Canova im Bode-Museum: Marmor trifft auf Tanz
Antonio Canova war als bildender Künstler im frühen 19. Jahrhundert in den höchsten Kreisen gefragt. Doch neben seiner Arbeit als Bildhauer der Mächtigen galt sein privates Interesse ein Leben lang der Anmut des Tanzes. Im Bode-Museum spürt die Ausstellung „Canova und der Tanz“ nun dieser Leidenschaft nach.
Bereits in jungen Jahren hegte der italienische Bildhauer Antonio Canova (1757-1822) eine besondere Faszination für den Tanz. Mit dem befreundeten Künstler Antonio D’Este unternahm er als junger Mann an Festtagen Spaziergänge in die bergige Umgebung Roms, „um die Mädchen aus dem Volk tanzen zu sehen“, wie sich D‘Este später erinnerte. Canova, so resümiert sein Bildhauerfreund weiter, zog „aus den Betrachtungen zu den natürlichen Bewegungen dieser Mädchen immer eine Lehre (…), zum Vorteil seiner Kunst.“
Diese Kunst sollte Canova im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zu großer Berühmtheit verhelfen. Der in Possagno geborene Künstler genoss schon zu Lebzeiten den Ruf eines der größten neoklassizistischen Bildhauer und war vor allem als Gestalter imposanter Grabmäler
bekannt. Er arbeitete für einflussreiche Politiker und den Papst, höfische Auftraggeber rissen sich um seine Werke und Kunstkritiker in ganz Europa feierten ihn wegen seiner mythologischen Sujets als modernen Phidias. Der Ruf des Italieners reichte bis ins kühle Preußen, wo er Ende des 18. Jahrhunderts sogar kurzzeitig als Hofbildhauer im Gespräch war. Das Rennen um diesen Posten machte damals zwar Johann Gottfried Schadow, doch im Jahr 2016 kehrt Canova nach Berlin zurück: Die Skulpturensammlung widmet sich mit der Ausstellung „Canova und der Tanz“ im Bode-Museum der großen Leidenschaft des Künstlers für den bewegten Körper.
Eine kleine Sensation
„Der Anlass für die Ausstellung war die Rekonstruktion des Gipsmodells von Canovas Tänzerin 2011 im Museum Canova in Possagno“, erklärt Volker Krahn, Canova-Spezialist und Kurator der Ausstellung. „Dieses Gipsmodell wurde im Ersten Weltkrieg teilweise zerstört und konnte anhand unseres Marmor-Originals rekonstruiert werden.“ In der Folge wurde das Gipsmodell mit anderen Beständen aus Possagno dort in einer Ausstellung gezeigt, die nun nach Berlin kommt.
Doch für die Berliner Schau haben Volker Krahn und sein Team nicht das Konzept der italienischen Kollegen übernommen, sondern es erweitert und damit eine kleine Sensation ermöglicht: Erstmals teilen sich alle drei Tänzerinnen Canovas in einer Ausstellung das Parkett. „Ein ganz besonderes Exponat bekommen wir aus der Eremitage in St. Petersburg“, schwärmt der Kurator: „Dort gibt es eine weitere Tänzerin aus Marmor, die Canova für Josephine de Beauharnais, die erste Gemahlin von Napoleon, geschaffen hat und die 1815 nach Russland kam.“ Zusammen mit der Berliner Marmorskulptur aus dem Bode- Museum und dem Gipsmodell einer verschollenen Tänzerin aus Possagno wird den Besuchern so ein umfassender Blick auf Canovas bildnerische Auseinandersetzung mit dem Tanz ermöglicht.
