegewandes aus dem Xuzhou Museum und unserer reich bemalten ägyptische Mumienhülle. Beide Kulturen glaubten an ein Weiterleben nach dem Tod und bereiteten sich zu Lebzeiten darauf vor, allerdings auf unterschiedliche Art und Weise.“ Jeder kennt die Mumifizierung, die bei den Ägyptern die Leichname der Verstorbenen für das Jenseits erhalten sollte. Für die Alten Chinesen erfüllte Jade als Stein der Unsterblichkeit den Zweck, den Körper zu schützen. In beiden Kulturen waren der Aufbau und die Ausstattung des Grabes für das Leben im Jenseits sehr wichtig. Dementsprechend wurden sie mit allem Lebensnotwendigen ausgestattet.

Jadegewand mit silbernen Fäden, Jade, Westliche Han-Dynastie, 206 v. Chr. – 8 n. Chr., © Xuzhou Museum
Jadegewand mit silbernen Fäden, Jade, Westliche Han-Dynastie, 206 v. Chr. – 8 n. Chr., © Xuzhou Museum
Mumienhülle der Nes-Chons-pa-cheret, Kartonage, grundiert und bemalt, Dritte Zwischenzeit, 23. Dynastie, 756–722 v. Chr., © Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin, Sandra Steiß
Mumienhülle der Nes-Chons-pa-cheret, Kartonage, grundiert und bemalt, Dritte Zwischenzeit, 23. Dynastie, 756–722 v. Chr., © Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin, Sandra Steiß

Die ähnlichen Totenkulte gingen mit den jeweiligen Glaubenswelten einher. Im Alten China wurden neben vielen Naturgewalten vor allem die Ahnen verehrt. Um sie gütig zu stimmen, opferte man ihnen Speis und Trank in Ritualgefäßen aus Bronze oder Jade. Ihnen gegenüber stehen altägyptische Kultgegenstände, die die vielfältige Götterwelt am Nil repräsentieren.

So entfaltet sich in der Ausstellung das Bild zweier komplexer Hochkulturen mit teils ähnlichen und teils ganz unterschiedlichen Strukturen und Lebensweisen – die jedoch beide für sich einzigartig und faszinierend sind, wie auch Mariana Jung betont. „Wir hoffen, dass die Besucher sich durch beide Kulturen inspirieren lassen und verschiedene Eindrücke beider Hochkulturen mit nach Hause nehmen.“

China und Ägypten. Wiegen der Welt“ läuft noch bis zum 3.12.2017 im Neuen Museum. Die Ausstellung wird großzügig gefördert durch die Sparkassen-Finanzgruppe, Hauptförderer der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Ausstellung wird unterstützt durch den Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin e.V und Museum&Location.

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