Ludwig Borchardt – Der Bauforscher unter den Ägyptologen

Ludwig Borchardt brachte nicht nur die Nofretete von Tell el-Amarna nach Berlin – er war auch eine der wichtigsten Figuren in der frühen Ägyptologie. Zu seinem 152. Geburtstag hat Jessica Jancziak vom Ägyptischen Museum und Papyrussammlung die Stationen seines Lebens zusammengefasst.

„Es mögen bald 50 Jahre vergangen sein, da saß unter der kleinen Schar derer, die sich in Berlin mit Ägyptologie befaßten, ein fröhlicher Student, der in manchem anders war als seine Gefährten. Denn auf dem Gymnasium hatte er als Mathematiker geglänzt, und jetzt betrieb er neben dem Ägyptischen nicht philologische Studien, sondern – das Baufach. Er wollte Baumeister werden und doch auch Ägyptologe sein. Das war ein seltsamer Gedanke, aber bei der Energie, mit der Ludwig Borchardt alles angriff, hat er diesen Plan wirklich durchgeführt. Und wenn er in dem einen Fache seine Laufbahn auch vor der Zeit abbrechen mußte, so hat er dafür in dem anderen Fache Erfolg gehabt, wie sie wenig anderen beschieden sind. Gerade diese doppelte Art der Ausbildung hat der Ägyptologie reichere Früchte getragen, als wenn er nur am Schreibtisch gearbeitet hätte, denn nur ein Baumeister konnte einem alten Volke, das so Großes in seinen Bauten geleistet hat, wirklich gerecht werden. […] Und noch etwas anderes ist immer für Borchardts Art zu arbeiten bezeichnend gewesen. Er hat sich ungern mit den herkömmlichen Ansichten zufrieden gegeben, er hat immer über sie hinausgestrebt, wie das einem rechten Gelehrten geziemt. Auch sonst ist es ihm nie gegeben gewesen, sich ‚beruhigt auf ein Faulbett‘ zu legen, und hinter dem, was er heute errichtete, stand immer schon das Ziel für morgen. Das mochte wohl nicht immer bequem sein für die, die ihm bei seinen Plänen beistehen sollten, aber was würde wohl von allem, was Borchardt geschaffen hat, zustande gekommen sein, wenn er anders gewesen wäre?“

Adolf Erman, Ludwig Borchardt Bibliographie. Zum 70. Geburtstage Ludwig Borchardts am 5. Oktober 1933 zusammengestellt (Leipzig 1933).

Die Anfänge
Ludwig Borchardt (5. Oktober 1863 in Berlin bis 12. August 1938 in Paris) wurde als Sohn von Hermann und Bertha Borchardt, geborene Levin, in eine alteingesessene jüdisch-berlinische Kaufmannsfamilie geboren. Zu seinen fünf Geschwistern zählte der Schriftsteller Georg Borchardt, der unter dem Pseudonym Georg Hermann bekannt wurde.
1883 nahm Ludwig Borchardt sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Berlin auf, das er vier Jahre später abschloss. Gleichzeitig studierte er bei Adolf Erman Ägyptologie.

Georg Möller, Friedrich Zucker oder Prinz Oskar von Preußen, Ludwig Borchardt und Graf Soden (Begleiter des Prinzen) oder Walter Honroth (von links nach rechts) bei den Ausgrabungen in Abusir (1907/08) © Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Ph. 8013
Georg Möller, Friedrich Zucker oder Prinz Oskar von Preußen, Ludwig Borchardt und Graf Soden (Begleiter des Prinzen) oder Walter Honroth (von links nach rechts) bei den Ausgrabungen in Abusir (1907/08)
© Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Ph. 8013

1895 reiste er zum ersten Mal nach Ägypten, wo er sich die meiste Zeit bis an sein Lebensende aufhielt, und unterstützte am Tempel von Philae die Rettungsgrabungen vor dem Bau des ersten Staudamms bei Assuan.
1896 bis 1899 arbeitete er an dem von ihm ins Leben gerufenen Catalogue Général des Kairener Museums, für den er selbst mehrere Bände zu Statuen und den Denkmälern des Alten Reiches verfasste. Um weiterhin in Ägypten tätig sein zu können, wurde für ihn am Kaiserlich Deutschen Generalkonsulat in Kairo 1899 die Stelle eines „Wissenschaftlichen Attachés“ geschaffen.

1899–1901 begann Ludwig Borchardt mit Heinrich Schäfer und der finanziellen Unterstützung von Friedrich Wilhelm von Bissing das Sonnenheiligtum des Niuserre in Abu Ghurob auszugraben, wodurch etliche Relieffragmente aus der so genannten „Weltenkammer“ an das Berliner Museum
gelangten.

Im Februar 1896 lernte Ludwig Borchardt Emilie Cohen (1877–1948), genannt Mimi, die Tochter des Frankfurter Malers Eduard Cohen in Ägypten kennen. 1903 heirateten die beiden und bezogen eine Villa auf der noblen Nilinsel Zamalek.

