Gemäldegalerie:

Zeitreise zu Botticelli

Aber damit die Leihgabe auch wirklich von der Verantwortung der Spedition in die des Leihnehmers übergehen kann, bedarf es einer professionellen Prüfung durch die Foto-Restauratorin Stefanie Pfeifer. Foto: Fabian Fröhlich
Aber damit die Leihgabe auch wirklich von der Verantwortung der Spedition in die des Leihnehmers übergehen kann, bedarf es einer professionellen Prüfung durch die Foto-Restauratorin Stefanie Pfeifer. Foto: Fabian Fröhlich

Die Ausstellung „The Botticelli Renaissance“ in der Gemäldegalerie widmet sich der späten Wiederentdeckung des florentinischen Altmeisters Sandro Botticelli. Um die verschiedenen Neuinterpretationen sichtbar zu machen, die Botticelli seit dem frühen 19. Jahrhundert erfahren hat, führt die Ausstellung die Besucher rückwärts durch die Rezeptionsgeschichte. Eine Begehung mit dem Kurator Ruben Rebmann.

Kommt man dieser Tage in den Botticelli-Saal der Gemäldegalerie, findet man eines nicht: Botticellis. Einzig die Berliner Venus hängt an einem Wandvorsprung aus Schiefer in der Raummitte, ansonsten ist man von zeitgenössischer Kunst umgeben. Die Venus wirkt hier in ihrer epochenübergreifenden Anmut wie ein Fremdkörper. Und diese Irritation ist bei „The Botticelli Renaissance“ durchaus beabsichtigt, weiß Ruben Rebmann, der die Ausstellung gemeinsam mit Stefan Weppelmann konzipiert hat: „Der Raum bricht mit Erwartungen, er soll die Besucher auf die Schau einstimmen und erste Hinweise liefern, worum es geht: um die Beziehung zwischen Botticelli und seinen Nachkommen.“

Dieser Beziehung spürt „The Botticelli Renaissance“ auf ungewöhnlichem Weg nach, denn sie nimmt die Besucher mit auf eine Zeitreise – rückwärts. „Die Rezeptionsgeschichte Botticellis wird in umgekehrter Richtung erzählt, wobei die Besucher die unterschiedlichen Interpretationen des Altmeisters über die Epochen hinweg kennenlernen können“, erklärt der junge Kurator. Die Reise ist in drei Sektionen unterteilt: „Botticelli Universal“ stellt die Allgemeingültigkeit des florentinischen Malers über Zeiten und Kulturen hinweg heraus; „Botticelli Renaissance“ beschäftigt sich mit seiner Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert und der folgenden Adaptionsgeschichte; die letzte Sektion „Botticelli?“ schließlich, bietet einen Blick auf die dem Meister selbst zugeschriebenen Werke. Hier angelangt, so hoffen Rebmann und seine Mitstreiter, werden die Besucher in der Lage sein, auch den eigenen Blick auf den Künstler als ein Produkt seiner Interpretation durch Zeitgenossen zu erkennen.

Ruben Rebmann führt durch die Ausstellung
Ruben Rebmann führt durch die Ausstellung „The Botticelli Renaissance“ in der Gemäldegalerie. Foto: Juliane Eirich

Wechselnde Durchblicke und erweiterte Perspektiven
Womit wir wieder bei der Gegenwart sind. Im Botticelli-Saal der Gemäldegalerie ist während der Ausstellung die erste Sektion untergebracht. Hier geht es um die heutige, weltweite Rezeption von Botticelli: Künstler wie Tomoko Nagao, Vik Muniz, Rineke Dijkstra oder David LaChapelle eröffnen mit eigenen Venus-Adaptionen einen Dialog mit dem Original in ihrer Mitte. Doch auch andere Anspielungen sind zu entdecken, etwa bei Cindy Sherman, die mit ihrer Fotografie auf einen weniger bekannten Botticelli aus einer Privatsammlung Bezug nimmt, oder bei Bill Viola, dessen Videoinstallation sich mit der Raumkonstruktion des Renaissance-Malers beschäftigt. „Die Besucher werden hier mit den Instanzen konfrontiert, in denen sie Botticelli heute begegnen können“, sagt Rebmann, „denn der erste Kontakt zu ihm verläuft meist nicht über die Originalwerke, sondern über Adaptionen in Kunst, Design oder Werbung.“ Nach diesem Einstieg beginnt die Zeitreise: Man betritt die Wandelhalle mit der Sektion „Botticelli Renaissance“.

