Grafikdesign:

Zehnerpack: Bye bye, Plastiktüte!

Jahrzehntelang hat sie den Shopping-Alltag begleitet, jetzt verabschiedet sich Deutschland von der Plastiktüte. Die Kunstbibliothek präsentiert die besten BRD-Tüten aus der Sammlung Sadecki in ihrem Schaufenster. Als Sneak Preview bis zur Wiedereröffnung stellen wir Euch hier zehn grafische Knaller vor – Marke macht Muster!

1: Horten

1961 ließ das Kaufhaus Horten in Neuss eine Tragetasche aus Polyethylen herstellen. Sie wird heute als Deutschlands erste Plastiktüte gefeiert. Die blauen Dreiecke des markanten Musters stellen ein abstrahiertes H (für Horten) dar. Die Form geht zurück auf die Wandkacheln, die der Architekt und Designer Egon Eiermann für die berühmt-berüchtigt modernen Fassaden der Kaufhauskette entwarf.

Plastiktüte Horten, frühe 1960er-Jahre, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin), Foto: © Marion Lammersen

2: Spinner

Das Offenburger Einrichtungshaus Spinner war 120 Jahre lang eine Größe unter den Einzelhandelsunternehmen. Das Firmenlogo entwarf 1958 Anton Stankowski, dessen 1951 in Stuttgart eröffnetes Grafikbüro als kompromisslos modern galt. Für diesen Tütenentwurf setzte Stankowski das stilisierte S der Buchstabenmarke zu einem dynamischen Linienmuster zusammen.

Stankowski + Partner, Plastiktüte des Einrichtungshauses Spinner, 1960er-Jahre, Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin / Dietmar Katz

3: Kaufring

Die 1921 gegründete Kaufring AG war ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von eigenständigen Einzelhandelsfirmen. Diese wirtschaftliche Besonderheit schlug sich auch in der visuellen Kommunikation nieder: Kaufring erhielt ein Erscheinungsbild als Dachmarke und die Firmen behielten ihre eigenen Marken. Auf dieser Plastiktüte findet sich beides: Das blaue Kaufring-Oval und der Schriftzug des Einzelhandels, in diesem Fall das Einrichtungshaus Spinner.

Plastiktüte des Warenhauses Kaufring, mit Wortmarke der Firma Spinner von Anton Stankowski, 1960er-Jahre, Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin / Dietmar Katz

4: REWE

Wisst Ihr, was sich hinter dem „Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften“ verbirgt? Ganz einfach: REWE! Der bekannte Supermarkt hatte in den 1960er-Jahren den Werbegrafiker Anton Stankowski beauftragt, eine Marke zu entwickeln. Er designte ein Logo mit zwei Streifen, die auch an und in Läden oder auf Verpackungen und Werbemitteln zum Einsatz kamen – der perfekte Wiedererkennungseffekt. Mit diesem Ansatz gehörte Stankowski zu den Vorreitern dessen, was später als Corporate Design bekannt wurde.

Stankowski + Partner, Plastiktüte REWE, um 1970, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin) © Stankowski-Stiftung, © Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz

5: Coop

Eine Tüte ohne jede Beschriftung, die man trotzdem zuordnen kann – wie geht das? In den 1960er-Jahren hatte sich die Supermarktkette Coop, in ganz Westdeutschland mit zahlreichen Filialen vertreten, ein neues Erscheinungsbild zugelegt. Der Grafikdesigner und Typograf Kurt Weidemann schuf ein einprägsames Logo mit weißen Buchstaben im blauen Quadrat. Bald waren Farbe und Form so im Bildgedächtnis der Einkaufenden verankert, dass man beim Design dieser Plastiktüte mutig die Schrift wegließ.

Plastiktüten Coop, 1960er/70er-Jahre, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin), Foto: © Marion Lammersen

6: Aldi Nord

Wer kennt sie nicht, die Aldi-Tüte? Selbst Süddeutsche (die ja mit orange-gelber Tüte bei Aldi Süd einkaufen) können die blau-weißen Diagonalstreifen der Plastiktasche der großen Supermarktkette Aldi Nord zuordnen. Entworfen hat sie 1970 ein Künstler: Günter Fruhtrunk. Er arbeitete im Umfeld der sogenannten Konkreten Kunst, einer abstrakten Kunstrichtung, der auch die Grafikdesigner Anton Stankowski und Karl Duschek angehörten.

Plastiktüte Aldi Nord, frühe 1970er-Jahre, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin), Foto: © Marion Lammersen

7: Kaufhof

Grüne Kreise auf weißem Grund – so wenig braucht es für ein sofortiges Erkennen der Warenhauskette Kaufhof (jedenfalls für alle über 30). Die Tüte links mit den Henkeln ist unter Fachleuten als „Hemdchentüte“ bekannt. Wie bei Horten gibt es auch hier eine Verbindung zwischen Grafik und Architektur: Die Fassaden der Kaufhof-Neubauten der 1960er- bis 80er-Jahre spielten mit grafischen Mustern, darunter auch Kreise.

Plastiktüten Kaufhof, 1970er-Jahre, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin), Foto: © Marion Lammersen

8: BASF

Noch mehr Kreise! Hier im Branding der Produkte von BASF Magnetics – Leser*innen Ü30 als beliebtes Label der guten alten Musikkassette bekannt. Die Spirale ist abstrahierte Magnetbandspule und Symbol für Schallwellen zugleich. Darüber sitzt das sogenannte „BASF-Brikett“, die Buchstabenmarke in weißer Helvetica-Schrift auf schwarzem Fond. 1984 arbeitete das Grafische Atelier Stankowski + Duschek dieses Redesign der Marke aus.

Plastiktüte BASF, 1980er-Jahre, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin), Foto: © Marion Lammersen

9: Hertie

Der Kaufhauskonzern geht auf ein 1882 von Herman Tietz gegründetes Unternehmen zurück, das ab 1933 brutal enteignet wurde. Unter dem Namen Hertie arisiert, expandierte es in der Nachkriegszeit zunächst, geriet dann jedoch in Schwierigkeiten. Die bewegte Firmengeschichte spiegelt sich in einem recht unsteten Corporate Design: Allein das Logo des Kaufhauses änderte sich seit den 1950er-Jahren viele Male. Hier erscheint der Schriftzug in einem farbigen H, das von einer Gebäudeform abgeleitet wird.

Plastiktüte Hertie, 1960er-Jahre, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin), Foto: © Marion Lammersen

10: EPA

Sucht jemand die quintessentielle Plastiktüte der Panton-Ära? Hier haben wir sie! Bögen und Rundungen in knalligen Farben, geometrische Formspiele in Kunststoff – alles purer Pop. Die Tüte wurde produziert für die Schweizer Warenhauskette EPA (kurz für: Einheitspreis AG / auf Französisch: UNIP = Uniprix). Die drei Primärfarben gehörten zum Branding und fanden sich auch im Logo des Kaufhauses wieder. Nach sieben Jahrzehnten auf dem Markt wurde die EPA in den 2000er-Jahren teils von Coop übernommen, teils aufgelöst.

Plastiktüte EPA*UNIP, 1970er-Jahre, Sammlung Tobias Sadecki (Cool Collection Berlin), Foto: © Marion Lammersen

Die Ausstellung „Tüte? Na, Logo! Plastiktragetaschen der 1960er- bis 1980er-Jahre“ läuft noch bis 28.6.2020. Informationen zu aktuellen Entwicklungen rund um das Programm der Museen gibt es auf der Webseite der Staatlichen Museen zu Berlin.

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