Interview mit dem Holzrestaurator: Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie

In der Werkstatt von Wolfgang Dambacher stapeln sich Mustertafeln mit verschiedenen Holzoberflächen. Sie sind das Ergebnis der Voruntersuchungen zur Behandlung der Brauneiche im Mies-van-der-Rohe-Bau. Unsere Redakteurin Constanze von Marlin sprach mit dem Holzrestaurator über seine Erfahrungen.

Herr Dambacher, Schwerpunkte Ihrer Arbeit sind die Bereiche Möbelrestaurierung, Baudenkmalpflege und Metallarbeiten. Welche Aufgabe haben Sie im Rahmen der Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie?
Wolfgang Dambacher: Mein ursprüngliches Arbeitsfeld ist die Möbelrestaurierung, ich bin aber momentan im Wesentlichen in der Baudenkmalpflege tätig. Da ich Werkzeugmacher gelernt habe, restauriere und rekonstruiere ich zudem auch Beschläge. Meine erste Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro von David Chipperfield war die restauratorische Aufarbeitung der Türen im Neuen Museum in Berlin. Mein aktueller Auftrag für die Neue Nationalgalerie bezieht sich auf die Oberflächen der mit Brauneiche furnierten Flächen. Im Rahmen der restauratorischen Voruntersuchung durch ProDenkmal müssen Muster angefertigt werden, um die notwendigen Maßnahmen präzise formulieren zu können. Zum einen dienen die Muster dazu, das angestrebte Endergebnis zu dokumentieren, zum anderen belegen sie die entsprechenden Verfahren, um dieses Ziel zu erreichen. Das heißt, das Verfahren soll klar sein, wie mit den Oberflächen und Materialien bei der tatsächlichen Restaurierungsarbeit umgegangen werden soll.

Musterfläche auf Tresen mit Proben für Reinigung und Schellackauftrag. Foto: schmedding.vonmarlin.
Musterfläche auf Tresen mit Proben für Reinigung und Schellackauftrag. Foto: schmedding.vonmarlin.

Wie gestaltet sich der Prozess der Abstimmung über die zur Auswahl stehenden Materialien und Methoden?
Aufgrund der vielen Beteiligten ist es ein langer Prozess. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, die Nationalgalerie, das Büro David Chipperfield Architects, die Berater Fritz Neumeyer und Dirk Lohan sowie die Denkmalpflege müssen sich über das erwartete Ergebnis verständigen und eine umsetzbare Vorgabe formulieren. Diese Diskussionen sind notwendig, denn über die restauratorischen Maßnahmen bestehen unterschiedliche Ansichten. Der Grad der Restaurierung ist die zentrale Frage in der Denkmalpflege. Die verblichenen Paneele der Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie entsprechen nicht mehr der Intention von Mies van der Rohe. Wie weit will man gehen, um den ästhetischen Anspruch des Erbauers, zum Beispiel in Bezug auf Farbigkeit und Glanz, wieder zu erzeugen?

Was waren Kernpunkte der Diskussion?
Die Berliner Denkmalpflege ist dafür, das heutige Aussehen der Holzeinbauten als Ergebnis der Nutzung zu erhalten. Die Gegenposition dazu lautet, dass die Veränderungen der Oberflächen keine Patina, sondern ein Schadensbild darstellen, das man beheben sollte. Daran anknüpfend muss man fragen, wie weit der Schaden behoben werden soll: bis auf den Ursprungszustand oder bis zu irgendeinem Zwischenzustand? Der originale Farbton der Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie könnte gut rekonstruiert werden, insbesondere anhand von einigen völlig unbelichteten Flächen im Innenraum. Doch dieser dunkle Ton soll, so das Ergebnis der langen Diskussion, nicht wiederhergestellt werden. Stattdessen entschied man sich für einen mittleren Ton, der zwar noch die Ausstrahlung der Brauneiche hat, aber etwas verblichen ist und dem heutigen Zustand der innenliegenden Holzeinbauten entspricht. Lediglich die durch Sonneneinstrahlung extrem stark verblichenen außenliegenden Flächen der Garderobe sollen daran angeglichen werden.

Brauneiche im Direktionsbereich. Foto: schmedding.vonmarlin.
Brauneiche im Direktionsbereich. Foto: schmedding.vonmarlin.

Mies van der Rohe verwendete aufgrund seiner Erfahrungen in Amerika für alle furnierten Oberflächen in der Neuen Nationalgalerie Brauneiche. Diese ist vorwiegend im englischsprachigen Raum unter dem Namen Brown Oak verbreitet. Wurde das Material für den Berliner Bau eigens importiert?

Ja, vollkommen richtig, Brauneiche wird hauptsächlich im englischsprachigen Raum verwendet. In England werden Eichenstämme mit einem bestimmten Pilz infiziert, der diese Braunfärbung erzeugt. Dann wird das Holz zu Furnier geschnitten. Soweit ich weiß wurde das in Mitteleuropa nie gemacht. Das heißt die Brauneiche für die Neue Nationalgalerie wurde tatsächlich importiert. Auch heute noch ist das Holz erhältlich. Ich habe für die Muster einen ganzen Stapel Furnier bei einem Händler erworben. Gemäß der noch im Archiv des Museum of Modern Art erhaltenen bauzeitlichen Rezeptur für die Brauneichenbeschichtung haben wir neu furnierte Platten mit Leinölfirnis behandelt. Die Ausstrahlung dieser neuen Oberfläche auf den Musterplatten ist den unverblichenen Partien verblüffend ähnlich, ja nahezu identisch. Dieses Ergebnis zeigt, dass der Farbton der verschatteten Oberflächen dem Originalfarbton entspricht. So haben sie es damals erzeugt und so sieht es auch heute noch an wenigen, versteckten Stellen aus.

