Eine logistische Meisterleistung: Das Ethnologische Museum zieht ins Humboldt Forum

Dahlem bereitet sich auf den Umzug ins Humboldt Forum vor. Im Ethnologischen Museum werden die Objekte gereinigt, entwest, restauriert und für den Transport verpackt. Direktorin Viola König und ihre Mitarbeiter Monika Zessnik und Matthias Farke führen hinter die Kulissen.

Umzüge wollen gut vorbereitet sein – das weiß jeder, der schon mal die Wohnung gewechselt hat. Wenn ein ganzes Museum umzieht, dann reicht es aber nicht, ein paar Umzugskartons bereitzustellen. Das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst in Dahlem werden mit etwa 13.000 Exponaten ihrer insgesamt 500.000 Objekte umfassenden Sammlung ins Humboldt Forum umziehen, wenn dieses 2019 am Schlossplatz seine Pforten öffnet.

Die Vorbereitungen für den Umzug der großen Sammlung laufen daher bereits jetzt auf Hochtouren. Der ganze Prozess findet parallel zum Ausstellungsbetrieb statt, denn große Teile des Hauses sind noch für die Besucher geöffnet. Nachdem bereits 2014 der Bereich Südamerika geschlossen wurde, folgten Anfang 2016 auch die Nordamerika- und die Südseeausstellung, in der unter anderem die berühmten Boote aus Ozeanien standen. Diese Ausstellungsbereiche werden nun sukzessive geräumt und dienen als Lagerfläche für die vielen Objekte, die später im Humboldt Forum in den Schaumagazinen zu sehen sein werden.

Blick in den geräumten Bereich
Blick in den geräumten Bereich „Nordamerika“ im Ethnologischen Museum. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Museale Rundum-Versorgung
Diese Exponate müssen einer umfangreichen Prozedur unterzogen werden, wie Monika Zessnik, Leiterin der Abteilung Amerikanische Ethnologie, erklärt: „Die Objekte werden aus ihren Vitrinen geholt, vermessen, fotografiert, entwest und verpackt.“ Um diesen Prozess effizient zu gestalten, wird der Bereich Nordamerika in einen Schwarz und einen Weißraum unterteilt. Im Schwarzraum werden die Objekte für die Reinigung und Entwesung vorbereitet. Im Weißraum landen schließlich die fertig behandelten und verpackten Objekte. Zur Entwesung, also der Abtötung jeglicher eventuell im Material befindlicher Schädlinge, werden die Exponate je nach Beschaffenheit tiefgefroren oder mit Stickstoff behandelt. „Das machen wir selbst hier vor Ort“, erklärt Zessnik weiter, „denn wir verfügen als einziges der Staatlichen Museen zu Berlin über entsprechende Kammern, in denen eine solche Behandlung möglich ist.“ Nach der Entwesung werden die Exponate falls notwendig restauriert, Montierungen angepasst und schließlich verpackt, um auf ihren Abtransport ins Humboldt Forum zu warten.

Objekte werden für den Umzug ins Humboldt Forum vorbereitet. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Objekte werden für den Umzug ins Humboldt Forum vorbereitet. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Neben dem Standard-Prozedere werden die Ausstellungsstücke bei Bedarf auch direkt restauriert – eine museale Rundum-Versorgung also. „Die Restaurierungstiefe ist abhängig davon, was das Objekt verlangt“, sagt Restaurierungsleiter Matthias Farke. „Generell werden zuerst die Oberflächen trocken gereinigt, Staub entfernt und damit auch alte Biozide, die teilweise darin enthalten sind, reduziert.“ Wenn sich dann weitere Beschädigungen zeigen, wird restauriert, erklärt Farke – „So wenig wie möglich, aber genug, um die Artefakte für die Ausstellung im Humboldt Forum zu stabilisieren.“

Ein komplettes Haus wurde entdeckt
Eine besondere Herausforderung sind die vielen Großobjekte, wie die Südsee-Boote und -Häuser. „Die müssen im Humboldt Forum durch eine jetzt noch offen gelassene Wand eingebracht werden“, sagt Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums. Das Museum wird also im wahrsten Sinne um die Boote herum gebaut. So war es schon in den 1960er Jahren, als das Ethnologische Museum in Dahlem gebaut wurde, erklärt König weiter. Damals wurden die Boote jedoch teilweise auseinander genommen: „Die Masten wurden umgeklappt und die Ausleger abgenommen. Das möchten wir den Booten heute nicht mehr zumuten.“ Restaurator Farke ergänzt: „Die Boote haben sich trotz sämtlicher Gegenmaßnahmen in den letzten 50 Jahren verändert und sind gealtert. Hinzu kommt, dass sie nie darauf ausgelegt waren, beliebig demontierbar zu sein.“ Diese Bedenken und die Tatsache, dass sich die restauratorischen Methoden seit den 1960er Jahren grundlegend gewandelt haben, machen den komplizierten Umzug durch die Wand erforderlich.

