Lackkunst in Schloss Köpenick, Teil 3: Lob und Legitimation

Diese Serie von Blogeinträgen ist der Versuch, während der Laufzeit in loser Folge über die Entstehung der Ausstellung „Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly“ in Schloss Köpenick zu berichten.

Blognotizen
von Dr. Achim Stiegel, Kurator der Ausstellung „Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly“ und seit bald 15 Jahren Kurator der Möbelsammlung am Kunstgewerbemuseum.

Nach meiner Erfahrung sind eine neue Beobachtung und ein neuer Gedanke immer auch von dem Zweifel begleitet, ob diese Sichtweise denn tatsächlich zutreffend ist. Und so stand auch hier mitunter die Frage im Raum, ob auf den Türen des Münzschrankes denn tatsächlich diese – zudem europäische und asiatische Tradition verknüpfende – Huldigung an die gute Herrschaft dargestellt ist: War ein solcher Bildinhalt für die bewanderten Zeitgenossen von Gérard Dagly und für den Kurfürsten selbst verständlich? War Herrscherlob am Hof des brandenburgischen Kurfürsten überhaupt ein Thema?

Am Schluss des vorigen Blogeintrag stand ein Detail aus einem Kupferstich, der hier nun vollständig gezeigt werden soll.

Kupferstich, Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek Ornamentstichsammlung
Kupferstich, Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek Ornamentstichsammlung

Das etwas mehr als DIN A4 große Blatt stammt aus dem ersten Band einer dreibändigen Prachtausgabe, einer monumentalen, über einen Zeitraum von fünf Jahren veröffentlichten Publikation zu den herausragenden Werken der kurfürstlichen Antikensammlung.

Die drei Bände des Thesaurus Brandenburgicus selectus, Berlin 1696, 1698 und 1701 der Humboldt-Universität zu Berlin (Historische Sammlungen; Signatur 72508:1:F2/Rara). Foto: Achim Stiegel
Die drei Bände des Thesaurus Brandenburgicus selectus, Berlin 1696, 1698 und 1701 der Humboldt-Universität zu Berlin (Historische Sammlungen; Signatur 72508:1:F2/Rara). Foto: Achim Stiegel

Der Thesaurus Brandenburgicus selectus erschien in den Jahren 1696, 1698 und 1701 als eine Prachtausgabe von drei mit Kupfern von Münzen und Altertümern gefüllten Folianten. Der monumentale Katalog zählt zu den herausragenden Werken der Altertumsforschung vor Johann Joachim Winkelmann und stammt aus der Feder des Altertumswissenschaftlers und Numismatikers Lorenz Beger (1653-1705), der 1686 aus Heidelberg an den Berliner Hof gelangt war und dort seitdem die Hofbibliothek und die Kunstkammer betreute. In der Bibliothek der Humboldtuniversität hat sich ein besonders schönes Exemplar erhalten.

Die Publikation begleitet die systematische Erforschung und Präsentation der Sammlung und führt vor Augen, dass zum erfolgreichen Sammeln auch immer die Veröffentlichung gehört. Und so beginnt der erste Band von 1696 nach den Präliminarien der Widmung mit einer Einführung in die Räumlichkeiten des Kabinetts, dem der oben gezeigte ganzseitige Kupferstich zur Seite gestellt ist. Dieses von Samuel Blesendorf stammende Blatt bietet eine idealisierte Ansicht des Antikenkabinetts: War die Antikensammlung mit dem Münz- und Medaillenkabinett zuvor in der Bibliothek in unmittelbarer Nähe zu den Wohnräumen des Kurfürsten untergebracht, findet sie sich seit dem von Andreas Schlüter geleiteten Umbau des Berliner Schlosses, der in den Jahren der Veröffentlichung des Thesaurus voll im Gange war, in dem zum Lustgarten hin gewandten Flügel.

Zinnmedaille zum Umbau des Berliner Schlosses. Rückseite: Das Berliner Schloss in perspektivischer Ansicht, sign. Christian Wermuth, Berlin 1704 © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett/ Reinhard Saczewski
Zinnmedaille zum Umbau des Berliner Schlosses. Rückseite: Das Berliner Schloss in perspektivischer Ansicht, sign. Christian Wermuth, Berlin 1704 © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett/ Reinhard Saczewski

Nach der in lateinischer Sprache gegebenen Beschreibung erfolgte die Ausstattung des Kabinetts mit seiner Ausschmückung (»pigmenta«) und seinen Sammlungsmöbeln (»scrinia«) durch einen Ortsansässigen (»hominis incolae«) und wenn auch Lorenz Beger keinen Namen nennt, dürfen wir in diesem Künstler, der sich auf die Nachahmung erlesener japanischer Kunst verstand (»rarissimas Japonesium elegantias imitatur«) gewiss Gérard Dagly sehen.

