Der Verbindende: Zum Abschied von Bernd Lindemann
Wissenschaft und Museum, Skulptur und Malerei, Kulturforum und Museumsinsel – Bernd Lindemann hat in seiner Zeit bei den Staatlichen Museen zu Berlin immer versucht, diese Dinge zusammenzubringen. Nun geht er in den Ruhestand.
Mit Bernd Lindemann tritt ein großer Museumsmann und profilierter Wissenschaftler aus dem Dienst. Eingetreten war Lindemann genaugenommen zweimal, zuletzt 2004 als Direktor der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. Bereits von 1990-1994 hatte der habilitierte Kunsthistoriker als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kustos an der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin gewirkt. Seine Dienstzeit begann mit den durch die Wende verursachten Umwälzungen der Berliner Museumslandschaft: Die Wiedervereinigung der Sammlungen aus DDR und BRD.
Von geistigen Bändern und Brücken
Der Architekt Hans Scharoun hatte in seinem Konzept für die „Hauptstadt Berlin“ Ende der Fünfzigerjahre große Pläne formuliert: ein „Geistiges Band zwischen Kulturforum und Museumsinsel“ sollte entstehen. 1961, kaum dass mit dem Bau der Philharmonie als erstem Schritt zur Vollendung von Scharouns Plänen begonnen wurde, schnitt der Bau der Mauer jegliche Ost-West-Verbindung jäh ab. Damit war klar: Das kulturelle Zentrum des Westens sollte das – damals relativ brachliegende – Kulturforum werden. 30 Jahre später kam die Wende und mit ihr die Fragen, die Lindemann während seiner gesamten Berliner Amtszeit beschäftigen sollten: Was gehört warum wohin? Wie bringt man die scheinbar widersprüchlichen Dinge synergetisch zusammen? Ost und West, Museumsinsel und Kulturforum, Skulpturen und Gemälde, Bode-Museum und Gemäldegalerie?
In kaum einem anderen Fall warf die Diskussion, wohin eine Sammlung eigentlich gehöre, soviel Wellen, wie bei der Gemäldegalerie. Die Debatte bekam mit „Berliner Museumsstreit“ sogar einen eigenen Namen. Lindemann und sein damaliger Kollege Jan Kelch hatten eine klare Vision, wo die wiedervereinigte Gemäldegalerie hingehört: Natürlich auf die Museumsinsel. Unter ein Dach (oder zumindest unter ein benachbartes Dach) mit der Skulpturensammlung im Bode-Museum, an Berlins renommiertesten Ort der Kunstgeschichte von den frühen Hochkulturen bis ins 19. Jahrhundert. Mit diesem Umzug hätte sich die Museumsinsel vollenden sollen: Die Bilder der Alten Meister, Leitmedien des Mittelalters und der frühen Neuzeit, hätten die Überleitung von den Künsten der antiken Kulturen zur Kunst des 19. Jahrhunderts gewährt, die in der Alten Nationalgalerie ausgestellt ist.
Die Vision blieb unverwirklicht – aber nicht unvergessen, auch wenn die Sammlung der Gemäldegalerie 1998 ans Kulturforum zog. Bernd Lindemann verließ Berlin um dank seiner fundierten kunsthistorischen Kenntnisse Konservator der Abteilung Alte Meister und später stellvertretender Museumsdirektor im Kunstmuseum Basel zu werden. Mit kleinen, aber feinen Ausstellungen wie jener zu den Rückseiten von Bildern zeigte er hier, worauf es ihm bei seiner Arbeit ankam: weniger auf den großen Bombast als darauf, „das Museum als das, was es ist, attraktiv zu machen“. 2004 kehrte Bernd Lindemann zurück nach Berlin, um im Neubau am Kulturforum die Nachfolge von Jan Kelch als Direktor der Gemäldegalerie anzutreten. 2007 übernahm er zusätzlich die Direktorenposten der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst – so wie einst Berlins erster großer Museumsmacher Wilhelm von Bode.
Forschung + Museum = Gelungene Ausstellung
Was also macht ein Museum attraktiv? Lindemann scheint die richtigen Antworten gefunden zu haben, behauptet sich die Gemäldegalerie doch als stabiler Besuchermagnet am eher schwierigen Standort Kulturforum. Natürlich verfügt das Museum über eine einzigartige Sammlung an Alten Meistern. Mit Schlüsselwerken von Rembrandt, Caravaggio, Dürer, Cranach und anderen wird die Gemäldegalerie in einem Atemzug mit dem Louvre in Paris und dem Prado in Madrid genannt – aber das Renommee hängt auch immer davon ab, wie diese Schätze präsentiert werden. Und vor allem auch, wie sie erforscht werden. Für Lindemann gehört die wissenschaftliche Arbeit an den großartigen Beständen nämlich zur „raison d’être der Museen“. Schließlich ist Forschung eine der Säulen gelungener Ausstellungskonzepte.
Kein Wunder also, dass jene Ausstellungen, die unter seiner Leitung der Häuser stattfanden, zu den erfolgreichsten der Staatlichen Museen zu Berlin zählen: Angefangen bei der „Botticelli Renaissance“ vergangenes Jahr über die „Hommage an Caravaggio 1610/2010“ (2011), die Wiederentdeckung der „Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden“ (2009) bis zur großen Rembrandt-Schau von 2006 oder der zu Cornelis Bega (2012). Nicht zu vergessen die kleine, aber wegweisende Ausstellung mit Werken von Markus Lüpertz im Kontext der ihn inspirierenden Werke im Bode-Museum und zukünftig sicher auch die derzeit laufende Schau „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“.
Text: Gesine Bahr-Reisinger
Fotos: Daniel Hofer
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