El Siglo de Oro – Spaniens Blüte in Berlin

Gestern eröffnete „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ in der Gemäldegalerie. Die Ausstellung bietet in diesem Sommer einen einmaligen Blick auf die reichhaltige Kunstproduktion im Spanien des 17. Jahrhunderts. Generaldirektor Michael Eissenhauer und Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, im Gespräch über Entstehung und Hintergründe der Ausstellung.

Die Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ beschäftigt sich mit dem „Goldenen Zeitalter“ der spanischen Kunst und Kultur. Was hat es damit auf sich?
Michael Eissenhauer: Das Goldene Zeitalter in der spanischen Kunst ist das 17. Jahrhundert. Es gibt nur wenige vergleichbare Epochen der Kunstgeschichte, die in einer ähnlichen Komplexität und Fülle sowohl Gemälde als auch Skulpturen von solch hoher Qualität hervorgebracht haben. „El Siglo der Oro. Die Ära Velázquez“ wird erstmals überhaupt die gesamte Bandbreite der Kunst dieses Goldenen Zeitalters zeigen.
Bernd Lindemann: Historisch erklärt sich das Siglo de Oro zum einen aus der Konsolidierung des spanischen Königtums während dieser Epoche, zum anderen aus der Funktion, die die Kunst damals für die Kirchen hatte. In Spanien konnten trotz der Vormacht des Königshofes in Madrid die einzelnen Regionen sehr individuelle künstlerische Färbungen entwickeln, woraus eine sehr große Vielfalt der Kunst entsprang. Auf diese Weise entstanden prachtvolle heilsgeschichtliche Darstellungen für die bildfreudige katholische Kirche, aber auch wunderbare Porträts, etwa für den königlichen Hof in Madrid, sowie ganz außerordentliche Stillleben und auch Genremalerei.

Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (rechts), und Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, verfolgen das Hängen eines Bildes für die Ausstellung
Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (rechts), und Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, verfolgen das Hängen eines Bildes für die Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ in der Gemäldegalerie. (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Für einen so umfassenden Blick braucht es eine Vielzahl an Exponaten. Wurden für die Ausstellung viele Leihgaben angefragt?
ME: Die Ausstellung umfasst rund 130 Arbeiten, von denen gut zwei Drittel Leihgaben sind. Wir waren dafür in ganz Spanien unterwegs, um Kontakte in den einzelnen Regionen aufzubauen. Den Erfolg unserer Anstrengungen verdanken wir in besonderem Maße der Leihbereitschaft des Museo del Prado in Madrid und anderen spanischen Museen und Sammlungen, die diese Ausstellung mit herausragenden Werken bereichern. Aber wir sind allen Leihgebern überaus dankbar für Ihre kollegiale Hilfe – erst durch die Kooperation mit insgesamt 64 Museen konnten wir so viele bedeutende Werke des Goldenen Zeitalters zusammentragen.

Warum verfügt die Sammlung der Gemäldegalerie über eine so gute Basis, auf der Sie aufbauen konnten?
ME: In Berlin gibt es eine lange Tradition, spanische Kunst zu sammeln: Bereits 1881 reiste Wilhelm von Bode, der spätere Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, nach Spanien, um Kunstwerke für die Berliner Sammlung zu erwerben. Heute verfügt die Gemäldegalerie über eine der bedeutendsten Sammlungen spanischer Kunst des 17. Jahrhunderts in Deutschland. Beispielsweise befinden sich die „Taufe Christi“ von Bartolomé Esteban Murillo, das „Brustbild eines Mannes” von José de Ribera, „Don Alonso Verdugo de Albornoz (1623-1695)” von Francisco de Zurbarán oder das Werk „Bildnis einer Dame” von Diego Velázquez in unserem Besitz. Die sammlungsgeschichtliche Tradition und die Faszination an dieser überaus produktiven wie qualitativ herausragenden Phase in der spanischen Kunstgeschichte waren für uns ausschlaggebende Argumente, diese Ausstellung zu konzipieren.

Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (links), und Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie im Gespräch. (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (links), und Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie im Gespräch. (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Was ist das Konzept der Ausstellung?
BL: Wir wollen die drei wichtigen Bildkünste zusammenbringen: Malerei, Skulptur und Zeichnung. Die spanische Skulptur ist faszinierend, weil sie zu großen Teilen kostbar gefasste Bildwerke aus Holz umfasst, die übrigens auch heute noch in Gebrauch sind. Sie werden bei Prozessionen in der Osterzeit durch die spanischen Städte getragen. Auch die Zeichnungen sind von herausragender Qualität und werden im Zusammenhang mit Gemälden gezeigt.
ME: Die Gattungen Malerei und Skulptur gemeinsam zu präsentieren, ist aufgrund der immensen Fülle an hochwertiger Kunst in dieser Epoche naheliegend. Maler und Bildhauer haben damals gemeinschaftlich zusammengearbeitet, mitunter entstanden Malerei und Skulptur sogar in derselben Werkstatt – ein in der Kunstgeschichte damals absolutes Novum. Darüber hinaus gibt es in Berlin auch ein grundsätzliches Bestreben, das einzelne Kunstwerk aus seiner isolierten Betrachtung zu lösen und das Bewusstsein für seinen jeweiligen ursprünglichen kulturellen Kontext zu schärfen.