Verblichene Brauneiche der Garderobe. Foto: schmedding.vonmarlin.
Verblichene Brauneiche der Garderobe. Foto: schmedding.vonmarlin.

Welches restauratorische Verfahren schlagen Sie für die Holzoberflächen in der Neuen Nationalgalerie vor und wie sind Sie zu diesem Ergebnis gekommen?
Wir haben in drei Etappen gearbeitet. Bei der ersten Etappe ging es um die Frage, ob man den Originalfarbton erzeugen kann. Dafür konnten wir nicht am Original arbeiten, die Flächen wären gegebenenfalls irreversibel verändert worden. Deshalb haben wir normale europäische Eiche in dem Farbton der verblichenen Paneele verwendet und darauf experimentiert. Das geht mit Wasserbeize, scheidet aber aus, weil das Verfahren nicht lichtstabil ist. Das heißt, man hätte zwar den Farbton gefunden, doch weil der nicht lichtstabil ist, wäre nichts gewonnen. Weiterhin in Frage kommen chemische Beizen wie Ammoniak oder Kaliumpermanganat, wobei nur letzteres einen überzeugenden Farbton hervorgebracht hat, wohlgemerkt auf europäischer Eiche. Je nach Mischungsverhältnis mit Wasser sind feinste Farbabstufungen möglich. Der Vorteil dieser Art des Beizens ist die Lichtbeständigkeit sowie die Möglichkeit, einen Leinölfirnis aufzutragen und damit eine nahezu originale Oberfläche zu erreichen. Nach diesem zunächst zufriedenstellenden Ergebnis kam die Frage, ob die Methode reversibel ist.

Farbmuster am Tresen. Foto: schmedding.vonmarlin.
Farbmuster am Tresen. Foto: schmedding.vonmarlin.

Was ist damit gemeint?
Reversibel ist einer der Hauptbegriffe in der Denkmalpflege. Es geht darum, ob ein Verfahren zurückgenommen werden kann oder unwiederbringlich in den Zustand des Originalmaterials eingreift. Chemische Beize ist nicht reversibel, weil die Stoffe chemisch in das Holz eingreifen und es dauerhaft verändern. Der nächste Schritt wäre ja gewesen, den Versuch auf einer Originalfläche zu wiederholen. Da das Verfahren aber die Originalflächen irreversibel verändert hätte, kam es nicht zur Anwendung.

Originalfarbton der Brauneiche. Foto: schmedding.vonmarlin.
Originalfarbton der Brauneiche. Foto: schmedding.vonmarlin.

Wie ging es weiter?
In der zweiten Etappe haben wir nach einer reversiblen Holzbehandlung gesucht. Das geht mit Schellack, also Harzlack, hat aber den Nachteil, dass es die Oberfläche verändert, weil ursprünglich kein Schellack aufgetragen worden ist. Allerdings lässt sich der Auftrag so steuern, dass kaum Unterschiede zur Ölbehandlung zu erkennen sind. Mit Schellack haben wir neue Musterplatten behandelt, indem wir unterschiedliche farbstabile Pigmente hinzugefügt haben. Dafür eignen sich Erden wie Umbra oder Terra di Sienna, wobei sich durch unterschiedliche Mischungsverhältnisse unterschiedliche Farbtöne erzeugen lassen. Bei der Präsentation überzeugten die Farbtöne, die Oberflächen, die Möglichkeit einer zusätzlichen Behandlung mit Öl sowie die Reversibilität, weil der Harzlack jederzeit mit Alkohol wieder abgelöst werden kann. In der dritten Etappe ging es um die Erprobung des Verfahrens auf einer originalen Holzfläche am Tresen. Zunächst haben wir die Oberflächen gereinigt und dann Schellack in unterschiedlichen Farbtönen aufgetragen, von denen einer für die Restaurierung der Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie ausgewählt wurde. Bei der Rezeptur haben wir nach Möglichkeit mit einem Farbpigment und nicht mit Mischungen gearbeitet. Die Erfahrung zeigt: Je simpler die Mischung, desto einfacher die Verarbeitung.

Wolfgang Dambacher in seiner Werkstatt. Foto: schmedding.vonmarlin.
Wolfgang Dambacher in seiner Werkstatt. Foto: schmedding.vonmarlin.

Text und Bilder: schmedding.vonmarlin.

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  • Was für ein besonderer Beruf muss es sein, Dinge zu restaurieren. Es gibt kleine Unterschiede wofür man ein Auge haben muss. Man sieht, dass dieser Herr viele Tricks hat, um die Möbel wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu bringen. Deshalb arbeitet er auch für so namhafte Kulturinstitute.

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