Der Schöpfer und sein Werk: Das Abendkleid aus der Modegalerie

Sascha Johrden ist Absolvent des Lette Vereins Berlin und hat mit einem Abendkleid den Fashion Award des Leipziger Opernballs gewonnen. Sein Kleid hängt nun in der Modegalerie des Kunstgewerbemuseums. Redakteurin Anna Mosig sprach mit Johrden über sein Werk.

Wie ist dein Kleid in die Modegalerie des Kunstgewerbemuseums gekommen?
Lustiger Zufall – ich habe mein Kleid anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Lette Vereins vorgestellt, als Erfolg der Meisterklasse quasi und Frau Waidenschlager, eine Kuratorin des Kunstgewerbemuseums,  saß im Publikum. Nach dem Podium bin ich noch mit meinem Model dort herumflaniert. Frau Waidenschlager sprach mich an, erzählte mir von ihrer spontanen Idee meinen Fummel in der Modegalerie des Kunstgewerbemuseums auszustellen und ich war im Himmel!

Für welchen Anlass wurde das Kleid denn ursprünglich hergestellt?
Das Kleid entstand zweckgebunden für den Fashion Award des Leipziger Opernballs – als umwerfendes Abendkleid. Dabei wollte ich vor allem eine Silhouette erschaffen, welche die Trägerin nicht überschattet und eher durch Understatement besticht. Dazu kommt, dass besagte Trägerin, Johanna Blohm, eine enge Freundin von mir ist, die regelmäßig zu den Anproben antanzte. Das Kleid entstand in erster Linie für sie. Es ist ihr nicht nur auf den Leib geschneidert, es entstand auch ausschließlich für sie und mit ihr zu arbeiten macht immer Spaß. Und weil sie so geduldig war, MUSSTE ich ihr einfach das Kleid für ihren Abiball ausleihen. Zwei klitzekleine Rotweinflecke hat es abbekommen. Wichtiger ist aber für mich als Designer, dass Leute Freude daran haben, mein Design auch zu tragen – und sie wurde immerhin Abiball-Königin! Meinetwegen hätte es auch ein Brandloch sein können, solange sie einen schönen Abend hatte.

Die Schnürung des Korsetts © Dennis Zorn
Die Schnürung des Korsetts © Dennis Zorn

Kannst du uns noch ein wenig mehr über das Design verraten?
Ich wollte ein Kleid kreieren, das die Anmutung von Unterwäsche hat. Wenn wir kostümgeschichtlich 100 Jahre zurückgehen, waren Korsetts noch Standardware. Das Korsett als Symbol hat mich fasziniert, zum einen in seiner Funktion als Figurformer, vor allem jedoch als handwerklich höchst anspruchsvolles und individuelles Kleidungsstück, welches verborgen unter der Tageskleidung nie jemand zu Gesicht bekam. Diese Art des Understatements wollte ich neu interpretieren, denn im heutigen Kontext ist das Korsett kein kultureller Zwang mehr, sondern eine optische Spielart und vielleicht auch ein Fetish.

Im Rahmen dieser Interpretation stieß ich auf eine Technik, die im bayerischen Trachtenmieder Verwendung findet – die Verstärkung durch Peddigrohr (Rattan). Das Experimentieren mit diesem Material brachte mich dann relativ zügig zu meinem endgültigen Design, in welchem ich diese Technik auf meine Bedürfnisse abgeändert und angepasst habe und somit etwas Neuartiges, Modernes erschaffen habe. Trotz des harten Korsetts sollte das Kleid vor allem leicht und selbstverständlich wirken. Hierfür simuliert der Rock ein flüchtig umgeknotetes Tuch, die Verarbeitung zeigt sich erst von hinten – in der fischschwanzartigen Schleppe und der langen Knopfleiste. Die mintgrüne, silbrig glänzende Seide zeigt Zartheit, Rohheit und rundet somit die Unterwäsche-Szenerie ab. Am Ende steht ein Kleid, welches traditionelles Handwerk auf unsere heutigen Wünsche anpasst – das macht für mich Modernität aus.

