Überwachung früher und heute

Das Museum für Fotografie präsentiert zwei parallele Ausstellungen zum ebenso brisanten wie aktuellen Thema Überwachung. Während die erste Schau aktuelle künstlerische Positionen zur Überwachung zeigt, wendet sich die zweite der Geschichte der Überwachung zu. Der Kurator Michalis Valaouris erklärt die Hintergründe.

Welches Recht haben Regierungen, Unternehmen und Individuen, Informationen über unsere tägliche Kommunikation zu sammeln und aufzubewahren? Welche Werkzeuge wurden und werden benutzt, um unsere Aktivitäten zu überwachen? Was sind die unmittelbaren und weitreichenderen Folgen?

Regierungen und Konzerne in der ganzen Welt unternehmen immer umfassendere Anstrengungen, die Kommunikation und die Aktivitäten von Millionen von Menschen zu verfolgen – dadurch bedrohen sie nicht nur unsere Privatsphäre, sondern eröffnen auch die Möglichkeit, diese Informationen repressiv und diskriminierend einzusetzen und die freie Meinungsäußerung massiv zu beeinträchtigen.

Mari Bastashevski & Privacy International, Detail from It’s Nothing Personal, 2014. © Mari Bastashevski
Mari Bastashevski & Privacy International, Detail from It’s Nothing Personal, 2014. © Mari Bastashevski

Überall und nirgends zugleich
Die Ausstellung „Watching You, Watching Me“ (17. Februar bis 2. Juli 2017), die die drei Kuratoren Stuart Alexander, Susan Meiselas und Yukiko Yamagata in unserem Haus präsentieren, untersucht in diesem Kontext, wie Fotografie sowohl Überwachungsinstrument als auch Werkzeug sein kann, um dessen negatives Wirkungspotential offenzulegen und herauszufordern.

Die Künstler, die in der Ausstellung präsentiert werden, setzen sich mit der inhärenten Schwierigkeit auseinander, etwas zu visualisieren, das sowohl allgegenwärtig als auch verborgen, scheinbar überall und nirgends zugleich ist, und bedienen sich dabei einer Fülle unterschiedlicher Ansätze.

Hasan Elahi, Detail from Thousand Little Brothers, 2014. © Hasan Elahi
Hasan Elahi, Detail from Thousand Little Brothers, 2014. © Hasan Elahi

Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit verwischen
Mari Bastashevski & Privacy International, Hasan Elahi und Mischka Henner dekonstruieren in ihren Arbeiten digitale Medien oder Bilder von Google Maps. Andere Arbeiten wiederum beziehen sich stärker auf politische Inhalte, die entweder bereits historisch oder noch aktuell sind: Simon Menner veröffentlicht beunruhigende Fotografien aus den Archiven des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Edu Beyer zeigt Szenen aus dem geplünderten Überwachungs-quartier von Muammar al-Gaddafi, Julian Röder richtet seinen Blick auf eine Wachtruppe der vieldiskutierten Frontex, die die europäischen Grenzen bewacht.

Julian Roeder, Thermal Imaging Camera, 2012. From the series, Mission and Task.  © Julian Roeder
Julian Roeder, Thermal Imaging Camera, 2012. From the series, Mission and Task. © Julian Roeder

Alle zehn Positionen demonstrieren, inwieweit die Kultur der Überwachung die Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit verwischt. Damit stellen sie wichtige und provozierende Fragen zur Rolle der Privatheit bei der Bewahrung grundlegender Rechte und Freiheiten.

