Traum von der Insel – Jan Kelch und die Gemäldegalerie

Letzte Woche verstarb Jan Kelch, bedeutender Rembrandt-Forscher und ehemaliger Direktor der Gemäldegalerie, im Alter von 78 Jahren. Zum Standort seines Hauses vertrat Kelch stets eine klare Haltung – so auch im Januar 2016 in einem Gespräch für das SPK-Magazin.

Aufgezeichnet von Ingolf Kern

Als die Mauer fiel, saß ich in Dahlem und habe über den Umzug der Gemäldegalerie ans Kulturforum nachgedacht. Wir hatten einen Architektenwechsel hinter uns. Rolf Gutbrod war ausgeschieden und vom Münchner Büro Hilmer, Sattler & Albrecht abgelöst worden, was einem Museumsbau, wie er uns Kunsthistorikern vorschwebte, nur gutgetan hat. Mittendrin dann der 9. November 1989 und damit die völlig unerwartete Perspektive, die jahrzehntelang auseinandergerissenen Sammlungen wieder zusammenzuführen. Natürlich auf der Museumsinsel! Wo sonst?

Auf der Museumsinsel waren die Gemäldegalerie und Teile der Skulpturensammlung im Bode-Museum und im nördlichen Teil des Pergamonmuseums bis 1939 untergebracht. Das war das „Deutsche Museum“. Ich sah keine Alternative, als die Planungen für das Kulturforum aufzugeben und den Vorkriegszustand wiederherzustellen.

Harte und wuchtige Debatte
Doch „Museumsgeneral“ Wolf-Dieter Dube und Stiftungspräsident Werner Knopp wollten davon nichts wissen. Sie hielten an den Planungen für einen Neubau auf dem Kulturforum fest. Es entwickelte sich eine derart harte und wuchtige Debatte, wie sie eigentlich unter Beamten nicht üblich ist.

Die Stiftung und die Generaldirektion drohten uns mit Disziplinarverfahren, wir haben weiter Flugblätter verteilt und in der Presse für den Umzug auf die Museumsinsel geworben. Um den Standort Kulturforum durchzusetzen und international zu beleumunden, hat Dube dann die großen Koryphäen aus den Museen in London, Washington und Paris nach Berlin geholt, darunter übrigens auch Neil MacGregor.

Es zeigte sich dann aber auch, dass die Kollegen von der Antikensammlung sowie des Vorderasiatischen Museums und des Museums für Islamische Kunst nicht bereit waren, auf einen Teil des Pergamonmuseums zu verzichten, um an das „Deutsche Museum“ anknüpfen zu können. Darüber war mit ihnen nicht zu reden. Und als Knopp dann überzeugend darlegte, dass die für den Galerieneubau zugesagten Finanzmittel abgezogen würden, wenn wir jetzt nicht den Mund hielten, habe ich meinen Protest eingestellt.

Schnee von vorgestern
Letztlich waren mir die Vereinigung der Sammlung und das differenzierte Ausstellen doch wichtiger als die Immobilie. Ich muss es heute so sagen, auch wenn mich der Standort Kulturforum nicht völlig befriedigt hat und ich weiter auf die „Insel“ geschielt habe. Damals hatten wir ja schon durchgerechnet, ob Malerei und Skulptur zusammen ins Bode-Museum passen oder ob der Neubau 1:1 vom Kulturforum auf das ehemalige Kasernengelände gegenüber der Museumsinsel zu stellen wäre.

Alles Schnee von vorgestern – genauso wie die Idee, die Gemäldegalerie ins wiederaufzubauende Schloss ziehen zu lassen. Das wäre die Lösung gewesen, denke ich noch immer. Dort gehört sie hin, in die oberen Tageslicht-Stockwerke. Für das Schloss sind die Werke gesammelt worden, auch wenn Friedrich der Große dann einen Großteil nach Sanssouci genommen hat. Im Schloss wäre die Nähe zur Museumsinsel hergestellt, die Verbindung zu Sammlungen älterer Kunst und Kultur. Vorbei.

Wie zwei Zahnräder
Zurück zum Kulturforum. Als wir schließlich 1998 die Gemäldegalerie am Kulturforum eröffnet haben, ging auch eine der vorzüglichsten Planungsphasen zu Ende, die ich in meiner Museumszeit erlebt habe. Architekten und Kunsthistoriker hatten zusammen einen Bau geschaffen, der wirklich in Übereinstimmung mit den Strömungen der Malereigeschichte entstanden war.

Und aus dem Bode-Museum (Ost) und der Gemäldegalerie Dahlem (West) kamen die beiden Teile einer Sammlung zueinander, die wie zwei Zahnräder ineinandergriffen. Plötzlich erkannte man die Systematik der Sammlung, die von Geschmacksströmungen weitgehend unabhängig nach kunsthistorischen Gesichtspunkten zusammengestellt worden war.

Aus dem Bode-Museum gelangten auch Großformate in den Neubau, die nun den Kriegsverlust der Galerie gerade auf diesem Gebiet etwas verschmerzen lassen. Werke wie Lucas Cranachs „Jüngstes Gericht“, Paris Bordones „Thronende Maria“, Rubens’ „Übergabe der Himmelsschlüssel an Petrus“, einige Großformate der Rembrandt-Schule, auch Thomas Gainsboroughs lebensgroßes „Bildnis des John Wilkinson“ tragen zum neuen, alten, reich orchestrierten Profil der Gemäldegalerie bei. Dies alles im Zusammenspiel zu sehen, war sehr bewegend, ein tolles Gefühl.

Wieder mehr Interesse wecken
Ich glaube, in der Gemäldegalerie wird der Traum von der „Insel“ dennoch nie aufgegeben werden. Vor einigen Jahren ging es ja wieder darum, Malerei und Skulptur zusammen ins Bode-Museum und einen Erweiterungsbau zu bringen. Ich bin durchaus ein Befürworter dieser Verbindung, die vor allem von den Mitarbeitern der Skulpturensammlung betrieben wurde.

Sie ist aber nur für das Mittelalter naheliegend, denn in der Renaissance wird die Gattung ja selbstständig. Wie auch immer alles werden wird, die Gemäldegalerie muss wieder mehr Interesse wecken. Das lässt sich nur mit guten Ausstellungen, aber vor allem auch durch spektakuläre Neuerwerbungen erreichen. Die Haltung, dieses Haus quasi unter Denkmalschutz zu stellen und nicht weiterzuentwickeln, ist tödlich. Es muss weitergehen!

Jan Kelch © SPK / Werner Amann
Jan Kelch © SPK / Werner Amann

Jan Kelch wurde 1939 in Berlin geboren und war ab 1971 Kurator in der Gemäldegalerie (West-Berlin). Von 1996 bis 2004 war er deren Direktor. Das Gespräch wurde anlässlich des SPK-Magazins 2/2015 mit dem Schwerpunkt „25 Jahre Zusammenführung der Sammlungen der SPK„.

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