Vermittlungsprojekt „Gefragte Fragen“: Museum auf dem Prüfstand

Auch wenn Museen oft als Orte für Antworten betrachtet werden, bleiben beim aufmerksamen Besuch überraschend viele Fragen offen. Im Projekt „Gefragte Fragen“ sammeln Studierende diese Fragen und thematisieren sie im Dialog mit anderen Museumsbesuchern.

Text: Katharina Sill, Luise Pestalozza und Alexandra Ziesché

Kopfhörer aufgesetzt, Audioguide eingeschaltet. Langsam von Bild zu Bild schlendernd bewegen sich die Menschen durch die Räume. Von den Audioguides geleitet bleiben einige Menschen vor einem großen Gemälde stehen. Die Stimme aus den Kopfhörern betont, wie wichtig und kostbar dieses Werk ist. Doch wer hat entschieden, was wichtig und kostbar ist? Wer hat entschieden, welche Bilder ausgestellt werden und welche nicht? Und wie viele Objekte, die nicht ausgestellt werden, besitzt das Museum?

Zwischen Caspar David Friedrich, Caroline Bardua und Franz von Stuck wird immer deutlicher, dass es hier nicht nur um künstlerische Werte, sondern vorrangig um Repräsentationen bestimmter Perspektiven geht. Fast alle Bilder sind von Männern gemalt, während Künstlerinnen nur in wenigen Fällen berücksichtigt werden. Beispielweise findet Caroline Bardua nur durch ihr Porträt von Caspar David Friedrich Einzug in die Ausstellungsräume der Alten Nationalgalerie.

Welche Narrative erzählen die Bilder in ihrer Beziehung zueinander? Werden durch die gezielte Auswahl bestimmte Perspektiven im Museum inszeniert? Was kann oder soll nicht dargestellt werden? Der Blick wandert durch den Raum und bleibt an anderen Besuchenden hängen. Stellen sie sich die gleichen Fragen?

Drei Blicke, eine Frage? Das Vermittlungsformat „Gefragte Fragen“, Neues Museum, Dezember 2016. Foto: Nina Hansch
Drei Blicke, eine Frage? Das Vermittlungsformat „Gefragte Fragen“, Neues Museum, Dezember 2016. Foto: Nina Hansch

Einen ersten Schritt, um sich diesen Fragestellungen zu nähern, ermöglichten uns die Angebote für Studierende bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Im Rahmen der Initiativen „Über kurz, mittel oder lang“ im Neuen Museum und ABOUT THE MUSEUM in der Alten Nationalgalerie haben wir uns mit unterschiedlichen Themen rund um Kunst- und Kulturvermittlung auseinandergesetzt.

Gender, Rassismus und Hierarchien spielten hierbei eine größere Rolle als zunächst angenommen. Neben der professionellen Anleitung bekamen wir die Möglichkeit, eigene Vermittlungsformate zu entwickeln und zu erproben. Nicht gestellte Fragen im Museum aufwerfen und sichtbar machen zu können, führte uns schließlich zu den „Gefragten Fragen“. So machten wir uns auf die Suche nach den dringendsten Fragen – nicht nach Antworten – um einen Raum für Dialoge zu schaffen.

Mit unserem Konzept möchten wir einen Dialog eröffnen, die alle Besuchenden mit einbezieht. Hierfür haben wir hundert von uns zusammengestellte Fragen in den Treppenhäusern des Neuen Museums und der Alten Nationalgalerie aufgestellt. Die Fragen sollten die Besuchenden dazu anregen, sich eingehender mit dem Museum als Institution zu beschäftigen und bestehende Strukturen zu hinterfragen.

Der Beginn eines Dialogs im Treppenhaus: Die Aufsteller leiten das Publikum zu den Vermittelnden. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Valerie Schmidt
Der Beginn eines Dialogs im Treppenhaus: Die Aufsteller leiten das Publikum zu den Vermittelnden. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Valerie Schmidt

Mit jeder Stufe wurde eine neue Frage gestellt und damit der Dialog intensiviert, der bereits am Fuß der Treppe seinen Anfang nahm. Am Ende der Fragenreihe wurden die Besuchenden von uns in Empfang genommen und mit unserem Konzept vertraut gemacht. Schnell führte das zu angeregten Gesprächen über die Fragen und das in den Workshops erlernte Wissen, das wir mit den Besuchenden teilen wollten.

Sie griffen unsere Fragen schnell auf und suchten den Austausch über die Ausstellung, die Konzeption und die Atmosphäre im Museum. So erhielten wir mit jedem Gespräch mehr und mehr Einblicke darin, was die Gäste im Museum wirklich interessiert und welche Fragen unbeantwortet bleiben. Von den Besuchenden aufgeworfene Fragen fanden ihrerseits schnell den Weg auf die Treppen im Museum und wurden auf diese Weise Teil des öffentlichen Dialogs.

Aktiver Austausch in der Alten Nationlgalerie im Rahmen der Veranstaltung MEETING, Juli 2017. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Valerie Schmidt
Aktiver Austausch in der Alten Nationlgalerie im Rahmen der Veranstaltung MEETING, Juli 2017. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Valerie Schmidt

Die Gefragten Fragen im Museum decken ein breites Spektrum an Themen ab, die sowohl die Ausstellungspraktiken der Museen als auch institutionelle Fragen betreffen. Für diese Fragen musste ein Raum geschaffen werden, der Dialog ermöglicht und fördert. Der Gesprächsbedarf zwischen der Institution Museum und ihren Gästen wurde im Austausch und mit jeder Begegnung deutlicher erkennbar.

Die verschiedenen Gedanken, welche aufkamen, ließen erkennen: Die Stimme der Institution Museum in Form des Audioguides darf nicht die einzig gehörte Stimme im Museum sein. Die Kommunikation sollte weniger in eine einzige Richtung verlaufen, sondern vielmehr Diskussionsebenen für alle eröffnen. Mehr Transparenz im Museum bezüglich der Ausstellungspraktiken und Informationsangebote stärkt den Austausch, der aber nur stattfinden kann, wenn gleichermaßen Besuchende und die Museen das Gespräch suchen. Warum dieses Gespräch nicht mit einer Frage beginnen?

In zwei Museen haben die Studierenden Katharina Sill, Luise Pestalozza und Alexandra Ziesché ihr Vermittlungsformat „Gefragte Fragen“ bereits erprobt, Am 26.1.2018 wenden sie sich an die Besuchenden der studentischen Veranstaltung MEETING / Kulturforum.

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    Kommentare

  • Liebe Katharina Sill, Luise Pestalozza und Alexandra Ziesché,
    ich bin sehr angetan von eurem Projekt und möchte mich gerne erkundigen, ob euer Fragenkatakog und die sich daraus ergebenen Interessengespräche mit den Besucher verschriftlicht wurden und diese irgendwo einzusehen sind?
    Als Vermittlerin und Ausstellungskuratorin wäre ich daran sehr interessiert.
    Freue mich auf Antwort –
    Herzliche Grüße
    Petra Larass

    • Liebe Frau Larass,
      vielen Dank für Ihren netten Kommentar. Wir arbeiten momentan noch an der Veröffentlichung des Fragenkatalogs und der Gespräche. Bis es soweit ist, sind Sie natürlich herzlich eingeladen, bereits am 26.01. beim MEETING im Kulturforum mit uns erneut einen Raum für Fragen zu eröffnen. Gerne können Sie uns auch über die E-Mail-Adresse gefragtefragen@web.de kontaktieren.
      Viele Grüße
      Luise, Alexandra und Katharina

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