Überwachung in früheren Zeiten
Überwachung ist aber nicht nur ein aktuelles Thema, sondern auch ein historisches Phänomen. Von dieser Prämisse ausgehend, wendet sich die zweite Ausstellung der Kunstbibliothek der Geschichte zu. „Das Feld hat Augen. Bilder des überwachenden Blicks“ (17. Februar bis 2. Juli 2017) fragt nach dem besonderen Unbehagen, das religiös wie politisch motivierte Überwachung stets auslöste. Der Titel bezieht sich auf einen anonymen Holzschnitt aus dem Jahr 1546 – ein Bild, das aus entfernter Vergangenheit eine warnende Botschaft sendet: „Vorsicht, Ihr werdet gesehen, gehört!“

Unbekannter Stecher (Niederländisch), Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren, 1546, Holzschnitt, koloriert. © Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Jörg Anders
Unbekannter Stecher (Niederländisch), Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren, 1546, Holzschnitt, koloriert. © Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Jörg Anders

75 Druckgrafiken, rare Bände, Fotografien und optische Apparate fächern eine Bild- und Kulturgeschichte des überwachenden Blicks vom 16. bis zum 20. Jahrhundert auf. Denn schon bevor es die heute allgegenwärtigen Kameras gab, wurden Menschen durch andere Augen kontrolliert: In der Epoche der Aufklärung wurden Staat und Gesetz durch ein allsehendes Auge symbolisiert, das für den klaren Blick der Vernunft stand.

Psychischer Druck als Konstante
Den ikonografischen Ursprung solcher Motive bildete das Symbol vom Auge Gottes. Dieses „Auge“, das alle Taten und Gedanken eines jeden Christen erfasst, übte als mystische Instanz eine mächtige psychologische Wirkung auf die Gläubigen aus. Doch egal ob Gott, Staat oder Technik – die Konstante dieser Genealogie bildet der psychische Druck einer unüberprüfbaren Instanz.

Jacques Callot, Le Ciel veille pour toy (Der Himmel wacht für Dich), 1628, Kupferstich. © Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Dietmar Katz
Jacques Callot, Le Ciel veille pour toy (Der Himmel wacht für Dich), 1628, Kupferstich. © Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Dietmar Katz

Diesem Konzept folgend, werden die Exponate in vier thematischen Kapiteln gegliedert: Ikonografie des göttlichen Blicks, Sinnbilder vom überwachenden Staat, Apparate für Observation und Bilder akustischer Überwachung. Die meisten Werke stammen aus den reichen Beständen der Kunstbibliothek. Darüber hinaus wird die Ausstellung durch Leihgaben aus den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, aus zahlreichen Bibliotheken, Archiven sowie zwei Privatsammlungen ergänzt.

Claude-Nicolas Ledoux, Coup-d’œil du Theatre de Besançon (Das Auge des Architekten), Tafel 113 aus: Ledoux, L'Architecture considérée […], Paris 1804. © Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Dietmar Katz
Claude-Nicolas Ledoux, Coup-d’œil du Theatre de Besançon (Das Auge des Architekten), Tafel 113 aus: Ledoux, L’Architecture considérée […], Paris 1804. © Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Dietmar Katz
„Watching You, Watching Me: A Photographic Response to Surveillance“ wird von Stuart Alexander, Susan Meiselas und Yukiko Yamagata kuratiert. Die Schau wird von den Open Society Foundations in Kooperation mit der Kunstbibliothek realisiert und ist die 22. Folge der Reihe „Moving Walls“. Nach erfolgreichen Stationen in New York und Budapest wird sie nun im Kaisersaal des Museums für Fotografie gezeigt. Bereichert wird dieses Ausstellungprogramm in Kooperation mit C/O Berlin, dort wird zeitgleich die Schau „Watched! Surveillance Art & Photography after 9/11“ zu sehen sein.

Zur Ausstellung „Das Feld hat Augen. Bilder des überwachenden Blicks“ erscheint ein Katalog im Deutschen Kunstverlag zum Preis von 9,90 € mit ca. 80 Seiten und 80 Farbabbildungen. Michalis Valaouris, Kurator der Ausstellung und Autor des Katalogs, ist derzeit wissenschaftlicher Museumsassistent in Fortbildung an der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek.

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