Lackkunst im Schloss Köpenick, Teil 1: Die Wiedergeburt eines Möbels

Die hier beginnenden Blogeinträge sind der Versuch, in den kommenden Wochen in loser Folge über die Entstehung der Ausstellung „Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly“ in Schloss Köpenick zu berichten.

Blognotizen
von Dr. Achim Stiegel, Kurator der Ausstellung „Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly“ und seit bald 15 Jahren Kurator der Möbelsammlung am Kunstgewerbemuseum.

Das Schöne an meinem Beruf als Kurator ist die Möglichkeit – oft auch die Notwendigkeit – mich immer wieder von neuem mit den unterschiedlichsten Kunstwerken aus unserer riesigen Sammlung zu beschäftigen. Das führt regelmäßig zum Staunen über die vorzügliche Qualität der handwerklichen und künstlerischen Ausführung oder über die seltenen und heute oft unbekannten Materialien und Techniken. Obwohl wir besonders bei den Möbeln meistens kaum etwas über die Hersteller oder auch die ersten Eigentümer wissen, kommen besonders bei qualitätsvollen Objekten oft binnen Kürze die erstaunlichsten Geschichten zum Vorschein.

Münzschrank aus dem Antikenkabinett der Brandenburg-Preußischen Kunstkammer im Berliner Schloss, Gérard Dagly, Berlin 1690/95, © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Tomasz Samek, Münster
Münzschrank aus dem Antikenkabinett der Brandenburg-Preußischen Kunstkammer im Berliner Schloss, Gérard Dagly, Berlin 1690/95, © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Tomasz Samek, Münster

Am Anfang standen die ungeahnte Wiedergeburt eines Möbels und die Begeisterung für die Lackkunst. Dieser Schrank zur Aufbewahrung von Münzen und Medaillen gehörte zwar schon lange zu den prominenteren Stücken der Sammlung des Kunstgewerbemuseums, aber ich habe ihn für mich erst 2003 entdeckt. Damals arbeiteten wir für die Wiedereröffnung des Kunstgewerbemuseums in Schloss Köpenick und das Möbel gehörte zu den Stücken, die zu diesem Anlass in den Genuss einer schon länger notwendigen, umfassenden Restaurierung kam. Dabei stellte sich heraus, dass das gesamte Möbel von einer nur ungefähr 80 Jahre alten Lackierung überzogen war, die mit ihrer mäßigen Qualität den Gesamteindruck wesentlich prägte. Glücklicherweise ließ sich dieser inzwischen sehr mitgenommene, moderne Überzug komplett abnehmen. Zum Vorschein kam die wunderbar erhaltene, mehr als 300 Jahre alte originale Lackoberfläche, die wir seitdem bewundern können. Im Unterschied zur steifen Übermalung des frühen 20. Jahrhunderts wartet der lockere barocke Malduktus mit einer Fülle von Details auf. Hier scheinen sich feinste Gräser im Hauch der Luft zu bewegen und ist das Gefieder der Vögel mit jeder einzelnen Feder zu feinem Ornament gekämmt.

Detail vom Münzschrank: Gesims mit Weinranken und Vögeln © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Tomasz Samek, Münster
Detail vom Münzschrank: Gesims mit Weinranken und Vögeln © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Tomasz Samek, Münster

Silbern polierte und rote Blüten leuchten als Juwelen der Lackkunst auf, Wolken und Felsen sind von Plastizität erfüllt und die Fluten der Wasseroberfläche scheinen in schimmerndem Fluss zu sein.

Detail vom Münzschrank: Seeufer mit Felsen © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Achim Stiegel
Detail vom Münzschrank: Seeufer mit Felsen © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Achim Stiegel

Die gelungene Restaurierung ist die Leistung von Christian Fischer, Restaurator am Kunstgewerbemuseum, und wird besonders anschaulich, wenn man den Zustand vor der Restaurierung mit dem Nachzustand vergleicht. Dazu wurde am Möbel selbst an einer Stelle am Gestell der moderne Lacküberzug belassen:

Detail vom Münzschrank: Rahmen des Tischgestells mit einem Schichtenpaket des modernen Lacküberzugs © Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin / Christian Fischer
Detail vom Münzschrank: Rahmen des Tischgestells mit einem Schichtenpaket des modernen Lacküberzugs © Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin / Christian Fischer

Hier ist die Qualität der kostbaren Streulacktechnik sehr schön zu sehen: Im Vergleich zur nachträglichen Bronzierung auf schwarzem Grund erzeugt der sogenannte Aventurinlack, bei dem feinste metallene Späne in einem transparenten Lack gebettet sind, eine ungleich höhere Brillanz und hier rötliche Farbtiefe, die wesentlich zur erfolgreichen Imitation der fernöstlichen Lackarbeiten beitrug.