Leidenschaft für Tanz und Bewegung
Mit dieser Fokussierung zeigt die Ausstellung eine sehr intime Facette des hauptsächlich für herrschaftliche Repräsentationskunst berühmten Bildhauers. Das Interesse am Tanz hat Canova sein ganzes Leben lang nicht losgelassen: Er schrieb darüber in seinen Tagebüchern und besuchte immer wieder Musik- und Tanzveranstaltungen in Florenz, Rom und Neapel. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren diese Orte prominente Zentren in der Entwicklung des Melodrams und der Bewegungskunst. In Rom sah Canova Giovanni Battista Borghis Oper „Tito Manlio“, die von zwei Tänzen begleitet wurde, und notierte die Namen der Haupttänzer: Onorato Vigano und Giacomo Tantin. In Neapel beeindruckten ihn im Theater „San Carlo“ Aufführungen des französischen Choreographen und Balletttänzers Charles Le Picq. „Das stand im starken Kontrast zu seinen offiziellen Aufträgen wie dem Standbild Napoleons“, so Krahn. „Bei den Tänzerinnen hat Canova eine ganz private Seite bildnerisch ausgelebt und es ist wunderbar, dass wir diese Facette im Bode-Museum zeigen können.“
So wird die Ausstellung nicht nur die plastischen Tänzerinnen präsentieren, sondern auch andere Aspekte von Canovas Leidenschaft für Tanz und Bewegung. Zwischen 1798 und 1799 hatte sich der Meister aus Rom in seine Heimatstadt Possagno zurückgezogen. Dort entstanden eindrückliche Temperamalereien, in denen mythologische Figuren und Nymphen in tänzerischer Bewegung dargestellt sind. Viele der in diesen Studien erkundeten Bewegungen finden sich in den späteren dreidimensionalen Arbeiten Canovas wieder. Eine andere Facette des Themas Tanz sind Zeichnungen und monochrome Gemälde, die für die Ausstellung aus dem Museo Civico in Bassano del Grappa und dem Museo Correr in Venedig nach Berlin kommen.
Blick auf die Antike
Auch den Ursprüngen und Inspirationen von Canovas Kunst spürt die Ausstellung nach: Neben antiken Beispielen aus Pompeii und Herculaneum wird das Ensemble durch die Einbeziehung von Canovas bereits 1796 vollendeter Hebe aus der Nationalgalerie komplettiert. „Diese Skulptur, die bereits 1802 von Johann Gottfried Seume auf dessen Spaziergang nach Syrakus oder vom bayerischen Kronprinzen auf dessen Kavalierstour sehr bewundert wurde, bevor sie einige Jahre nach Erwerbung durch Friedrich Wilhelm III. von Preußen 1830 im Alten Museum eine prominente Aufstellung fand, demonstrierte in ihrer damaligen Präsentation einen Höhepunkt und den Abschluss in der Entwicklung der neuzeitlichen Skulptur“, erklärt Volker Krahn. „Sie stellt eine kompositionelle Vorstufe der Tänzerinnen dar und dokumentiert, wie sich Canova mit Bewegung auseinandergesetzt und die Gesetze der Schwerkraft zu beseitigen versucht hat. Die Figuren haben eine außerordentliche Leichtigkeit.“
Neben dem tiefen Einblick in Canovas Auseinandersetzung mit dem Tanz bietet die Ausstellung auch ein breites Rahmenprogramm, das teilweise in Kooperation mit dem Staatsballett erarbeitet wurde und eine Brücke zum Tanz der Gegenwart schlagt. So werden beispielsweise Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts Berlin und KunstvermittlerInnen gemeinsam durch die Ausstellung führen. In diesen besonderen dialogischen Ausstellungsgesprächen werden Canovas Tänzerinnen sowohl aus den Blickwinkeln von Kunst- als auch von Tanzexperten diskutiert und durch tänzerische Sequenzen ergänzt. Hierfür wurde das Kleid, das die Berliner Marmor-Tänzerin trägt, in den Kostümwerkstätten des Bühnenservice Berlin für das Staatsballett originalgetreu nachgeschneidert.
Breites Rahmenprogramm
Es wird erstmals bei der Eröffnung der Ausstellung präsentiert, wenn die Tänzerin Alicia Ruben in die Rolle ihrer marmornen Vorgängerin schlüpft. Auch die Gesprächsreihe „Ballett-Universität“ des Staatsballetts Berlin ist anlässlich der Ausstellung im Bode-Museum zu Gast: Christiane Theobald, (Stellvertretende Intendantin des Staatsballetts Berlin), Gabriele Brandstetter (FU Berlin) sowie Volker Krahn und die Kunsthistorikerin Claudia Czok setzen sich mit der Repräsentation von Tanz und dem weiblichen Körper in der Bildenden Kunst auseinander. Für jugendliche Besucher und Tanzinteressierte schließlich bietet der Herbstferienworkshop „Tanz ist KLASSE!“ in Zusammenarbeit mit dem gleichnamigen Education-Programm des Staatsballetts Berlin Interessierten die Möglichkeit, sich selbst im Tanz auszuprobieren.
„Canova und der Tanz“ findet vom 21. Oktober 2016 bis 22. Januar 2017 im Bode-Museum statt. Die Ausstellung wird unterstützt durch die Vattenfall Europe Wärme AG
Ein von Staatliche Museen zu Berlin (@staatlichemuseenzuberlin) gepostetes Video am
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