Die Herstellung eines solchen Abendkleides kostet doch sicherlich viel Zeit. Wie lange hast du insgesamt an diesem Kleid gearbeitet?
Da es das erste Kleid dieser Art für mich ist, hat es tatsächlich sehr lange gedauert, gerade da das fertige Modell auch der Prototyp ist und ich viel ausprobiert habe. Wenn man das dann doch realistisch zusammenfasst, dürften es so ungefähr 90 Arbeitsstunden sein, die die Anfertigung gedauert hat. Plus ein paar Stündchen Schnitterstellung durch Moulage an der Puppe, Anpassung und Optimierung am Körper, die Fertigung der Probeteile, sowie die Dauer der Anproben. Ich denke, wenn ich in einem Rutsch daran arbeite, könnte ich so ein Kleid in 14 Tagen fertig bekommen, ca. 140 Stunden (das beinhaltet: Maßnehmen an der Kundin, Schnitterstellung, Probemodell nähen, Anprobe, Schnittoptimierung, Originalstoffanprobe, Fertigstellung, zwischendrin ein Käffchen darf auch sein).

Sascha Johrden arbeitet an der Fertigstellung des Abendkleides © Dennis Zorn
Sascha Johrden arbeitet an der Fertigstellung des Abendkleides © Dennis Zorn

Welcher Part an der Herstellung deines Kleides hat dir besonders viel Spaß gemacht?
Bei solchen Geschichten besteht der Prozess ja vor allem aus Verzweiflung, gerade wenn man keine Routine hat. Und die bekommt man auch nicht bei so aufwändigen Modellen. Jedes ist einzigartig und anders. Das Beste daran ist jedes Mal aufs Neue zu sehen, dass ich eigentlich keine Grenzen habe und jede Grenze im Kopf ist auch überwindbar. Das Ergebnis entlohnt mich immer wieder aufs Neue.

Wenn ich jetzt spezifisch an den Prozess zurückdenke, fand ich die Anproben mit Johanna immer reizend. Wir haben uns eben gefunden, denke ich. Den Zwischenstand bewundern, bevor die nächste Herausforderung kommt, das ist immer schön. Am eindrucksvollsten für mich war es aber, als ich dem Oberteil durch die Rattanstäbe die Form gegeben habe, auf einmal habe ich mich gefühlt wie ein Bildhauer. Das Korsett ist im Grunde ein perfekter Abdruck von Johannas Körper.

Das Kleid und die Muse des Designers, Johanna Blohm © Dennis Zorn
Das Kleid und die Muse des Designers, Johanna Blohm © Dennis Zorn

An welchem Projekt arbeitest du momentan?
Grade habe ich einen Job für Michalsky beendet. Für seine Show am 07.07.17 habe ich mit einem Team von anderen Lette-Absolventen und meinem ehemaligen Lehrer einige Modelle hergestellt. Mein Fokus lag dabei auf Corsagen und Corsagenkleider – irgendwie liegt mir das wohl.

Ich arbeite ansonsten im Kostümbereich in verschiedenen Filmproduktionen und mache private Anfertigungen auf Anfrage, also hochqualitative Einzelstücke auf Maß. Mein nächstes Ausstellungsstück zeige ich zur Langen Nacht der Museen im Kunstgewerbemuseum – natürlich wieder ein Korsett. Das ist mein aktuelles Projekt.

Titelbild: Kai Prillwitz

Kommentare

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    * Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten ausschließlich für die Anfrage genutzt werden. Insbesondere erfolgt keine Weitergabe an unberechtigte Dritte. Mir ist bekannt, dass ich meine Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Dies kann ich über folgende Kanäle tun: per E-Mail an: kommunikation[at]smb.spk-berlin.de oder postalisch an: Staatlichen Museen zu Berlin – Generaldirektion, Stauffenbergstraße 41, 10785 Berlin. Es gilt die Datenschutzerklärung. der Staatlichen Museen zu Berlin, die auch weitere Informationen über Möglichkeiten zur Berichtigung, Löschung und Sperrung meiner Daten beinhaltet.

    Kommentare