Viola König (re.) und Monika Zessnik mit einer amerikanischen Holzskulptur. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Viola König (re.) und Monika Zessnik mit einer amerikanischen Holzskulptur. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Neben den Booten ziehen auch die Südseehäuser ins Humboldt Forum um – und hier gab es im Zuge der Inventarisierung eine kleine Überraschung: In der Sammlung wurde kürzlich ein komplettes Haus entdeckt, wie Viola König erzählt: „Es lag zusammengeklappt im Magazin und wird nun ebenfalls ins Humboldt Forum ziehen, wo wir es erstmals ausstellen werden.“ Auch ein vollständiges Interieur eines Südseehauses konnte für die zukünftige Präsentation erworben werden. „Die Häuser waren immer ein beliebter Anziehungspunkt“, so König, „Gruppen trafen sich hier, es fanden Mini-Konferenzen und Tagungen statt. Wir wollen diese Tradition im Humboldt Forum mit den meeting points fortführen.“

Alles wird penibel vorbereitet
Nicht nur die komplizierten Wandöffnungen für die Großobjekte sind Gegenstand genauer Planungen. Auch der gesamte zeitliche Ablauf des Umzugs wird bereits jetzt minutiös geplant, wie Matthias Farke weiß: „Es muss genau abgesprochen werden, in welcher Reihenfolge die Objekte durch welche Treppen und Gänge angeliefert werden, damit alles hineinpasst.“ Die Boote und Häuser werden als erstes umziehen und durch die Wand an ihren Präsentationsort verbracht. Ein exakter Plan legt die Standorte nach Objektgröße fest, erklärt Farke. Sind die Exponate einmal aufgestellt, werden sie danach nicht mehr bewegt.

Restaurierungsleiter Matthias Farke (re.) im Gespräch mit Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Restaurierungsleiter Matthias Farke (re.) im Gespräch mit Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Doch es sind nicht nur die Boote und Häuser, die das Team des Museums vor logistische Herausforderungen stellen. „Durch die Wandöffnungen müssen auch unsere nordamerikanischen Totempfähle und andere Großobjekte“, sagt der Restaurator Farke. „Diese Aktion wird nicht an einem Tag zu schaffen sein, sondern sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Deswegen bereiten wir alles so penibel vor.“

Ein Wandteppich fürs Humboldt Forum
Eine ausgefeilte Logistik erfordert auch der mehr als viermal vier Meter messende mixtekische „Lienzo Seler II“, ein Baumwolltuch aus dem 16. Jahrhundert, das in der Dauerausstellung des Humboldt Forums einen zentralen Platz einnehmen wird. Fast ein halbes Jahrhundert lang hing der Lienzo unberührt in einer Großvitrine im Ethnologischen Museum – nun wird er abfotografiert, im Rahmen eines Forschungsprojekts des Exzellenzclusters TOPOI umfassend untersucht und ebenfalls für den Transport vorbereitet.

„Solche indianischen Lienzos sind typisch für die frühe Kolonialzeit. Sie wurden von den Frauen des Dorfes am Hüftwebstuhl hergestellt und bestehen aus mehreren Stoffbahnen, die aneinandergenäht wurden“, erklärt Viola König, die auch das Forschungsprojekt zu dem Artefakt leitet. Der Lienzo des Ethnologischen Museums ist das größte und zugleich „globalste“ Exemplar der insgesamt zwölf Exemplare umfassenden „Coixtlahuacagruppe“, benannt nach der Herkunftsregion in Mexiko. Er zeigt unter anderem topografische Details der Gegend, Kriegsszenen und die Hängung von Indianern durch einen spanischen Richter. „Der Lienzo darf keinesfalls gefaltet werden“, erklärt Viola König, „er wurde von Kollegen vor Jahrzehnten auf Leinenträger genäht und dann auf eine Holzplatte gespannt.“ Die Verfassung des Materials wird nun geprüft: Es werden Farbanalysen durchgeführt, die Lichtschädigung bestimmt sowie UV-Aufnahmen stark verblasster Malstellen gemacht. Erstmalig erfolgt auch eine umfassende digitale Dokumentation des Lienzo.

Der
Der „Lienzo Seler II“, ein mexikanischer Baumwoll-Teppich, wird derzeit umfassend untersucht und fotografisch dokumentiert. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

So zeigt ein Blick hinter die Kulissen: Auch wenn das Museum für Besucher teilweise geschlossen ist, steht die Zeit hier beileibe nicht still. Es gibt sehr viel zu tun, bis die neue Sammlungspräsentation im Humboldt Forum fertiggestellt ist. Doch das Warten lohnt sich, denn die dortige Präsentation wird nicht nur zeitgemäß und ansprechend werden – sie wird auch einige neue Sammlungsteile enthalten, die bisher selten das Licht der Ausstellungsräume erblickt haben.

Das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst sind noch bis Anfang 2017 geöffnet. Im Herbst 2016 findet hier außerdem wieder der Markt der Kontinente statt. Das komplette Programm ab Oktober auf marktderkontinente.de

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Die berühmten Südsee-Boote aus dem Ethnologischen Museum ziehen auch mit ins Humboldt Forum. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Die berühmten Südsee-Boote aus dem Ethnologischen Museum ziehen auch mit ins Humboldt Forum. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

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