Neue Ideen im Gepäck: Ralph Gleis wird Leiter der Alten Nationalgalerie
Im Mai beginnt Ralph Gleis als neuer Leiter der Alten Nationalgalerie. Auf den Kunsthistoriker kommen ebenso anspruchsvolle wie spannende Aufgaben zu – wir haben ihn nach seinen Erwartungen und Wünschen gefragt.
Interview: Sven Stienen, Fotos: David von Becker
Herr Gleis, ab Mai treten Sie die Nachfolge von Philipp Demandt als Leiter der Alten Nationalgalerie an. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ralph Gleis: Die Alte Nationalgalerie ist für mich ein wahres Traummuseum, denn sie beherbergt eine exzellente Sammlung zur deutschen und europäischen Kunst des 19. Jahrhunderts in einem wunderbaren, darauf abgestimmten historischen Gebäude und sie hat ein gut aufgestelltes Team. Sie befindet sich zudem auf der einzigartigen Museumsinsel und gegenüber dem entstehenden Humboldt Forum in einem äußerst spannenden Umfeld. Ich freue mich ungemein, zunächst einmal in diesen Kosmos einzutauchen und mich bis ins Detail mit allen Eigenheiten des Museums vertraut zu machen.
Was erscheint Ihnen heute als die größte Herausforderung des Jobs?
In den Häusern der Nationalgalerie ist eine enorme Dynamik zu verspüren – nicht zuletzt durch den Wettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum. Diesen Impuls aufzunehmen und in eine Aktivierung der Alten Nationalgalerie und ihres Publikums zu übertragen, sehe ich als zentrale Aufgabe. Dabei sind die erfolgreichen Ansätze der bisherigen Leitung weiterzuentwickeln, die insbesondere mit der Ausstellung „Impressionismus – Expressionismus“ eine hohe Messlatte sowohl bezüglich des intellektuellen Contents wie auch bei den Besucherzahlen aufgelegt hat. Mein besonderes Augenmerk bei der angestrebten Öffnung der Sammlung für ein breites Publikum gilt neben den Ausstellungen auch den Bereichen Vermittlung und Digitalisierung.
Die Leitung der Alten Nationalgalerie ist sicher eine tolle und besonders erfüllende Aufgabe für einen Kunsthistoriker. Was haben Sie vorher gemacht?
Nach beruflichen Erfahrungen unter anderem in Berlin, Antwerpen und Bonn habe ich die letzten acht Jahre als Kurator im Wien Museum gearbeitet. Dort habe ich die umfangreichen Kunstsammlungen der Stadt Wien betreut, deren Schwerpunkt im langen 19. Jahrhundert liegen. Zunächst war ich als Kustos für die Malerei und Grafik mit Werken von Ferdinand Georg Waldmüller bis Gustav Klimt zuständig, dann für die Skulpturen von Franz Xaver Messerschmidt über Auguste Rodin bis Anton Hanak. Meine Ausstellungen waren unter anderem dem Wiener Biedermeier und dem großen Malerfürsten Hans Makart, aber auch kulturgeschichtlichen Phänomenen wie der Weltausstellung gewidmet.
Worauf dürfen sich die Besucher des Hauses einstellen, wenn Sie die inhaltliche Ausrichtung künftig mitgestalten?
Mir ist es ein Anliegen, ein abwechslungsreiches Programm jenseits des überholten kanonbasierten Spektrums zu bieten. Neben den unverzichtbaren Friedrich, Menzel und Liebermann dürfen es gerne auch einmal Namen sein, die nicht so bekannt sind, seien es Neuentdeckungen aus dem eigenen Bestand oder Künstlerinnen und Künstler aus dem Ausland, die einen neuen Blick auf die eigene Sammlung ermöglichen. Außer einer globalen vergleichenden Perspektive liegen mir auch Themenausstellungen am Herzen, die sich aus einer aktuellen gesellschaftlichen Relevanz ableiten. Dabei können auch kunstsoziologische und kulturhistorische Ansätze die kunsthistorische Perspektive ergänzen.
Wissen Sie schon, welches das erste größere Projekt – Ausstellung, Restaurierung, Forschung – sein wird, das unter Ihrer Leitung ansteht?
Natürlich komme ich mit zahlreichen Ideen im Gepäck, doch ist es für konkrete Antworten auf diese Frage noch zu früh. Zuerst werde ich mit meinem Team die gemeinsamen Vorstellungen und Möglichkeiten zu Projekten ausloten. Ich freue mich sehr auf den Dialog und kann aus ersten Gesprächen schon ableiten, dass wir die Forschung zum Werk von Casper David Friedrich intensivieren werden.
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