ZEDIKUM auf der Museumsinsel: Ein Streifenlichtscanner holt die Antike ins digitale Zeitalter

Auf der Museumsinsel werden derzeit die archäologischen Bestände digital gescannt. Wir sprachen mit der erfahrenen Vermessungsingenieurin Fanet Göttlich und schauten ihr bei der Dokumentationsarbeit über die Schulter.

Über eine Million archäologische Objekte aus 12 Jahrtausenden finden sich auf der Museumsinsel. Ein neues Forschungsprojekt, initiiert vom Vorderasiatischen Museum, befördert dieses unvergleichbare Kulturerbe jetzt ins digitale Zeitalter: ZEDIKUM (Deutsches Zentrum für Digitale Kulturgüter in Museen). Der Verbund der fünf archäologischen Museen auf der Mueseumsinsel will über neue Verfahren 3D-Objektdaten gewinnen, aber auch die Möglichkeiten der Speicherung dieses neuen Wissens untersuchen. Das Forschungsprojekt wird aus Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien finanziert und vom Direktor des Vorderasiatischen Museums, Markus Hilgert, koordiniert.
In diesem Rahmen sollen auch die wichtigsten Stücke der Museumsinsel eingescannt werden. Diesen Bereich des Projekts verantwortet Fanet Göttlich. Seit 10 Jahren ist die Vermessungsingenieurin schon in der dreidimensionalen Dokumentation tätig. Wir haben sie bei ihrer Arbeit begleitet.

Frau Göttlich, Sie arbeiten im Archäologischen Zentrum an einem Streifenlicht-Scanner. Wie funktioniert er?
Der Scanner besteht aus zwei Kameras links und rechts und einem Projektor in der Mitte. Der Projektor wirft Licht streifenförmig auf ein Objekt, zum Beispiel ein antikes Siegel: daher der Name „Streifenlichtscanner“. Ist ein Objekt dreidimensional, verzerrt es diese Lichtstreifen je nach seiner Form. Die Kameras machen Fotos dieses einzigartigen Streifenmusters. Das Objekt rotiert dabei auf einem Drehtisch, der Scanner nimmt es bei jeder Position auf. Mit verschiedenen Berechnungsmethoden – dem Triangulationsverfahren, dem codierten Lichtansatz sowie der Lichtschnitt- und Phasenshiftverfahren – können wir daraus eine dreidimensionale Punktwolke generieren. Über diese virtuelle Oberfläche werden dann die zusätzlich gemachten Fotos gemappt. Ergebnis ist ein hochaufgelöstes texturiertes 3D-Oberflächenmodell.

Wie groß können die Objekte sein, die Sie scannen?
Wir können hier Bereiche von bis zu einem Meter erfassen. Theoretisch kann man die daraus entstehenden Scans kombinieren und noch weit größere Objekte erfassen. Aber auch winzig kleine Objekte im Zentimeterbereich sind möglich. Die Auflösung des Scanners liegt dabei im Mikrometer-Bereich.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie bei Ihrer Arbeit?
Wenn ein Objekt größer als einen Meter ist und mehrere Scans kombiniert werden müssen, erschwert das natürlich den Scanvorgang. Außerdem ist die Oberflächenbeschaffenheit extrem wichtig: Glatte Oberflächen können wir besser ausleuchten als stark reliefierte. Das Objekt sollte weder das Licht „schlucken“, wie das bei sehr dunklen Oberflächen der Fall sein kann, noch zu stark reflektieren. Der „Berliner Goldhut“ im Museum für Vor- und Frühgeschichte ist ein Beispiel dafür: Seine Oberfläche ist aus Gold und glänzt daher stark. Zusätzlich kann man sein Inneres sehr schwer ablichten. Der Schaft wäre zu schmal, um ihn mithilfe des Scanners auszuleuchten und aufzunehmen. In so einer Situation müssen wir auf andere Verfahren zurückgreifen, zum Beispiel die photogrammetrische Methode „structure from motion“ und dafür vielleicht mit einer kleinen medizinische Kamera in den Hut hineinreichen.