Kupferstich (Detail), Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek Ornamentstichsammlung
Kupferstich (Detail), Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek Ornamentstichsammlung

Auf sechs großen Tischen (»sex mensa«) waren die antiken Kleinskulpturen aufgestellt, in ihren Schubladen verschiedene Geräte und Instrumente untergebracht und auf ihren unteren Böden die antiken Gefäße dicht gestellt.

Die Münzen und Gemmen hingegen wurden in vier Schränken (»quatuor gazophylacia«) bewahrt, deren Darstellung im Kupferstich nahezu vollkommen unserem Münzschrank entspricht. Zur Unterscheidung ihres Inhalts waren die Schränke mit vergoldeten Skulpturengruppen bekrönt, deren Hauptfiguren der antiken Mythologie entstammten: Apollo mit der Lyra bekrönte die Goldmünzen, Diana mit Pfeil und Bogen die Silbermünzen, Venus stand für die Bronzemünzen und der ägyptisch-hellenistische Gott Serapis für die Edelstein- und Gemmensammlung.
Der Kurfürst präsentierte sich mit seiner bedeutenden Antikensammlung nicht nur als kenntnisreicher Bewahrer antiker Tradition, sondern beanspruchte für sich die Rückbesinnung auf die antike Tugend der Aequitas.

Goldmünze Marc Aurels. Rückseite: Sitzende Aequitas mit Waage und Füllhorn, Rom, 168 n. Chr. © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Reinhard Saczewski
Goldmünze Marc Aurels. Rückseite: Sitzende Aequitas mit Waage und Füllhorn, Rom, 168 n. Chr. © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Reinhard Saczewski

In der Tradition römischer Kaiser stand sie mit ihrem Attribut der ausbalancierten Waage für die ausgleichende Gerechtigkeit und Angemessenheit und war damit ein zentrales Merkmal gerechter Herrschaft. Ihr Motto lautet „suum cuique“ – jedem das Seine zu gewähren. Dieser Wahlspruch begleitete die kurfürstliche und später königliche Münzprägung und zierte 1701 auch die Krönungsmedaille von Friedrich III./I.

Raimund Faltz: Krönung Friedrich I., Berlin 1701. Rückseite: Borussia krönt sich mit der Rechten selbst. Sie hält in der Linken Schwert und Zepter und lehnt sich an eine Säule mit Reichsapfel. Am Fuß der Säule die Medailleursignatur R F. © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Foto: Lutz-Jürgen Lübke
Raimund Faltz: Krönung Friedrich I., Berlin 1701. Rückseite: Borussia krönt sich mit der Rechten selbst. Sie hält in der Linken Schwert und Zepter und lehnt sich an eine Säule mit Reichsapfel. Am Fuß der Säule die Medailleursignatur R F. © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Foto: Lutz-Jürgen Lübke

Und so steht die Aequitas auch im Zentrum des 1696 publizierten ersten Bandes des Thesaurus Brandenburgicus selectus und seiner Darstellung des Antikenkabinetts.

Kupferstich (Details ), Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695 mit Verkörperung der Aequitas, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin
Kupferstich (Details ), Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695 mit Verkörperung der Aequitas, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin
Kupferstich (Details ), Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695 mit Verkörperung der Aequitas, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin
Kupferstich (Details ), Idealisierte Ansicht des Münz- und Antikenkabinetts im Berliner Schloss um 1695 mit Verkörperung der Aequitas, Samuel Blesendorf, aus: Thesaurus Brandenburgicus selectus, Band 1, Berlin 1696 © Staatliche Museen zu Berlin

Das Leitbild seiner gerechten Herrschaft findet sich exakt in der Mitte des Raumes unter dem Porträt des Kurfürsten und im Zentrum der gesamten Bildkomposition – die Personifikation der Aequitas steht auf dem Fluchtpunkt der Raumperspektive.

Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, können wir also feststellen, dass es dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. und angehenden König Friedrich I. sehr wohl um die Klärung seiner Legitimation zur Herrschaft ging. Die von Gérard Dagly formulierte Darstellung gilt also mit einiger Berechtigung als Huldigung und Teil eines Programms, das dem Herrschaftsanspruch von Friedrich III. gewidmet war und im Antikenkabinett des Berliner Schlosses seine besondere Veranschaulichung fand.

Alle Beiträge der Serie gibt es hier.

Kommentare

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    * Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten ausschließlich für die Anfrage genutzt werden. Insbesondere erfolgt keine Weitergabe an unberechtigte Dritte. Mir ist bekannt, dass ich meine Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Dies kann ich über folgende Kanäle tun: per E-Mail an: kommunikation[at]smb.spk-berlin.de oder postalisch an: Staatlichen Museen zu Berlin – Generaldirektion, Stauffenbergstraße 41, 10785 Berlin. Es gilt die Datenschutzerklärung. der Staatlichen Museen zu Berlin, die auch weitere Informationen über Möglichkeiten zur Berichtigung, Löschung und Sperrung meiner Daten beinhaltet.

    Kommentare