Food Revolution:

Zwischen Festmahl und Festplatte: Design Talk zur Küche der Zukunft

Design Talk zum Thema
Design Talk zum Thema "Küche der Zuklunft" im Kunstgewerbemuseum. © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Neila Kemmer © Kai von Kotze

Wie wird die Küche von morgen aussehen? Wie wird sie genutzt, was wird darin wie zubereitet? Bei einem Design Talk im Kunstgewerbemuseum sprachen sieben Fachleute über Möglichkeiten und Herausforderungen des Kochens und Konsumierens in der Zukunft.

Text: Neila Kemmer

Sehr unterschiedliche Visionen und Reflexionen über die Rolle des Designs brachten die Gäste des Design Talks zum Thema „Küche der Zukunft“ ein. So sind Insekten als Proteinquelle der Zukunft ein großes Thema in der Ausstellung Food Revolution 5.0.

Anna-Kristina Marel forscht dazu am Institut für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik des Max Rubner-Instituts in Karlsruhe. „Die Vorteile liegen auf der Hand,“ sagt sie, „wenig Co2-Ausstoß, geringer Wasser- und Futterverbrauch.“ Aber inwiefern sind die Inhaltstoffe von Insekten für den Menschen überhaupt verfügbar? „Man muss sich auch die Risiken anschauen. Welche Kreuzallergien können Insekten auslösen? Ist Chitin gut oder schädlich für den Menschen? Wenn man belegen kann, dass Insekten als Lebensmittel gesund und sicher sind, trägt das maßgeblich zur Akzeptanz in der Bevölkerung bei.“

Design Talk
Design Talk „Küche der Zukunft“ © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum

Design verführt und bringt Unvertrautes näher
Der Gesellschaft neue Entwicklungen nahe zu bringen, sehen die anwesenden Designerinnen und Designer als eine ihrer wichtigsten Aufgaben. So auch die Londoner Designerin Julia Lohmann: „Wir wissen, wie sehr die Fleischproduktion der Umwelt schadet. Die Frage ist also, was uns abschreckt, statt Kühen Insekten und Chlorella-Algen zu essen? Und wie können wir als Gestalterinnen und Gestalter die Gesellschaft dahingehend verändern? Wir müssen uns die Welt in 20 Jahren vorstellen und heute erste Schritte in die richtige Richtung gehen.“ Ein Beispiel ist der 3D-gedruckte Falsche Hase/Bugs Bunny der Designerin Carolin Schulze aus Insektenpüree, der hervorragend schmeckt und nicht zuletzt durch seine Form Appetit machen soll.

Design verführt – und bringt uns bislang Unvertrautes näher. Maurizio Montalti sieht Gestalterinnen und Gestalter in der Verantwortung. Er ist selbst Designer und gründete das Design-Studio Officina Corpuscoli 2010 in Amsterdam. In der Ausstellung ist er unter anderem mit The Growing Lab/Mycelia vertreten, für das er mit Pilzmyzel als Werkstoff experimentiert. „Die Aufgabe von Design ist es“, so Montalti, „die Brücke zwischen Labor und Gesellschaft zu bilden, Forschung verständlich zu machen, zu übersetzen und verfügbar zu machen, ohne dabei die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu banalisieren. Daraus entsteht eine Demokratisierung wissenschaftlichen Wissens.“ Die Naturwissenschaftlerin Anna-Kristina Marel pflichtet Montalti bei: „Genau darum geht es, man muss viel öfter zusammenarbeiten. Wir testen und forschen und gehen dann nicht weiter – in den Schubladen liegen tausende Papers, die keiner liest.“

Design Talk
Design Talk „Küche der Zukunft“ © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum

Ein Kühlschrank der weiß, was in ihm steckt
Für neue Nahrungsmittel braucht es neues Equipment. Steht also bald in jeder Küche ein 3D-Drucker, wie er für den Falschen Hasen zum Einsatz kommt? „Die Küche der Zukunft sehe ich als Labor, als leeren Arbeits- und Experimentierraum, der je nach Bedarf bespielt wird“, sagt Carolin Schulze und fügt hinzu: „Für diese Art der DIY-Küche spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle“. „Nehmen wir die Mikrowelle oder die Induktionsplatte“, sagt Hermann Verkerk, Designer und Professor für Innenarchitektur und Möbeldesign an der Royal Academy of Art The Hague/Koninklijke Academie van Beeldende Kunsten (KABK). „Wie leicht wurden diese Geräte von der Gesellschaft akzeptiert – aus Bequemlichkeit wahrscheinlich –, aber die alten Dinge existieren immer noch. Nicht immer verdrängt eine neue Entwicklung das Vorhandene.“

