AUF EIN WERK!? Studentische MentorInnen vermitteln Kunst
Welche Perspektiven entwickeln Studierende auf die Ausstellungen der Staatlichen Museen zu Berlin? Mit dem Format AUF EIN WERK! laden studentische MentorInnen seit dem Sommersemester 2018 dazu ein, Ausstellungen auf neuartige Weise zu entdecken und über Kunst und Kultur ins Gespräch zu kommen.
Text: Charlotta Sauer und Eileen Kesseler
Gemeinsam mit vielen kunst- und kulturinteressierten Studierenden unterschiedlicher Fachrich-tungen haben wir im Wintersemester 2017/18 an TEAM MENTORIUM teilgenommen. Das Mentoring-Programm der Staatlichen Museen zu Berlin vereinte Grundlagen der Kunst- und Kulturvermittlung, Stimm- und Präsentationstraining mit professionellem Feedback und Erpro-bungsmöglichkeiten, um uns darauf vorzubereiten, als Mentorinnen im Vermittlungsformat AUF EIN WERK Ausstellungsgespräche mit anderen Studierenden zu führen.
In sechs Workshops haben wir uns Grundlagen der Kunst- und Kulturvermittlung erarbeitet und sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen im Bereich der Bildung und Vermittlung angeeignet. Angeleitet und begleitet wurden wir vom Projektteam und externen Expertinnen und Experten.
MENTORIUM: von der Ausbildung zum Einsatz
Im letzten Sommersemester setzten wir die erworbenen Fähigkeiten dann um. Auf der Grundlage der Ausbildung haben wir viele verschiedene Vermittlungsformate entwickelt und diese mit anderen Studierenden im Museum erprobt. Im Fokus standen die drei Ausstellungen „Wanderlust“ in der Alten Nationalgalerie, „Hello World. Revision einer Sammlung“ im Hamburger Bahnhof und „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika“ im Bode-Museum. Im Verlauf des Semesters haben wir dann im Austausch mit den Studierenden-Gruppen, teilweise nach ihren Interessen und Fragen, auch weitere Ausstellungen und Werke gemeinsam erschlossen. Am Ende konnten wir so in über 25 Ausstellungsgesprächen nicht nur unterschiedliche Formate erproben, sondern auch die Impulse und Perspektiven von Studierenden verschiedener fachlicher Hintergründe kennen lernen. Die Ausstellungen sind dabei zu lebhaften Orten des Austausches und Dialogs geworden.
Das Ziel aller Formate ist nicht die „klassische“ Führung, sondern das Aufzeigen alternativer Wege, um sich eine Ausstellung zu erschließen, Interesse für Kunst zu wecken und Gespräche über diese anzuregen. Dabei stehen nicht die Informationen über Werk, KünstlerInnen oder Museum im Vordergrund, sondern eigene Eindrücke, Assoziationen und Ansätze, die auch kritische Betrachtungsweisen erzeugen können. Vorwissen über Kunstwissenschaften oder Kunstgeschichte ist für eine Teilnahme nicht notwendig. Das schafft die Grundlage für ein heterogenes Publikum und die Möglichkeit der gemeinsamen Wissensaneignung, auch für uns Mentorinnen und Mentoren.
Herausforderung im Hamburger Bahnhof
Am 14. Juni 2018 war es so weit: Wir luden zur Veranstaltung AUF EIN WERK! im Hamburger Bahnhof ein, um die erarbeiteten Konzepte in der Praxis umzusetzen. Wir warfen einen Blick hinter die Kulissen und gaben Einblicke in die Formate der vier Teams, die die Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellung begleitet haben.
Die Ausstellung „Hello World. Revision einer Sammlung“ war als kritische Untersuchung der Sammlung der Nationalgalerie und ihrer vorwiegend westlichen Ausrichtung konzipiert. „Wie sähe die Sammlung heute aus, hätte ein weltoffeneres Verständnis ihren Kunstbegriff und ihre Entstehung geprägt„, fragt der Ausstellungstext, „wie würde sich eine Erweiterung und Ver-vielfältigung der Perspektiven auf den Kanon und die kunsthistorischen Narrative auswirken?“
Wir haben „Hello World“ als eine umfangreiche und komplexe Ausstellung erlebt, die sich über die gesamte Ausstellungsfläche des Hamburger Bahnhofs erstreckte. Ausgangspunkt unserer Ausei-nandersetzung mit der Ausstellung war daher die Frage, wie ein Vermittlungskonzept aussehen könnte, das sowohl einzelnen Werken und Räumen in ihrer Komplexität als auch der Ausstellung als Ganzes gerecht werden kann. Die größten Hürden waren neben der Größe auch die Vielfältigkeit der Themen und deren Verstrickungen, das begrenzte Zeitspektrum der Veranstaltung, die Interessen der Mentorinnen und natürlich die Erwartungen der Besucherinnen und Besucher. Es bildeten sich vier Gruppen mit je zwei Mentorinnen, welche an verschiedenen Orten innerhalb der Ausstellung je eine etwa 25-minütige Vermittlungsaktion konzipierten. Für die Gäste der Veranstaltung ergab sich somit ein vierteiliger Rundgang durch die Ausstellung: An den Stationen waren sie nicht nur mit unterschiedlichen Werken konfrontiert, sondern wurden durch verschiedene Formen der Kunstvermittlung auch immer wieder gefordert, sich aktiv einzubringen und die Auseinandersetzung mit den Werken mitzugestalten.
