Alte Kunst in Neuen Medien – Wie geht das?

Im Rahmen unseres ersten großen Social-Media-Abends in der Gemäldegalerie begrüßen wir auf unserem Blog einen Gast. In den nächsten Tagen wird Ji-Hun Kim, Chefredakteur von Das Filter exklusiv seine Perspektive auf den Abend hier teilen.

Erfährt man von Kunst in Sozialen Medien, handelt es sich in der Regel um Schlagzeilen, die zum Kopfschütteln oder Schmunzeln anregen. Sei es jene alte Dame, die 2012 ein Jesus-Antlitz in der Kirche von Borja in Spanien nach Gutdünken restaurierte und „verschönerte“. Metalldiebe, die in das französische Atelier von Anselm Kiefer einbrachen, um tonnenweise Blei aus einer Installation im Wert von 9.500 Euro zu klauen, obwohl das Gesamtwerk auf 1,3 Mio. Euro taxiert wird. Oder Reinigungskräfte, die versehentlich vermeintlichen Schmutz beseitigen, ohne zu wissen, dass sie Bestandteil eines Kunstwerks sind. So geschehen 2011 im Dortmunder Museum Ostwall bei der Arbeit „Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen“ von Martin Kippenberger oder in diesem Frühjahr in der Mannheimer Philippuskirche, als eine Putzfrau die Installation „Behausung 6/2016“ der Künstlerin Romana Menze-Kuhn zerstörte. Im Mai dieses Jahres produzierte der amerikanische Teenager TJ Khayatan einen regelrechten Buzz auf Twitter und Co., als er im San Francisco MoMA eine Brille auf den Museumsboden drapierte und passierende Kunstkenner das Fake-Exponat fotografierten und angeregt über die Intention des Künstlers diskutierten. Ein medienwirksamer Scherz, der internationale Aufmerksamkeit erlangte und, wie in den Beispielen zuvor auch, die oft gestellte Frage aufwirft: „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ Aber an ein solches Schicksal musste bekanntlich auch schon Joseph Beuys’ „Fettecke“ glauben. Nur mit dem Unterschied, dass es seinerzeit noch kein Internet, geschweige denn Soziale Medien gab. Aber macht das einen Unterschied?

Am Samstag findet ein Social-Media-Event zur Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“. in der Berliner Gemäldegalerie statt. Soziale Medien und alte spanische Meister des 16. und 17. Jahrhunderts? Alte Kunst in neuen Medien? Demokratisch-digitale Bilderfluten und hegemonial-katholizistische Elitenkunst – Wie können und sollen diese Formen der Medienproduktion und Rezeption zusammen gehen? Eine interessante Frage, der während des Abends nachgegangen werden soll. Denn anders als auf dem ersten Blick zu vermuten, sehen die Veranstalter „viele Parallelen zwischen der alten Kunst und dem kreativen Output heutiger, digitaler Sphären“. Aber seien wir ehrlich: Unterschiedlicher in der Produktion, Umsetzung, Intention und den Aufwand betreffend, könnten ein detailliert gemaltes Portrait in Öl von König Philipp II. und ein Smartphone-Selfie doch gar nicht sein. Für das erste braucht man viel Macht, Reichtum, Zeit und exzellente Künstler und nur die wenigsten Menschen kamen in den Genuss, gemalt zu werden. Hingegen ein Foto mit einem Smartphone zu schießen, das beherrschen die meisten mittlerweile im Schlaf, von Aufwand oder einem Kunstgedanken kann hier doch keine Rede sein.

Dennoch, schöne Dinge und Kunst spielen auf Sozialen Medien wie Instagram eine wichtige und große Rolle. Das Hashtag #art verbucht beispielsweise über 190 Mio. Einträge und damit sogar mehr als – man will es kaum glauben – das Hashtag #food. Zwar hat das Hashtag #selfie noch viel mehr Einträge (über 270 Mio.), aber wäre es nicht auch eine spannende Frage den in üppigen Gemälden gebannten royalen Narzissmus des Goldenen Jahrhunderts in Spanien mit der permanenten digitalen Selbstdarstellungssucht im 21. Jahrhundert in Verbindung zu bringen? Zu dem Event am Wochenende sind zahlreiche Influencer, Blogger, Instagrammer und Kunst- wie Medieninteressierte eingeladen, um tiefer in diesen Themenkomplex einzutauchen. Und trotz der Tatsache, dass der Autor weder Kunstgeschichte studiert hat, noch sich als Kunstexperte bezeichnen würde, handelt es sich um ein für ihn spannendes Themenfeld. Zumal es nicht um die reine Bildanalyse und den Impetus einer längst vergangenen Ära gehen wird. Diskutiert werden sollen nämlich Basisthemen wie der Begriff der Community, das Kuratieren (online/offline), Storytelling, Sponsoring, Manipulation von Kunst und die Dichotomie Tradition und Avantgarde. Am Ende bleibt aber auch die Frage, wie sich Museen und alte Kunst zu positionieren haben – in einer Zeit, die mit veränderten Aufmerksamkeitsökonomien, Verhaltenscodes, medialen Repräsentationen und Kommunikationsstrukturen aufwartet und jetzt bereits gesellschaftlich tiefe Einschnitte vollzogen hat. Kann es reichen, dass ein Museum ein physischer Ort bleibt? Mit Ticketschalter, Warteschlangen, Audioführer und grimmigen Museumswächtern? Oder gibt es Möglichkeiten, die Kraft und Ausdrucksstärke einer solchen Ausstellung auch im digitalen Raum darzustellen, die Erfahrung zu erweitern, jüngere Zielgruppen zu erschließen und die Diskurse in zeitgemäße Kontexte zu bringen? Und wenn ja, vor allem wie?

Ji-Hun Kim ist Chefredakteur von Das Filter – Medium für Gegenwart. Für unseren Social-Media-Abend „Alte Kunst in Neuen Medien“ in der Gemäldegalerie teilt er exklusiv auf „Museum and the City“ seine Gedanken, Fragen und Perspektiven auf das Thema analoge Kunst im digitalen Raum.

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