Sie sprachen davon, dass einige der gezeigten Skulpturen noch heute in Gebrauch sind …
ME: Es handelt sich um eine großformatige Skulpturengruppe der Passion Christi des Bildhauers Gregorio Fernández – eine Leihgabe aus dem Museo Nacional de Escultura in der Stadt Valladolid. Seit mehr als 400 Jahren wird sie alljährlich im Rahmen einer feierlichen Prozession zur Karwoche durch die Straßen Valladolids getragen. Für unsere Ausstellung verlässt diese Skulpturengruppe erstmals das Land und ergänzt damit unsere Ausstellung auf hervorragende Weise.

Die Skulpturengruppe aus Valladolid von Gregorio Fernández (1625) wird einmal im Jahr zu Ostern in einer Prozession durch den Ort geführt. Nun ist sie vorübergehend in der Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ in der Gemäldegalerie zu sehen. (c) Carlos Collado
Die Skulpturengruppe aus Valladolid von Gregorio Fernández (1625) wird einmal im Jahr zu Ostern in einer Prozession durch den Ort geführt. Nun ist sie vorübergehend in der Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ in der Gemäldegalerie zu sehen. (c) Carlos Collado

Was macht diese Ausstellung darüber hinaus einzigartig?
BL: Obwohl das Thema so spannend ist, gab es eine solche Ausstellung in Deutschland noch nicht. In London sorgte vor einiger Zeit eine Ausstellung zur spanischen Bildhauerei für Furore, was uns darin bestärkte, ähnliches auch hier umzusetzen. Das Publikum wird in der Gemäldegalerie nun mit Kunst konfrontiert, die es noch nicht kennt. Maler wie Diego Velázquez oder El Greco sind international bekannte Figuren, Künstler wie Bartolomé Esteban Murillo oder José Antolínez hingegen sind hierzulande neue Namen. Das Publikum wird in der Ausstellung also neben Alt-bekanntem eine Vielzahl von neuen, nicht minder spannenden Künstlern entdecken können.

Ist das der Grund, warum statt einer monographischen Ausstellung dieser breitere Zugang gewählt wurde?
ME: Monothematische Ausstellungen zu Künstlern oder Gattungen des Goldenen Zeitalters gab es in den letzten Jahrzehnten oft – wir möchten einen Schritt weiter gehen. Die Epoche hat nicht nur große Meister wie die bereits genannten Velázquez und El Greco hervorgebracht, sondern auch andere herausragende Künstler wie Alonso Cano oder Gregorio Fernández, die außerhalb Spaniens bislang leider nur Experten ein Begriff sind.
BL: Hinzu kommt, dass bestimmte wichtige Werke von Velázquez, etwa die „Übergabe von Breda“, schlichtweg nicht zu bekommen sind. Sie wären aber für eine Velázquez-Schau unabdingbar. Auch deswegen haben wir die Idee weiter entwickelt und beschlossen, uns vom „Star“ Velázquez etwas zu lösen und das Siglo de Oro in allen Facetten zu zeigen.

Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (links), und Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, gemeinsam mit einer Restauratorin vor einem der werke in der Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ in der Gemäldegalerie. (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (links), und Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, gemeinsam mit einer Restauratorin vor einem der Werke in der Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ in der Gemäldegalerie. (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Worin liegt die Faszination begründet, die diese Kunstwerke heute noch in uns auslösen?
BL: Die Heiligen werden in einer faszinierenden Gegenwärtigkeit gezeigt. Sie werden nicht antikisierend dargestellt, sondern treten in Kostümen ihrer Zeit auf. Für die damaligen Betrachter bedeutete dies, dass ihnen die Heiligen quasi direkt gegenüberstanden. Auch bei den Stillleben finden wir diese Gegenwärtigkeit, es wird sehr armseliges Essen gezeigt, Fastenspeisen – ganz anders als etwa beim holländischen oder flämischen Prunkstillleben.

Gibt es ein Werk, über das Sie sich besonders freuen, es zeigen zu können?
ME: Auf diese Frage zu antworten, fällt mir schwer. Neben vielen anderen kostbaren Leihgaben freuen wir uns aber wohl alle besonders über die bereits erwähnte Skulpturengruppe aus Valladolid. Sie ist nicht nur auf buchstäblich sehr interessanten Wegen in unsere Ausstellung gekommen, sondern auch kunsthistorisch überaus faszinierend.

Michael Eissenhauer und Bernd Lindemann in der Gemäldegalerie. (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Michael Eissenhauer und Bernd Lindemann in der Gemäldegalerie. (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Die Ausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ findet vom 1. Juli bis 30. Oktober in der Gemäldegalerie statt. Während der Ausstellung gibt es ein umfassendes Begleitprogramm mit Partnern aus der spanischen Community. Informationen gibt es in den sozialen Medien unter dem Hashtag #goldenersommer und auf elsiglodeoro.de

Die Ausstellung wird großzügig gefördert durch das Kuratorium Preußischer Kulturbesitz, die Sparkassen-Finanzgruppe, den Kaiser Friedrich Museumsverein und die “la Caixa“ Foundation. Unterstützer sind die Botschaft von Spanien, das Instituto Cervantes und Museum&Location Veranstaltungsgesellschaft der Staatlichen Museen zu Berlin mbH.

Titelbild: (c) Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

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