Die Auferstehung von Erigone und Hebe

Sonderausstellungen bieten oftmals die seltene Gelegenheit, Stücke nach langer Lagerung aus dem Depot zu holen und sie aufzuarbeiten und zu restaurieren. Kuratorin Claudia Kanowski und Restauratorin Franziska Kierzek berichten von einem solchen Fall im Kunstgewerbemuseum, Schloss Köpenick.

Bei der Vorbereitung der Ausstellung „Tönerne Welten. Figürliche Keramik aus sechs Jahrhunderten“ haben wir im Depot zwei große Tonmodelle entdeckt, die lange nicht mehr ausgestellt waren und zu denen es nur spärliche Informationen gab. In kunsthistorischer, vor allem aber in restauratorischer Hinsicht war einiges zu tun, um die beiden Figuren präsentabel zu machen.

Es handelt sich um Gestalten aus der antiken Mythologie: „Hebe“ und eine Bacchantin, vermutlich „Erigone“. Hebe, die Mundschenkin der Götter, ist an Krug und Schale zu erkennen. Ihr Attribut ist ein Adler, der für den Göttervater Jupiter steht. Die zweite Figur stellt eine Bacchantin dar. Gemeint ist sicher Erigone, die von Bacchus in Gestalt einer Weinrebe verführt wurde. Sie hält eine Weinrebe mit Schale empor.

Beide Tonfiguren sind Modelle und waren vermutlich für eine Ausführung in Bronze bestimmt. Sie stammen ursprünglich aus einer Berliner Privatsammlung und wurden 1961 vom West-Berliner Kunstgewerbemuseum angekauft. Stilistisch sind sie dem französischen Klassizismus zuzuordnen und erinnern an Werke des berühmten Bildhauers Claude Michel, genannt Clodion, auch wenn sie wohl keine eigenhändigen Arbeiten von ihm sind. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es zu einer regelrechten „Clodionomanie“, die zu zahlreichen Nachschöpfungen „à la manière de Clodion“ führte. Technische Indizien sprechen dafür, dass unsere Figuren wahrscheinlich zu Lebzeiten des Meisters entstanden sind.

Die Restaurierung der „Hebe“
Die knapp einen Meter hohe Figur der Hebe ist vollplastisch hohl mit einer offenen Standfläche gearbeitet. Auf der Unterseite des Sockels sind Fingerabdrücke in der Tonmasse sichtbar. Die Oberfläche weist einen leicht pigmentierten Überzug auf.
Leider ist die Figur der Hebe in einem fragmentierten Zustand erhalten. So sind bei älteren Restaurierungsmaßnahmen einige Fragmente miteinander verklebt worden, andere Bruchstücke liegen separat vor, vier Finger der rechten Hand sind nur noch im Ansatz vorhanden.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Mehrere vorhandene Klebungen begannen sich zum Teil wieder zu lösen, so dass die Fragmente noch miteinander verbunden sind, jedoch nicht mehr exakt aufeinander sitzen. Hierdurch bestand die Gefahr, dass die Klebung dem Gewicht des Fragmentes jederzeit nachgeben könnte, wodurch am Bruchstück sicherlich weitere Schäden entstanden wären. Zusätzlich trat der leicht vergilbte Klebstoff blasig und wulstartig aus den Klebefugen hervor. In manchen Bereichen der Klebenähte hat sich das Klebemittel durch seine Versprödung abgehoben, so dass hier helle Partien zu verzeichnen sind.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Diese Situation erforderte dringend eine Sicherung der vorhandenen Substanz. Daher entschlossen wir uns, die Plastik gänzlich zu überarbeiten. Hierfür wurde die Oberfläche der Figur zunächst teils trocken, teils mit einem Lösemittelgemisch gereinigt und die Plastik anschließend vollständig auseinandergenommen. Auch vermeintlich passgenaue feste Klebungen wurden wieder gelöst, da hier aufgrund des gealterten Klebemittels und des Eigengewichtes des Bruchstücks das gleiche Schadensbild wie beim gehobenen rechten Arm zu erwarten war.
Außerdem konnte bei ihnen nicht gewährleistet werden, wie lange sie noch halten und ob sie sich aufgrund des Eigengewichts nicht vielleicht auch bald soweit lösen würden wie beispielsweise der geklebte rechte Arm. So wurden letztlich alle insgesamt fünf miteinander verklebten Fragmente mit Hilfe lösemittelhaltiger Kompressen nach längerer Einwirkzeit wieder voneinander getrennt.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Abschließend wurden die Bruchflächen von Klebstoffresten durch Anlösen und mechanisches Abtragen entfernt. Dies erfordert eine penible Genauigkeit, um später eine möglichst hohe Passgenauigkeit zu erzielen. Es musste durch die entsprechende Wahl des Lösungsmittels darauf geachtet werden, den leicht pigmentierten Überzug nicht mit abzutragen.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Schließlich konnten alle gelösten sowie auch die drei bereits einzeln vorliegenden Fragmente mit einem Acrylat verklebt werden. Um die Bruchstücke während des Aushärtens des Acrylats miteinander eng zu verbinden und zu fixieren, wurden über die Klebenähte Dextrinstreifen gesetzt.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Ein kleiner, ausgebrochener Bereich an der Klebenaht des Fingers musste zur Stabilisierung gekittet werden. Hierfür wurde ein speziell angepasstes Gemisch aus angedicktem und pigmentiertem Kunststoff verwendet.
Abschließend wurden die Oberflächen im Bereich der Klebenähte, dort wo das Klebemittel die pigmentierte Oberfläche abgetragen hat, mit Aquarellfarben leicht retuschiert. Nach diesem letzten Schliff glänzten die Plastiken wieder fast wie neu.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Die Ausstellung „Tönerne Welten. Figürliche Keramik aus sechs Jahrhunderten“ zeigt noch viele weitere spannende Depotfunde. Sie ist bis 12. Juni 2016 in Schloss Köpenick zu sehen. Ausstellungsbegleitend ist ein bebildertes Sonderheft der Zeitschrift „Keramos“ erschienen, in dem die einzelnen Themenbereiche und eine Auswahl der präsentierten Kunstwerke näher untersucht werden.

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