Lackkunst in Schloss Köpenick, Teil 4: Das Antikenkabinett im Berliner Schloss
„Diese Serie von Blogeinträgen ist der Versuch, während der Laufzeit in loser Folge über die Entstehung der Ausstellung „Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly“ in Schloss Köpenick zu berichten.“
Blognotizen
von Dr. Achim Stiegel, Kurator der Ausstellung „Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly“ und seit bald 15 Jahren Kurator der Möbelsammlung am Kunstgewerbemuseum.
Für mein Empfinden bietet die Ausstellung einen überraschenden Einblick in die Geschichte der Berliner Sammlungen. In ihr sind Kunstwerke zusammengeführt, die bereits vor gut 300 Jahren in einem Raum des Antikenkabinetts standen.
Die brandenburgisch-preußische Kunstkammer bildet den Ursprung der heutigen Berliner Museen. Nach dem Verlust ihrer ersten Bestände im Dreißigjährigen Krieg gilt der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm als ihr eigentlicher Begründer. Als Friedrich III. ihm 1688 als Kurfürst folgte, gab es die „Kurfürstliche Antiken-, Kunst- und Naturalienkammer“ als Einrichtung, jedoch ohne eigene Sammlungsräume. Ein Teil der Sammlung – die Naturalien und Instrumente – war in der kurfürstlichen Bibliothek untergebracht, die höher bewerteten antiken Skulpturen und Kunstwerke im kurfürstlichen Logement aufgestellt.
Mit dem Umbau des Berliner Schlosses durch Andreas Schlüter erhielten die Sammlungen neue Räume im dritten Stock des Lustgartenflügels. So wurden ab 1703 die Medaillen und Antiken in drei Räumen westlich des zentralen Rittersaals präsentiert, während für die Kunstkammerobjekte ab 1705 östlich dieses Saales Elfenbeinzimmer, Naturalien-, Instrumenten- und Modellkammer geschaffen waren.
Die letzte Veröffentlichung von Lorenz Beger erschien 1704 und damit nach der Fertigstellung der Räumlichkeiten, die der Antiken- und Münzsammlung letztlich bis 1830 als Domizil dienen sollten. In diesem Band – die Numismata Pontificum Romanorum sind den neuzeitliche Münzen und Medaillen der Päpste gewidmet – findet sich erneut eine Ansicht des Münzkabinetts, eine diesmal halbseitige Vignette, die unabhängig von der bisher gezeigten, acht Jahre zuvor noch in der Planungs- und Umbauphase erstellten Idealansicht von Samuel Blesendorf erneut mit großem Detailreichtum aufwartet. Vermutlich besitzt der hier gezeigte Raum größere Nähe zu den tatsächlichen Gegebenheiten: es ist nicht mehr ein saalgroßer Eckraum, die Decke ist flach, der Boden gedielt, die Büsten stehen auf Postamenten und die Wandkonsolen fehlen bei der geringeren Raumhöhe ganz.
Erneut finden sich die vier Münzschränke mit den bekrönenden Figurengruppen – im Unterschied zur acht Jahre zurückliegenden Darstellung ist nun links vorne Apollo aufgestellt. Es sind also die kostbarsten, die Goldmünzen, deren Studium sich die beiden hohen Besucher soeben widmen, während der gleichfalls schon geöffnete Schrank rechts gegenüber die Silbermünzen bereithält.
Von den ehemals sechs genannten und gezeigten Tischen sind hier drei aufgestellt. Sie sind in allen Details identisch übernommen mit den sechs gewundenen Beinen, den drei Reihen von Schubkästen, den dichten Reihen von Grabgefäßen auf dem Unterboden, während auf den Tischen antike Skulpturen und Kleinbronzen zu erkennen sind, von denen sich etliche identifizieren lassen. Die Stücke stammen zum Großteil aus der 1696 erworbenen berühmten Antikensammlung des römischen Sammlers Giovanni Pietro Bellori (1613-1696), die 1698 in Berlin eintraf, um dann 1701 im dritten Band des Thesaurus Brandenburgicus Selectus ausführlich gewürdigt zu werden.
Als prominentes Beispiel sei hier die ägyptische Mumienmaske vorgeführt, die in dem Kupferstich von 1704 im Zentrum des vorderen Tisches aufgestellt ist.
Die Maske bedeckt Kopf und Brust der Mumie und besteht aus einer Art Kartonage. Die Einlagen der Augen aus Glas oder Fayence sind verloren, ebenso wie Teile der Augenbraueneinlagen. Der untere Teil der Perücke ist mit Szenen aus feinem Goldblech belegt, darunter die geflügelte Isis, die eine menschliche Figur auf einem Thron beschützt.
Lorenz Beger war über die Herkunft der Maske im Unklaren, und so schwankt er zwischen der Zuschreibung als Totenmaske oder der Verwendung bei einer Prozession zu Ehren von Isis und Osiris.
Wie die Mumienmaske haben sich nicht wenige der damals im Antikenkabinett versammelten Kunstwerke bis heute in den verschiedenen Spezialsammlungen der Berliner Museen erhalten. Ihre temporäre Zusammenführung bietet einen Epochen und Gattungen übergreifenden Eindruck wie er heute eher selten geworden ist. Der zeitliche Bogen spannt sich über mehr als 2.000 Jahre von der altägyptischen, über die etruskische, griechische und römische Antike bis zu den Lackarbeiten von Gérard Dagly und der Berliner Bildhauerkunst seiner Zeit.
Dieser Blogeintrag soll vorerst die der Ausstellung gewidmete Reihe beenden. Zum Ausklang der Laufzeit möchte ich noch eine besondere Führung ankündigen, die sich einer schönen Anregung aus diesem Forum verdankt. Am Samstag, den 8. Oktober werden Herr Prof. Ruitenbeek, Direktor des Museums für Asiatische Kunst, und ich eine gemeinsame Führung durch die Ausstellung anbieten. Zu den näheren Details melden Sie sich wegen der begrenzten Teilnehmerzahl bitte bei mir an (a.stiegel@smb.spk-berlin.de).
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