Gérard Dagly und die 1687 von ihm begründete Berliner Hoflackwerkstatt erweist sich in dieser Arbeit als ein Meister der barocken Lackkunst und wegweisend in seiner Umsetzung ostasiatischer Vorbilder. Das betrifft die Technik mit der gekonnten Nachahmung des japanischen Schwarzlackes sowie der Streulacktechniken und teilweise leicht reliefierten Lackbilder, aber auch die Gestaltung der Bildtafeln. Mit der für Europa ungewohnt spannungsreichen Komposition der Bildflächen und durch “die pointierte Leere der schwarzen Fläche„ bietet Gérard Dagly mit dem Münzschrank den “außerordentlich frühen Beleg einer ernsthaften künstlerischen Auseinandersetzung mit ostasiatischen Vorbildern“, wie Monika Kopplin sagt, Direktorin des Museums für Lackkunst in Münster.

Detail vom Münzschrank: Lackpaneel der linken Tür © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Tomasz Samek, Münster
Detail vom Münzschrank: Lackpaneel der linken Tür © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Tomasz Samek, Münster

Im nächsten Blogeintrag soll es darum gehen, dass die Malerei auf dem Münzschrank nicht nur schön anzusehen ist, sondern ein bestimmtes Thema hat: sie ist eine Huldigung an den Kurfürsten und ein Loblied auf seine gute Herrschaft.

Alle Beiträge der Serie gibt es hier.

Kommentare

    Kommentare

  • Sehr geehrter Herr Dr. Stiegel,
    vielen Dank für die ausführliche Einführung in die Lackkunst des Gérard Dagly anläßlich
    der Ausstellungseröffnung.
    Ich konnte Ihnen gestern einen Hinweis auf die offensichtlich nicht originalgetreue
    Anordnung der Türbeschläge geben. Vielleicht liegen Ihnen alte Aufnahmen vor,
    die im Vergleich mit der jetzigen Ausführung nicht harmonieren. Man sollte
    gelegentlich den Originalzustand herstellen.
    Mit bestem Gruß
    Hanskarl Bezzenberger

  • Lieber Herr Bezzenberger,
    herzlichen Dank noch einmal für Ihr Interesse. Es freut mich, dass Sie sich das Möbel mit so scharfem Blick angesehen haben!
    Inzwischen habe ich mit Herrn Fischer gesprochen: er hat den Kabinettschrank 2004 restauriert und kennt das Möbel daher sehr gut. Bei der für die Restaurierung nötigen Demontage der Beschläge war ihm die Unregelmäßigkeit der Anordnung der Beschläge ebenfalls aufgefallen, jedoch haben die in der Position leicht differierenden Schraublöcher keinen Hinweis darauf gegeben, dass einzelne Beschläge schon einmal anders plaziert waren. Die früheste uns bekannte Abbildung des Schrankes stammt wohl von 1930 und ist leider so unscharf, dass sich diese Details leider nicht erkennen lassen. Daher wurden die Beschläge zum Abschluss der Restaurierung wieder in der Abfolge montiert, die sie vor der Restaurierung hatten. Was natürlich ncihts an Ihrer ganz zutreffenden Beobachtung ändert.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Achim Stiegel

  • Lieber Herr Dr. Stiegel,
    aufgrund unserer Reise ins „gelobte Land“ Felix Austria konnten wir zu unserem Bedauern nicht an der Eröffnung Ihrer Ausstellung teilnehmen. Sie machen doch auch gelegentlich Führungen? Wir würden uns gern einer anschließen.
    Mit den besten Grüßen
    Hannelore Plötz-Peters und Roland Peters

    • Liebe Frau Plötz-Peters,

      es freut mich, wenn Sie und Ihr Mann zu einer Führung kommen möchten.
      Eine gute Möglichkeit wäre zum Beispiel der Termin für die Kunstgeschichtliche Gesellschaft (http://www.kunstgeschichtliche-gesellschaft-berlin.de/), der für Mittwoch, den 28. September geplant ist. Treffpunkt ist um 16 Uhr in Schloss Köpenick. Wäre das auch für Sie passend?