Wie profitiert die Wissenschaft von ZEDIKUM?
An einem Scan können verschiedene Aspekte eines Objekts sichtbar gemacht und besser erforscht werden. Bei reliefierten Gegenständen können wir etwa die Textur ausblenden, was das Lesen vereinfacht. Rollsiegel sind dafür gute Beispiele: Auf ihnen finden sich sehr viele Informationen die aber viel besser sichtbar werden, wenn man das Siegel auf einem weichen Grund abrollt. Durch die Digitalisierung können wir jetzt per Scan „abrollen“ und das antike Original wird geschont. Durch unterschiedliche Algorithmen und Darstellungsweisen der Oberfläche des 3D-Modells kann man zudem den Herstellungsprozess sichtbar machen. Archäologen können dadurch einschätzen, ob es sich um Original oder Fälschung handelt.
Durch die Digitalisierung ist es außerdem möglich, Objekte digital „aufzuschneiden“, ohne dass das Original angerührt wird. Forscher auf der ganzen Welt können auf digitalisierte Schriften und Kulturgüter zugreifen, auch wenn sie sich in unterschiedlichen Sammlungen befinden – Zusammenhänge sind so neu erschließbar.

Kommt das Projekt auch dem Museumsbesucher zugute?
Das ist auch ein Ziel von ZEDIKUM. Wir stellen uns interaktive Angebote vor, aber auch „augmented“ und „virtual reality“ sollen in den neuen Konzepten umgesetzt werden. Probemodelle dafür existieren bereits. Stellen Sie sich einen virtuellen Rundgang durch das antike Babylon vor – oder exakte 3D-Drucke von antiken Statuen, die man aus dem Museumsshop dann mit nach Hause nehmen kann!

Eine Mitarbeiterin des Deutschen Zentrum für Digitale Kulturgüter in Museen (ZEDIKUM) digitalisiert eine Tontafel mithilfe eines Streifenlichtscanners. ZEDIKUM entwickelt Verfahren und Methoden für die digitale Sicherung und Dokumentation von archäologischen Sammlungsobjekten, um neue Grundlagen für die Erforschung, den Kulturgutschutz, aber auch für webbasierte Vermittlungsmethoden zu schaffen. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Eine Mitarbeiterin des Deutschen Zentrum für Digitale Kulturgüter in Museen (ZEDIKUM) digitalisiert eine Tontafel mithilfe eines Streifenlichtscanners. ZEDIKUM entwickelt Verfahren und Methoden für die digitale Sicherung und Dokumentation von archäologischen Sammlungsobjekten, um neue Grundlagen für die Erforschung, den Kulturgutschutz, aber auch für webbasierte Vermittlungsmethoden zu schaffen. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
ZEDIKUM ermöglicht die Nachnutzung digitaler Daten für neuartige Vermittlungsformate im Museum. Augmented reality-Anwendung etwa holen Informationen zum Kontext eines Objekts auf das Smartphone des Besuchers. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
ZEDIKUM ermöglicht die Nachnutzung digitaler Daten für neuartige Vermittlungsformate im Museum. Augmented reality-Anwendung etwa holen Informationen zum Kontext eines Objekts auf das Smartphone des Besuchers. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Das Projekt entwickelt auch Technologien, die ein mobiles, kostengünstiges 3D-Scannen ermöglichen sollen und in Krisengebieten zum Einsatz kommen können. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Das Projekt entwickelt auch Technologien, die ein mobiles, kostengünstiges 3D-Scannen ermöglichen sollen und in Krisengebieten zum Einsatz kommen können. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Der Streifenlichtscanner von ZEDIKUM im Einsatz. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum
Der Streifenlichtscanner von ZEDIKUM im Einsatz. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum

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