Sanierung im Pergamonmuseum:

Wo ist der Pergamonaltar?

Der Pergamonaltar vor Beginn der Bauarbeiten. Foto: Peter Thieme
Der Pergamonaltar vor Beginn der Bauarbeiten. Foto: Peter Thieme

Die Grundsanierung des Pergamonmuseums hat auch Auswirkungen auf die dortigen Objekte und Dauerausstellungen. Unsere Autoren Moritz Taschner, Andreas Hoffschildt, Pia Lehmann und Wolfgang Maßmann gewähren einen Blick hinter die Kulissen der Baustelle und erklären, was derweil mit dem berühmtesten Exponat geschieht.

Ein Baudenkmal der Museumsinsel wird derzeit grunderneuert: Das 1930 vollendete, inzwischen in die Jahre gekommene Pergamonmuseum erfährt seit 2013 eine Grundsanierung und wird in einen funktionalen Museumsbau nach modernen Standards verwandelt. Neben der baulichen Instandsetzung und der vollständigen Erneuerung der technischen Gebäudeausstattung erhält das Haus ein neues Foyergebäude im Ehrenhof sowie den von Anfang an geplanten, jedoch nie verwirklichten vierten Flügel am Kupfergraben.

Während auf der großen Baustelle an diesen ebenso wichtigen wie notwendigen Veränderungen gearbeitet wird, gilt es im Inneren des Museums den Ausstellungsbetrieb aufrecht zu erhalten. Der Südflügel mit dem berühmten Ischtar-Tor und dem Museum für Islamische Kunst, aber auch ein Teil des Mittelbaus mit dem Markttor von Milet bleiben weiterhin geöffnet. Auch die frühere Ausstellung der Antikensammlung im geschlossenen Nordflügel des Pergamonmuseums ist keineswegs von der Bildfläche verschwunden: Sie ist 2010/2011 in das Alte Museum umgezogen und wird dort in erweitertem Umfang auf zwei Ausstellungsebenen präsentiert. Zwei Architektursäle im Pergamonmuseum müssen jedoch für mehrere Jahre den Blicken des Publikums entzogen werden: Sowohl der Altarsaal mit dem legendären Pergamonaltar als auch der Hellenistische Saal liegen im ersten Bauabschnitt, in dem Arbeiter nun Gebäudeteile entkernen, Gerüste aufbauen, Wanddurchbrüche schaffen und Stahlbauarbeiten am Dachtragwerk durchführen. Bei dieser regen Bauaktivität gilt ein ganz besonderes Augenmerk dem Schutz der Exponate. Wie ergeht es den antiken Großarchitekturen, sind sie ausreichend geschützt oder wurden sie gar abgebaut und ausgelagert? Und, vielleicht am wichtigsten: Wo ist der Pergamonaltar?

Eine bewegte Museumsgeschichte

Auch wenn eine Baustelle nicht die optimale Umgebung für empfindliche Kulturgüter bietet, so ist doch jeder Ab- und Aufbau, jeder Transport eine große Strapaze für die Objekte. Das Risiko, dass ein Stück dabei Schaden nimmt, lässt sich nie vollständig ausschließen. Gerade im Fall des Pergamonaltars wurde daher sehr lange abgewogen, ob dem erst vor wenigen Jahren restaurierten Großen Fries ein erneuter Abbau erspart bleiben kann. Schließlich blickt der Fries auf eine sehr bewegte Geschichte zurück: Die Reliefplatten des Altars gelangten ab 1879 nach Berlin und wurden in Teilen zunächst in der Rotunde des Alten Museums, ab 1901 komplett im Vorgängerbau des heutigen Pergamonmuseums präsentiert.

Aufgrund von Baumängeln und Platznot wurde die Ausstellung jedoch bereits 1908 wieder geschlossen und erst ab 1930 im zentralen Altarsaal des inzwischen neu errichteten Pergamonmuseums wieder gezeigt. Um die Friesplatten vor Kriegseinwirkungen zu schützen, wurden sie nicht einmal 15 Jahre später erneut abgenommen und in den Flakbunker am Zoo verlagert. Nach Kriegsende in die Sowjetunion verschleppt, gelangte der Fries erst 1958 zurück nach Berlin und wurde im Folgejahr abermals im Pergamonmuseum eingebaut. Der bislang letzte Aus- und Einbau erfolgte zwischen 1996 und 2004 im Zuge einer dringend notwendig gewordenen Restaurierung. Dem Großen Fries wurde demnach in der Vergangenheit bereits einiges zugemutet – ein Grund mehr, jeden weiteren Auf- und Abbau der bis zu 2,5 Tonnen schweren und 2,30 Meter hohen Reliefplatten zu vermeiden.

Um die Reliefplatten während der Baumaßnahmen am Ort zu belassen, wurde daher ein aufwendiges Paket von Schutz- und Kontrollmaßnahmen geschnürt: Kleinste Bewegungen von Wänden und Fußböden im Umfeld des Großen Frieses werden nun digital erfasst und in Echtzeit an die Bauleiter, Restaurierungsplaner und Verantwortlichen der Antikensammlung übermittelt. Im Notfall können die Fachleute dadurch rechtzeitig vor Ort sein und handeln.
Neben dieser Hightech-Lösung sorgen konventionelle Überwachungsmethoden für zusätzliche Sicherheit. So sind über den Fugen sämtlicher Reliefplatten sogenannte Rissmarken angebracht, die bei kleinsten Bewegungen durchbrechen und dadurch ein sichtbares Alarmzeichen geben würden.