Verschiedene Perspektiven, verschiedene Ansätze
Ein Ansatz war, nicht nur eine Einführung in die Ausstellung zu geben, sondern diese auch kritisch zu hinterfragen. Eine der vier Gruppen beschäftigte sich beispielsweise mit dem Logo zur Ausstellung. Repräsentiert das minimalistisch gestaltete Motiv die Komplexität der Ausstellung? Warum ist der Titel in englischer Sprache und wie würden die Besuchenden aufgrund ihrer Eindrücke Motiv und Titel selber gestalten? Die vielfältigen Ergebnisse wurden anschließend zu Papier gebracht. Einige Designs interpretierten das Logo auf eine ganz neue Art und Weise, wieder andere blieben eng am Original. Es zeigte sich, welche Bedeutung jede kuratorische Entscheidung trägt und damit die Rezeption der Ausstellung prägt.
Eine weitere Gruppe entschied sich für die große Agora-Halle, in der die Besucherinnen und Besucher durch interaktive und dialogische Übungen an einzelne Werke herangeführt wurden. Bruce Naumans Tribüneninstallation „Indoor Outdoor Seating Arrangement“ aus dem Jahr 1999 wirft bekannte Grundsatzfragen auf – wie die endlos scheinende Frage: Was ist überhaupt Kunst und kann sie ohne die Betrachtenden und deren Partizipation funktionieren? Die Frage nach der Rolle der Betrachtenden wurde immer wieder aufgeworfen. Außerdem ging es darum, wie politisch Kunst sein kann, sein darf und welche Rolle sie in politischen Entwicklungen spielt. Gemeinsam mit den Mentorinnen tauschten sich die Besuchenden über eigene Erfahrungen und Assoziationen aus. Die lebhafte Diskussion verdeutlichte, wie fruchtbar ein erster Zugang zu den Werken allein mit den Sinnen und den eigenen Erfahrungen sein kann.
Auseinandersetzung mal anders
Das zeigte sich auch bei der dritten Gruppe, in der die Besuchenden dazu aufgefordert wurden, sich in dem Raum „Rot, Gelb und Blau gehen um die Welt“ einen von den Mentorinnen mitgebrachten Gegenstand auszusuchen und einem Bild ihrer Wahl zuzuordnen. Auf den ersten Blick mochte die Aufgabe banal erscheinen, doch die Gegenstände boten eine Brücke zu den Kunstwerken und ihrer Präsentation in den Räumlichkeiten des Museums. Die Mentorinnen moderierten den Austausch über die Entscheidung für Gegenstand und Werk und erzeugten damit gleich zu Beginn ihres Formats eine sehr offene Gesprächsatmosphäre, bei der alle Teilnehmenden der Gruppe involviert waren.
So regte das Gespräch zu anderen Perspektiven auf die Kunstwerke im Raum an, warf Fragen auf, deckte Zusammenhänge und Differenzen auf und bot Anlass, ausgewählte Werke im Raum erneut gemeinsam anzuschauen. Der einen oder anderen Person gab es vielleicht auch Inspirationen, sich bei dem nächsten Besuch auf andere Weise mit den Werken im Museum auseinanderzusetzen. Mit einem selbst erstellten Begleitheft entwickelte die vierte Gruppe Zugänge zum Ausstellungsthema „Making Paradise“. Dabei wurde unter anderem nach der eigenen Vorstellung vom Paradies gefragt, um anschließend eines der ausgestellten Objekte zu wählen, welches diese Vorstellungen am besten repräsentiert. Die Wahl fiel häufig auf „Between You, Me & The Bedpost“ #1 und #2 des indonesischen Künstlers Gede Mahendra Yasa.
Reaktionen der Teilnehmenden
Um unsere Besucherinnen und Besucher besser kennenzulernen und zu erfahren, ob ihre Be-dürfnisse angemessen angesprochen wurden, haben wir sie im Anschluss an die Veranstaltung um ein Feedback gebeten. Wir Mentorinnen und Mentoren studieren unterschiedliche Fachrich-tungen und hoffen, auch ein diverses Publikum von Studierenden anzusprechen, die wir in die Museen und Ausstellungen begleiten. Genau das ist gelungen: Die TeilnehmerInnen kamen aus den Bereichen Archäologie, International Business Management oder Politikwissenschaft. Diese Vielfalt übertrug sich auch auf die Gespräche. Andere Perspektiven und interessantes Spezialwissen warfen immer neue Herangehensweisen auf – auch für uns. Über das durchweg positive Feedback haben wir uns sehr gefreut, wobei wir natürlich auch kritische Anmerkungen aufnehmen würden. Die Teilnehmenden gingen sehr offen an unsere Ideen heran und hatten Spaß, sich einbringen zu können, Neues herauszufinden und Dinge kritisch zu hinterfragen. An dieser Stelle möchten wir uns bei euch bedanken, wir genießen diesen Austausch sehr!
Die Mentorinnen Charlotta Sauer und Eileen Kesseler haben am Mentoring-Programm TEAM MENTORIUM teilgenommen, das die Staatlichen Museen seit dem Wintersemester 2017/18 anbieten.
AUF EIN WERK! startet in diesem Semester mit Fokus auf den Hamburger Bahnhof in die nächste Runde. Das nächste Treffen findet am 22.11.2018 von 17-19 Uhr im Hamburger Bahnhof statt. In der Ausstellung „Der Elefant im Raum“ entwickeln die Teilnehmenden verschiedene Herangehensweisen und laden ein, gemeinsam die Ausstellung zu besuchen. Mehr Informationen auf der Facebookseite von ABOUT THE MUSEUM
#TeamMentorium
#AufEinWerk
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