Schnitt durch die Pyramide des Sahure aus: L. Borchardt, Das Grabdenkmal des Königs Sahure. Band I: Der Bau, Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 14 (Leipzig 1910), Bl. 7.
Schnitt durch die Pyramide des Sahure
aus: L. Borchardt, Das Grabdenkmal des Königs Sahure. Band I: Der Bau, Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 14 (Leipzig 1910), Bl. 7.

Erfolgreiche Grabungstätigkeit
1902 bis 1908 leitete Ludwig Borchardt für die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG) die Ausgrabungen an den Pyramidenkomplexen des Niuserre, Neferirkare und Sahure. Finanziert wurden die Grabungen von James Simon (1851–1932), einem Berliner Textilfabrikanten und dem bedeutendsten Mäzen der Berliner Museen sowie Mitbegründer der DOG.

1904 entwarf Borchardt Pläne für das „Deutsche Haus“ in Theben, das seitdem Wissenschaftlern aller Nationen offensteht. Im Zuge des Ersten Weltkrieges wurde das Haus 1915 von den Briten zerstört, konnte jedoch 1927 dank Borchardts Einsatz, Betreibens und Spendensammelns wieder aufgebaut werden.

1907 wurde die Einrichtung des Kaiserlich Deutschen Instituts für Ägyptische Altertumskunde (heute Deutsches Archäologisches Institut) in Kairo bewilligt, dessen Direktor Borchardt wurde. Dieses Institut bildete von nun an den Ausgangspunkt vieler Forschungsprojekte. In Folge dessen wurde die Borchardtsche Villa auf Zamalek 1909 durch den Ankauf der Nachbarvilla als Gebäude für das Institut erweitert.

1911 bis 1914 führte Ludwig Borchardt seine erfolgreichsten Ausgrabungen in Tell el-Amarna durch, wo er am 6. Dezember 1912 die weltberühmte Büste der Nofretete fand.

Relieffragment aus dem Totentempel des Sahure in Abusir: Syrische Bären und Gefäße, Kalkstein, bemalt (ÄM 21828) © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß
Relieffragment aus dem Totentempel des Sahure in Abusir: Syrische Bären und Gefäße, Kalkstein, bemalt (ÄM 21828)
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß

Schwere Zeiten zwischen 1914 und 1938
Während des Ersten Weltkrieges und auch noch einige Zeit danach (1914–1923) verweilte Ludwig Borchardt in Berlin. Aufgrund der „Versailler Verträge“ und der angespannten diplomatischen Situation mit Frankreich und den Siegermächten war den deutschen Archäologen in Ägypten nur eingeschränktes Arbeiten möglich. Zurück in Ägypten fanden 1924–1928 daher nur noch kleinere Untersuchungen bzw. Nachgrabungen zur Sicherung früherer Funde statt.
1928 legte Borchardt seine Ämter am Kaiserlich Deutschen Institut für Ägyptische Altertumskunde nieder und trat mit 65 Jahren in den Ruhestand ein.

1931 gründeten er und seine Frau Mimi eine Stiftung, die Borchardts eigenes Privatinstitut absichern sollte, das heute das Schweizerische Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in
Kairo ist.

Mit dem Beginn der 30er Jahre und der Machtergreifung der Nazis wurde die Lebenssituation für das Ehepaar Borchardt immer bedrückender. Die Rettungsversuche der eigenen und der angeheirateten
Familienmitglieder sowie vieler Freunde und Bekannte, die weit verstreut lebten, beschäftigten und belasteten ihn und seine Frau sehr.

Standfigur der Nofretete aus den Grabungen Ludwig Borchardts in Tell el-Amarna, Schenkung James Simon 1920, Kalkstein, bemalt (ÄM 21263) © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß
Standfigur der Nofretete aus den Grabungen Ludwig Borchardts in Tell el-Amarna, Schenkung James Simon 1920, Kalkstein, bemalt (ÄM 21263)
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß

Borchardt verstarb auf einer Reise in Paris am 12. August 1938. Seine Hinterlassenschaften blieben in Kairo, wo er auch beerdigt wurde. Er verfügte in seinem Testament, man solle ihn im Garten seines
Hauses auf Zamalek begraben, dort ruht er unter einem schlichten Granitblock aus Philae.

Bedeutende Werke
Durch Ludwig Borchardt wurde die Bauforschung innerhalb der Archäologie Ägyptens etabliert. Doch neben seinem Interessensschwerpunkt zur ägyptischen Architektur, insbesondere den Pyramiden, beschäftigte sich Borchardt intensiv mit der Chronologie und Zeitmessung. Insgesamt zählt die von Adolf Ermann herausgebrachte Bibliographie zum Werk Borchardts von 1933 214 Einträge.

Büste Ludwig Borchardts aus Bronze, Hubertus von Pilgrim, Guss aus dem Jahr 2012 © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / J. Jancziak
Büste Ludwig Borchardts aus Bronze, Hubertus von Pilgrim, Guss aus dem Jahr 2012
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / J. Jancziak

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