Familie auf der Flucht – Fluchtbilder im Kupferstichkabinett
Die Flucht der Heiligen Familie – ein über Jahrhunderte vielfältig interpretiertes Bildmotiv wirkt heute aktueller denn je – unter anderem in einer Kabinettausstellung des Kupferstichkabinetts. Birgit Jöbstl sprach mit der Kuratorin Dagmar Korbacher über die Hintergründe.
Wie kam es zu der Ausstellung „Familie auf der Flucht. Ein Bildmotiv in der Druckgraphik von Claude Lorrain bis Giandomenico Tiepolo„?
Dagmar Korbacher: Zunächst wollten wir das Thema im Rahmen der Sommerausstellung „Wir suchen das Weite. Reisebilder von Albrecht Dürer bis Olafur Eliasson“ aufgreifen. Aber das Motiv der flüchtenden Familie schien uns dann aus aktuellem Anlass doch zu wichtig. So haben wir eben kurzfristig diese 24 beeindruckenden Blätter für eine eigene kleine Ausstellung zusammengestellt.
Welche Geschichte wird hier erzählt?
Die Flucht nach Ägypten fand nach der Geburt Christi statt – die drei Weisen aus dem Morgenland hatten König Herodes von einem neuen König berichtet, den sie anbeten wollten. Herodes, der keinen anderen König neben sich dulden wollte, ordnete den bethlehemitischen Kindermord an. Die biblische Geschichte erzählt von einem Engel, der Joseph dazu aufforderte, mit Maria und dem Kind nach Ägypten zu fliehen, um so das Leben des Kindes zu retten. Die Künstler haben diese Flucht ganz unterschiedlich umgesetzt. Am interessantesten ist vielleicht die Serie von Giandomenico Tiepolo, der so genannte „malerische Einfälle“ gestaltet: Die Bilder zeigen nicht eine Abfolge, die eine Geschichte erzählt, sondern der Künstler hat sich hier mit dem Thema in verschiedenen Variationen auseinandergesetzt.
Wie geht die Ausstellung ganz konkret mit dem aktuellen Thema Flucht um?
Natürlich kann man hier nicht so tief gehen, aber die Bildmotive berühren und lassen nachdenklich werden. Vieles ist pittoresk, wirkt vielleicht sogar idyllisch, aber manchmal wird die Situation auch ganz dramatisch gezeigt, wenn etwa Joseph in Untersicht schwer beladen gezeigt wird, während Maria, die kaum mehr gehen kann, von einem Engel gestützt wird. Auch bei Tiepolo ist das Bild des Ankommens in der Fremde kein freundliches: Die Menschenmenge dreht den Geflüchteten den Rücken zu und Maria wendet sich um, als würde sie in die Heimat blicken. Einige Blätter zeigen schließlich, wie die Heilige Familie ein Boot besteigt, das von einem Engel gesteuert wird – da kommen natürlich unmittelbar Assoziationen zu den Flüchtlingsbooten auf dem Mittelmeer auf.
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