Lektion in Propaganda – Eindrücke vom Social-Media-Event „Alte Kunst in neuen Medien“

Im Rahmen unseres ersten großen Social-Media-Abends in der Gemäldegalerie begrüßen wir auf unserem Blog einen Gast. Dies ist der letzte Beitrag von Ji-Hun Kim, Chefredakteur von Das Filter, in dem er seine Perspektive auf den Abend teilt.

In der Gemäldegalerie bin ich bis vergangenen Samstag genau einmal gewesen. Es müsste so 2003 gewesen sein. Ich noch fleißig (oder auch nicht) studiert und eines gefaulenzten Wochentags entlang der europäischen Kunstwerke des 13. bis 18. Jahrhunderts flaniert. Ich sah Bilder und Epochen, die mich nie so recht angesprochen haben. Gegenständlichkeit, der massive Einfluss durch Kirche, Religion, Monarchien. Machtdarstellung, Jesus Christus, unfotografisch Historisches. Ich kam mit der Moderne gefühlt besser zurecht.

Wobei sich solche Begriffe natürlich nie generell setzen lassen. Vor nicht einmal 6000 Jahren dachten Menschen ja auch, das Rad wäre der heiße Scheiß. Gerade erfunden, revolutionär, was man mit dieser Entdeckung nicht alles machen konnte: Kutschen, Wägen, Züge – hochmodern! Wie kompliziert die Welt doch ohne das Rad nur gewesen ist … Nicht anders war es wahrscheinlich mit der Kunst. Medien, Handfertigkeiten, Techniken, Ausdrucksformen, die sich ständig weiterentwickelten und auch immer zeigten, was zu der Zeit machbar war. Könige, Päpste und Bischöfe ließen sich halt malen, um visuell mit dem Volk zu kommunizieren. Angela Merkel betreibt unterdessen einen YouTube- und Instagram-Kanal. Ist die Message vielleicht die gleiche? Nur das Mittel ein der jeweiligen Zeit entsprechend anderes?

Diese und zahlreiche andere Fragen beschäftigten die Organisatoren und Teilnehmer des Social-Media-Events zur Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ am vergangenen Samstagabend in der Gemäldegalerie. Während die letzten Tagesgäste das Museum verlassen, füllt sich der Bereich in der Cafeteria. Spanische Säfte, Schinken, Chorizo, Manchego, Oliven und Mandeln. Man vergisst für einen kurzen hungrigen Augenblick, dass man in Berlin und nicht Madrid ist. Über der Bar prangt ein gelb-goldener Ring aus Pappe, das Signet der Ausstellung – es wird sich später zeigen, er eignet sich auch als Hulahoop und fotogenes Bildaccessoire.

Die Gäste des Abends sind eingetroffen © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Ji-Hun Kim
Die Gäste des Abends sind eingetroffen © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Ji-Hun Kim

Eine umfassende Begrüßung. Eine gewisse Aufregung ist beim Organisations-Team zu spüren. Solch ein Socia-Media-Event in den Staatlichen Museen zu Berlin zu veranstalten, ist für alle hier Beteiligten neu. Und die Zielgruppe ist gewiss schwierig. Gerade Lifestyle-Blogger sind es gewohnt, alltäglich in gehobenem Standard von Event zu Party zu Pressetrip zu hoppen. Da müssen kompakte Aufmerksamkeitsspannen effizient ausgenutzt werden … Kurz nachdem sich die Teilnehmer für die jeweiligen Talkrunden eingetragen haben – acht gab es zur Auswahl, zwei durfte man sich aussuchen – ging es in Gruppen in die Ausstellung. Eine leicht gespenstische, aber auch intime Atmosphäre macht sich breit. Ist es doch ein rarer Moment, so ein Museum zu dieser Uhrzeit quasi für sich zu haben.

Das Goldene Zeitalter der Spanischen Kunst wird hier in etwa von 1580 bis 1680 datiert. Spanien war zu der Zeit eine weltumspannende Kolonialmacht. Aber der Prunk bröckelte. Politisch gesehen verlor das Königreich immerzu an Macht. Epidemien wie die Pest rafften das Volk dahin. Das Ende einer glorreichen Ära befand sich in Sichtweite. Genau genommen lief also gar nichts golden. Aber gerade in solch einer Gemengelage schienen Künstler wie Velázquez, El Greco, Francisco de Zurbarán und Bartolomé E. Murillo und unbekanntere Künstler wie Alonso Cano und Gregorio Fernández einen kreativen und produktiven Nährboden für ihre Arbeiten gefunden zu haben. Aber woher kommt das? Wird Kunst immer auch dann bedeutsam, wenn gesellschaftliche Missstände und Krisen ausgedrückt werden können?

Schaut man auf die Exponate, die aus aller Welt zusammen getragen wurden, wird allmählich klar, wieso diese Epoche als so wichtig bei Kunsthistorikern empfunden wird. Die Bilder und Skulpturen wirken persönlich, düster, teils expressionistisch. Einige wild, brutal, traurig, deprimiert, verzerrt und gar nicht angepasst. Die Kuratorin María López-Fanjul wird nicht müde zu beteuern, dass es bei den christlichen Motiven gar nicht so sehr um Religion geht, sondern viel mehr um Propaganda. Man dürfe nicht übersehen, dass die christliche Religion zu der Zeit gesellschaftlich so ziemlich jeden Lebensbereich definiert hatte. Skulpturen wie die „Büste des heiligen Johannes von Gott“ von Alonso Cano zeigen indes keine Überhöhungen von Heiligen mehr. Der Katholizismus scheint zu menscheln. Ein schüchterner, verlegener, demütiger Blick. Ein Versuch, auf Augenhöhe mit dem Betrachter zu kommen oder vielleicht sogar schon eine Kapitulation der Macht?

Das Smartphone muss natürlich mit © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Das Smartphone muss natürlich mit © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Die wenigen Stunden in der Gemäldegalerie waren voller interessanter Eindrücke. Nach den Talkrunden konnte man eine Weile alleine durch die Ausstellungsräume wandern, mit dem Wachpersonal smalltalken oder sich fühlen, als gehöre das Museum einem ganz alleine. In der Cafeteria klingelten derweil die Weingläser und die geschossenen Smartphone-Bilder wurden als Sofortbild ausgedruckt. Der Abschluss des Abends fand kurz darauf im Impossible Project Laboratory ein paar Häuser weiter statt. Die Fotos wurden dort an weißen Aufstellwänden ausgestellt und konnten mit Punkten bewertet werden. Es ging sogar um etwas: für das bestbewertete Foto kann man eine Museums-Jahreskarte einheimsen. Kühle Biere, Musik aus einer mobilen DJ-Kanzel. Es wurde an alles gedacht.

Das Social-Media-Event war eine feine Sache. Weitaus persönlicher und erkenntnisreicher als der recht kühle Name Socia-Media-Event zunächst vermuten lässt. Man darf ergo gespannt sein, was in Zukunft an interessanten Projekten in der Vermittlung von klassischer Kunst in digitalen Medien passieren wird. Denn was man so mitbekommt, soll das erst der Anfang gewesen sein. Zeit dafür ist es allemal.

Ji-Hun Kim ist Chefredakteur von Das Filter – Medium für Gegenwart. Für unseren Social-Media-Abend „Alte Kunst in Neuen Medien“ in der Gemäldegalerie teilt er exklusiv auf „Museum and the City“ seine Gedanken, Fragen und Perspektiven auf das Thema analoge Kunst im digitalen Raum.

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