      Mit freundlichen Grüßen
      Achim Stiegel

  • Lieber Achim Stiegel,
    unserem Besuch in der sehr geglückten Dagly-Ausstellung an einem der vergangenen Wochenenden verdankten wir einen wesentlich geschärften Blick für und eine große Neugierde auf alles asiatisch Inspirierte In Köpenick, seien es nun Möbel oder Porzellan. Wäre es möglich, für die Besucher*innen eine Art Parcours durch die Dauerausstellung zu arrangieren, der bei der Identifizierung und Einordnung solcher Objekte hilft? Auf diesem Weg würde man durch das ganze Haus gelockt und geleitet. Das Museum für Kunst und Gewerbe bietet einen solchen Parcours an, um die Ergebnisse der Provenienzforschung am Haus zu veranschaulichen; vielleicht lässt sich die Idee ja übertragen?
    Und zum Stichwort Führungen: ist einmal eine gemeinsame Führung mit Ihren Kolleg*innen vom Museum für Asiatische Kunst denkbar oder wird sie bereits angeboten?
    Vielen Dank und herzliche Grüße,
    Stephanie Tasch

  • Liebe Stephanie Tasch,

    herzlichen Dank für den schönen Vorschlag, einmal eine gemeinsame Führung mit den Kollegen vom Museum für Asiatische Kunst zu veranstalten. Die Idee greife ich umgehend auf und freue mich schon darauf, denn dabei werde ich eine Menge über die asiatischen Vorbilder dazu lernen. Jedenfalls werde ich auch hier darüber berichten, wenn es hoffentlich zu diesem Termin kommt.

    Was den Parcours durch die Sammlung anbelangt: wir hatten auch schon daran gedacht, die vor allem im Obergeschoss versammelten Werke aus dem Berliner Schloss und der Chinamode, die wie das gesamte Schloss die Ausstellung aufs Schönste ergänzen, besonders zu markieren.

    Einen Hinweis möchte ich an dieser Stelle noch geben auf den Blog der Ostasiatischen Abteilung der Staatsbibliothek zu Berlin, in dem einige der in der Ausstellung gezeigten Sinica digital präsentiert sind: https://blog.crossasia.org/leihgaben-aus-der-ostasienabteilung-fuer-eine-ausstellung-im-kunstgewerbemuseum

    Mit herzlichen Grüßen
    Achim Stiegel

  • Voila, lieber Achim Stiegel,
    diese schöne Idee ist einen Versuch wert.

    Nur in Kürze angerissen:
    1. Schöne Idee – gemeinsame Wanderung mit den Fachleuten aus dem Museum für Asiatische Kunst
    2. Was mich wie immer schmerzt, ist die Verfrendung, die Stücken aus vorindustrieller Zeit angetan wird, indem sie dem scharfen Licht moderner Ausstellungslogik ausgesetzt werden. Zeitgenossen haben sie niemals in dieser sezierenden Schärfe gesehen. Die Aura der subtilen Lacktechniken und ihrer Farbnuancen entwickelten ihre Magie viel eindringlicher, wenn man sie in dem schwachen, bei festlichen höfischen Treffen am Abend sogar nur von Kerzen produzierten Licht erleben könnte. Und: Man hatte damals einfach mehr Zeit und eine geringere Taktzahl von Sinnesreizen als wir es heute gewohnt sind. Deshalb zwar ungewohnt, aber für diese Erfahrung zwingend erforderlich: Ruhige, langatmige Betrachtung.

    3. Obwohl unsereins – ich bin Restaurator – vor allem den technischen Blick auf Möbelkunstwerke täglich übt, verschafft doch etwas ganz anderes hier deutlich größeres Vergnügen: Die wiedergewonnenen Details zeigen, für mein Empfinden, eine unglaublich intensive Ästethik von Fremdheit und Märchenhaftigkeit. Fast surreal, wie vor diesem schwarzen, damit eigentlich unendlichen Hintergrund fliegender Drache, Felsen und Blüten jegliche Größenproportion verlieren, Strukturen sternengleich funkeln, ganz traumverloren…
    Lehrt uns das evtl. etwas über die Kategorie des Staunens im frühen Barock?

    Interessiert
    Eberhard Roller

    • Lieber Eberhard Roller,

      gefällt mir: das barocke Staunen über die schwarze Leere. Ich fahre jetzt für ein paar Tage weg und stecke den Gedanken mit ein und bin gespannt, was sich an dieser Stelle dazu tut.

      Sommerliche Grüße
      Achim Stiegel

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