Die Ausstellungsarchitektur aus gestaffelten Wänden ermöglicht wechselnde Durchblicke und erweiterte Perspektiven. Man ist umgeben von Kunstwerken vieler Stilrichtungen der letzten 200 Jahre, immer wieder gleitet der Blick zwischen jüngeren und älteren Werken hin und her. Der Ausstellungsmacher führt durch die Architektur: „In der Wandelhalle befinden wir uns im späten 20. Jahrhundert, wo uns zuerst Andy Warhol begegnet.“ Der ist nicht nur mit großformatigen Leinwandbildern vertreten, sondern auch mit einem jüngst wiederentdeckten, frühen computergenerierten Kunstwerk: einer digitalen Venus auf einem alten Atari-Rechner. Es folgen viele große Namen des 20. Jahrhunderts, von VALIE EXPORT über René Magritte bis hin zu Elsa Schiaparelli mit wertvollen und fragilen Modeschöpfungen.

„Die Aneignung der Venus ist ein roter Faden“
Bald schon gelangen wir ins 19. Jahrhundert, wo zunächst die englischen Präraffaeliten dominieren. Maler wie Edward Burne-Jones oder Dante Gabriel Rossetti orientierten sich in Ablehnung der akademischen Konventionen ihrer Zeit an den italienischen Künstlern des 14. und 15. Jahrhunderts und spielten bei der Wiederentdeckung Botticellis eine entscheidende Rolle. Aber auch William Morris, Kunsthandwerker und Mitbegründer der Arts & Crafts- Bewegung, ist mit einem großformatigen Bildteppich vertreten, der Botticelli-Bezüge aufweist. „Die Gegenüberstellung Botticellis und der Präraffaeliten war zunächst Kern des Ausstellungskonzepts“, erklärt Rebmann, „wir bemerkten aber schnell, dass das Thema viel weiter zu fassen ist.“ Eine Überraschung für die Ausstellungsmacher war, welches Gewicht Botticelli auch für die französischen Maler des 19. Jahrhunderts hatte. Künstler wie Edgar Degas und Gustave Moreau sind mit Arbeiten vertreten, die sie als Kenner und Bewunderer des Florentiners ausweisen. Aber auch William Bouguereaus eindrucksvolles Salonbild „Geburt der Venus“ zeigt deutliche Anleihen. Allen voran prägte der Akademiemeister Jean-Auguste-Dominique Ingres die Botticelli-Rezeption der Zeit, der mit dem Werk „Die Quelle“ in der Ausstellung vertreten ist. „Die Wiederentdeckung Botticellis wurde durch die Nähe zu Ingres und bestimmte Codes der akademischen Malerei Frankreichs befördert“, erläutert Rebmann.

Blick in die Ausstellung mit Elsa Schiaparelli, Andy Warhol und anderen. Foto: Juliane Eirich
Blick in die Ausstellung mit Elsa Schiaparelli, Andy Warhol und anderen. Foto: Juliane Eirich

Am Anfang des 19. Jahrhunderts und der Wiederentdeckung Botticellis angelangt, befördert eine „Zeitschleuse“ die Besucher nun noch weiter zurück: in die Renaissance. Dort begegnen sie schließlich den Werken des Meisters. „Wir zeigen etwa 50 Botticelli zugeschriebene Objekte, vor allem Gemälde, aber auch Zeichnungen und textile Arbeiten. Dies allein wäre schon eine interessante Ausstellung“, sagt Ruben Rebmann. Doch es ist natürlich noch viel spannender, hier nach offenen und versteckten Bezügen zu suchen, denen man zuvor begegnet ist: Welche Formen und Motive tauchen wieder auf, welche erkennt man erst auf den zweiten Blick? „Die Aneignung der Venus ist ein roter Faden, der in der Ausstellung sehr präsent ist“, so Rebmann, „aber für die Künstler haben immer auch weniger populäre Werke Botticellis eine Rolle gespielt. Wir zeigen viele der Originale, auf die Bezug genommen wird – diesen findet man aber manchmal nur, wenn man ganz genau hinschaut.“

Und so können die Besucher am Ende der Ausstellung mit viel Vergnügen Detektiv spielen. Aber ebenso, und das ist vielleicht viel wichtiger, können sie dem näherkommen, was Ruben Rebmann und seine Kolleginnen und Kollegen mit der Ausstellung eigentlich zeigen wollen: dem Phänomen Botticelli.

Ruben Rebmann und die Foto-Restauratorin Stefanie Pfeifer kontrollieren den Zustand eines C-Prints von David LaChapelles
Ruben Rebmann und die Foto-Restauratorin Stefanie Pfeifer kontrollieren den Zustand eines C-Prints von David LaChapelles „Rebirth of Venus“, das für die Ausstellung angeliefert wurde. Foto: Juliane Eirich
Blick in die Ausstellung
Blick in die Ausstellung „The Botticelli Renaissance“. Foto: Juliane Eirich

The Botticelli Renaissance“ ist eine Ausstellung der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Victoria and Albert Museum, London. Die Ausstellung wird gefördert durch die Sparkassen-Finanzgruppe, die LOTTO-Stiftung Berlin sowie den Kaiser Friedrich Museumsverein. Die Schau läuft noch bis 24. Januar 2016 in der Gemäldegalerie.

Dieser Text erschien in der Museumszeitung der Staatlichen Museen zu Berlin, Ausgabe IV / 2015

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