So wird das vielleicht auch mit der Küche 4.0 sein. Christian Hamerles Vision der Küche der Zukunft ist smart und digital. Er ist Restaurantleiter der Data Kitchen in Berlin-Mitte, in der die Gäste ihre Gerichte per App vorbestellen. „Ich reduziere das mal auf den Kühlschrank der auf Milligramm und Milliliter genau weiß, was in ihm steckt und der mir vorschlägt, was ich daraus kochen kann“, sagt Hamerle. „Die Automatisierung spart mir Zeit, die ich zum Austausch mit Freunden nutzen kann, die zum Essen kommen, weil meine App sagt: ‘Ich habe mehr im Kühlschrank, also kommt rüber.‘ Aber vor allem für Großküchen, wie Unternehmenskantinen, die täglich 40.000 Menschen verköstigen, kann die Digitalisierung wirklich dabei helfen, Müll zu vermeiden.“

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Design Talk „Küche der Zukunft“ © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum

„Essen ist ein Statussymbol“
Darum geht es auch Barbara Friedrich vom Bundesumweltamt: „Die Bundesregierung hat sich zum UN-Ziel bekannt, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung zu halbieren. In Bezug auf die Lebensmittel, die aus verschiedenen Gründen entlang der Kette verlorengehen, lässt sich durch die Digitalisierung einiges verbessern. Zum Beispiel durch Food Sharing oder andere Initiativen, die dazu anregen, über den Umgang mit Essen nachzudenken. Momentan gibt es einen starken Trend weg vom reinen Konsum zur Gestaltung dessen, was man isst. Essen ist inzwischen für viele ein Statussymbol.“

„Schauen wir die Fotos in den sozialen Netzwerken an“, wirft Christian Hamerle ein: „Was wir essen, ist längst zu unseren digitalen Tattoos geworden“. Gleichzeitig lässt sich eine andere Entwicklung beobachten, so Friedrich: „Wir sind oft unter Zeitdruck, essen nebenbei, unterwegs; der zunehmende Außer-Haus-Verzehr führt dazu, dass wir die Fertigkeiten der Nahrungszubereitung verlernen; das führt zu einer Entfremdung von den Lebensmitteln.“

Design Talk
Design Talk „Küche der Zukunft“ © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum

Ein Ort zwischen Digitalisierung und Tradition
Julia Lohmann stimmt dieser Polarisierung zu: „Einige Menschen entscheiden sich dafür, alles selbst zu machen, vom Anbau bis zum Kochen, bei anderen macht alles nur noch der Thermomix. Aber für mich ist das Kochen die schönste halbe Stunde des Tages. Ich habe einen Designprozess, bei dem ich in einer halben Stunde den Anfang und das Ende sehe. Das will ich doch nicht von einer Maschine übernehmen lassen. Die Digitalisierung hat vor allem da einen Sinn, wo sie Verschwendung verhindert, also etwa in Großküchen“. Da ermögliche sie zielgenaue Bestellungen und eine andere Art von Vorratshaltung, erklärt die Designerin weiter. „Aber wir entfremden uns immer mehr von der Welt und den nichtmenschlichen Wesen, die uns umgeben“, fährt sie fort, „an sich ist Essen so eine dankbare Methode, um sich mit anderen Dingen der Welt zu vereinen und hat einen enormen inklusiven Stellenwert“.

Jörg Wiesel, Herausgeber des Buchs Culinary Turn und Moderator des Abends, fragte unter dem Eindruck der vorangegangenen Performance Contatto von Gulia Soldati nach der Küche als gemeinschaftlichem Ort an dem man gemeinsam kocht und isst. Die Küche ist nicht nur ein zentraler Ort für mögliche neue Formen des Zusammenlebens, sondern auch für die Food Revolution 5.0. Zwischen Digitalisierung und Tradition, Genuss und Konsum findet hier eine ganz essentielle Positionsbestimmung statt.

Design Talk
Design Talk „Küche der Zukunft“ © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum

Die Ausstellung „Food Revolution 5.0“ im Kunstgewerbemuseum läuft noch bis 30.9.2018.
Die Performance fand im Rahmen des ersten der vier Design Talks statt, die die Ausstellung begleiten.

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