Abtransport der Friesplatten aus dem Telephossaal. Foto: Peter Thieme
Abtransport der Friesplatten aus dem Telephossaal. Foto: Peter Thieme
Abseilen der Friesplatten oberhalb der Freitreppe des Pergamonaltars. Foto: Peter Thieme
Abseilen der Friesplatten oberhalb der Freitreppe des Pergamonaltars. Foto: Peter Thieme
Der Telephosfries nach seiner Abnahme vom Wandsockel. Foto: Peter Thieme
Der Telephosfries nach seiner Abnahme vom Wandsockel. Foto: Peter Thieme
Der Hellenistische Saal mit eingestelltem Raumgerüst nach Abschluss aller Sicherungsmaßnahmen (gleiche Perspektive). Foto: Peter Thieme
Der Hellenistische Saal mit eingestelltem Raumgerüst nach Abschluss aller Sicherungsmaßnahmen (gleiche Perspektive). Foto: Peter Thieme
Der Hellenistische Saal vor seiner vorübergehenden Schließung. Foto: Peter Thieme
Der Hellenistische Saal vor seiner vorübergehenden Schließung. Foto: Peter Thieme
Aufbau der Schutzeinhausungen im Hellenistischen Saal (gleiche Perspektive) . Foto: Peter Thieme
Aufbau der Schutzeinhausungen im Hellenistischen Saal (gleiche Perspektive) . Foto: Peter Thieme
Schutzmaßnahmen am Großen Fries des Pergamonaltars (Ostfries). Foto: Peter Thieme
Schutzmaßnahmen am Großen Fries des Pergamonaltars (Ostfries). Foto: Peter Thieme
Sicht vom Arbeits- und Schutzgerüst auf den Großen Fries (Nordfries). Foto: Peter Thieme
Sicht vom Arbeits- und Schutzgerüst auf den Großen Fries (Nordfries). Foto: Peter Thieme
Die Gottheiten Helios und Theia (?) mit Sicherungsgurt (Südfries). Foto: Peter Thieme
Die Gottheiten Helios und Theia (?) mit Sicherungsgurt (Südfries). Foto: Peter Thieme
Der eingerüstete Pergamonaltar. Foto: Peter Thieme
Der eingerüstete Pergamonaltar. Foto: Peter Thieme
Der Pergamonaltar vor Beginn der Bauarbeiten. Foto: Peter Thieme
Der Pergamonaltar vor Beginn der Bauarbeiten. Foto: Peter Thieme

Telephosfries geht auf Tournee

Weiterhin wurden in die engen senkrechten Stoßfugen zwischen den Friesplatten an belastbaren Punkten Abstandshalter gesetzt. Sollte es gegen jede Erwartung doch zu Bewegungen kommen, verhindern sie, dass die Reliefplatten direkt aneinander stoßen und im schlimmsten Fall Material abplatzt. Nur kleinere oder durch ihre exponierte Lage stärker gefährdete Fragmente wurden abgenommen oder mit Gurten gesichert. Dies betrifft vor allem jene Relieffragmente, die an herausragenden Edelstahlstäben befestigt und daher besonders erschütterungs- und schwingungsanfällig sind. Als letzte Schutzmaßnahme wurde außerdem eine staubdichte, stabile Schutzeinhausung um den Altar und die Wandfriese gebaut. Sie hält auch dann stand, wenn ein schwerer Gegenstand von einem der Raumgerüste herabfallen sollte. Zusammen mit diesen Maßnahmen gewährleistet ein umfassendes Monitoring, dass das wohl berühmteste Museumsstück von Berlin die Bauarbeiten unbeschadet überstehen wird.

Nur in Ausnahmefällen mussten Objekte ausgebaut werden: So der Telephosfries im Saal oberhalb der großen Freitreppe des Altars, der durch die in unmittelbarer Nähe ausgeführten Arbeiten an der tonnenschweren Dachkonstruktion einem zu hohen Risiko ausgesetzt gewesen wäre. Seine deutlich kleineren und somit weniger schweren Reliefplatten stehen nun auf passgenau angefertigten Transportgestellen in einem Zwischenlager bereit, um gemeinsam mit anderen herausragenden Funden aus Pergamon in einem temporären Ausstellungsbau gegenüber der Museumsinsel ausgestellt zu werden. Bis der „Interimsbau Pergamon“ in Betrieb genommen wird, gehen aber zunächst drei wohlerhaltene und sicher verpackte Platten des Telephosfrieses auf Tournee: In diesem Jahr waren sie im British Museum in London zu Gast, im kommenden Jahr werden sie zusammen mit zahlreichen anderen Leihgaben der Berliner Antikensammlung in einer großen Sonderausstellung des Metropolitan Museum of Art in New York präsentiert.

Eine ausführlichere Version dieses Beitrags ist im MuseumsJournal (Ausgabe 3/2015) nachzulesen.

Die Autoren: Moritz Taschner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berliner Antikensammlung, Andreas Hoffschildt arbeitet als Projektleiter im Architekturbüro Klessing, Pia Lehmann ist Restauratorin an der Berliner Antikensammlung und Wolfgang Maßmann ist dort Leitender Restaurator.

Vorschaubild: Peter Thieme

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