Späte Rettung für einen Erben des Hieronymus Bosch

Eines der Hauptwerke der Ausstellung „Hieronymus Bosch und seine Bilderwelt im 16. und 17. Jahrhundert“ in der Gemäldegalerie galt noch vor zwei Jahren als nicht ausstellbar. Der Restaurator Bertram Lorenz nahm sich des Kunstwerkes an und fand dabei spannende Einzelheiten heraus.

Die bizarren Bildwelten von Hieronymus Bosch begeistern seit jeher mit Drastik und Fantastik. Kein Wunder, dass die kleine Ausstellung „Hieronymus Bosch und seine Bilderwelt im 16. und 17. Jahrhundert“ in der Gemäldegalerie Anfang November einen sehr erfolgreichen Start hingelegt hat. Dabei hätte die Präsentation bis vor kurzem gar nicht stattfinden können: Eines der Hauptwerke, eine zeitgenössische Kopie des Triptychons mit der „Versuchung des heiligen Antonius“, befand sich in einem derart problematischen Erhaltungszustand, dass es als nicht ausstellungsfähig galt.

Die Schäden waren vorrangig während des Zweiten Weltkrieges entstanden, als das Gemälde in einem zu feuchten Luftschutzkeller unter dem Pergamonmuseum eingelagert wurde. Hier quollen die hölzernen Bildtafeln so stark auf, dass sie die Rahmen sprengten, sich Fugen und Risse öffneten und sich Schimmel auf der Oberfläche bildete. Beim Trocknen der Tafeln hob sich die Bildschicht aus Grundierung und Malerei in unzähligen, kleinsten Anhebungen von Untergrund ab. Ein späterer Versuch, das Kunstwerk durch einen Wachsanstrich zu schützen, verschlimmerte die Lage noch, da er die Oberfläche wasserabweisend machte und so weitere Anhebungen verursachte.

Vergilbter Firnis, braune Flecken
Ab dem Jahr 2014 zeichnete sich dann endlich Rettung für das Gemälde ab: Der Restaurator Bertram Lorenz nahm sich des Werks im Rahmen seiner Diplomarbeit an und gab ihm eine konservatorische und restauratorische Rundum-Behandlung. Lorenz nahm das schädliche Wachs behutsam mit Watterollern ab, festigte die Malerei unter dem Stereomikroskop mit Wärme und in Wasser gelöstem Störleim und schloss die Risse und geöffneten Fugen in den alten Eichenholztafeln. Auch ein alter, stark vergilbter Naturharzfirnis schmälerte die Farbigkeit und Wirkung des Bildes. Dessen vorsichtige Abnahme gelang dem Restaurator mit lösemittelgetränkten Mikrofasertüchern.

Abnahme des Wachsüberzugs mit Wattestäbchen. Foto: Bertram Lorenz
Abnahme des Wachsüberzugs mit Wattestäbchen. Foto: Bertram Lorenz
Erstes Fenster bei der Firnisabnahme. Foto: Bertram Lorenz
Erstes Fenster bei der Firnisabnahme. Foto: Bertram Lorenz

Die Leuchtkraft und der Detailreichtum der Malerei kamen so wieder zum Vorschein – allerdings offenbarten sich nun auch die farbveränderten Retuschen einer Restaurierung von 1841 und die in braunen Flecken erhaltenen Reste eines älteren Ölüberzuges. Erneut musste Bertram Lorenz unter dem Mikroskop mit Keramikskalpellen und spezieller, gelförmiger Seife den Schäden zu Leibe rücken. Anschließend wurden auf den Bildflächen über 700 Fehlstellen gekittet und farblich integriert. Um der Malerei wieder Schutz und Farbtiefe zu verleihen, erhielten die Schauseiten des Triptychons nach der Retusche einen neuen Firnis. All diese Maßnahmen dauerten insgesamt fast zwei Jahre und erbrachten neben der Wiederherstellung des Triptychons auch interessante neue Erkenntnisse zu dem Objekt.

Bertram Lorenz bei der Retusche. Foto: Bertram Lorenz
Bertram Lorenz bei der Retusche. Foto: Bertram Lorenz

Arbeitsteilung in Antwerpen
Mithilfe eines Elementemappings unter dem Rasterelektonenmikroskop analysierte das Rathgen-Forschungslabor einige der verwendeten Pigmente, die auch in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts benutzt wurden. Dazu gehörten Kreide, Bleiweiß, Azurit, roter und gelber Ocker und Pflanzenschwarz.

Auch das Alter der Tafeln konnte mit einer dendrochronologischen Messung ermittelt werden. Dabei werden die Jahresringe in historischen Hölzern mit Jahresring-Datenbanken abgeglichen, um durch das unverwechselbare Profil eine genaue Bestimmung des Jahres zu ermöglichen, in dem das Holz geschnitten wurde – im Falle des Triptychons stammt das Eichenholz aus dem Baltikum und wurde wahrscheinlich ab dem Jahr 1561 bemalt.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts befand sich das größte niederländische Zentrum für Gemäldekopien in Antwerpen. Hier wurden zur Steigerung der Produktivität die einzelnen Arbeiten von verschiedenen Gewerken ausgeführt; der Tafelmacher stellte die Eichenholztafeln und oft auch deren Rahmen her und eine weitere Werkstatt grundierte sie, bevor die Malerwerkstatt die eigentliche Bemalung ausführte. Der Kopist des Antonius-Triptychons ist leider unbekannt geblieben, allerdings finden sich von ihm Fingerabdrücke in der blauen Farbe des Himmels, am oberen Bildrand der Mitteltafel.

Protestantische Auftraggeber
Während der Künstler unbekannt bleibt, konnte Bertram Lorenz die Auftraggeber des Kunstwerkes identifizieren, denn auf den Rückseiten der Bildtafeln finden sich Familienwappen der protestantischen Kaufmannsfamilie Pilgram, die um 1550 aus dem niederländischen s´Hertogenbosch nach Nürnberg gezogen war. Die Bosch-Kopie wurde von Mitgliedern der Familie wahrscheinlich anlässlich einer Hochzeit zwischen Gerhard Pilgram und Susanna Cublier bestellt, die 1576 in der protestantischen Stadtkirche St. Sebald zu Nürnberg stattfand. Nachträglich wurde auf dem Wappen des Stifters noch eine Krone ergänzt, was vermutlich durch seine Erhebung in den Adelsstand im Jahr 1577 veranlasst war.

Neben der restauratorischen Arbeit am Bild beschäftigte sich Bertram Lorenz auch mit dem Rahmen. Unterstützt durch ein erfolgreiches Crowdfunding des Kaiser Friedrich Museumsvereins baute er die Rahmen selbst nach und widmete sich dabei intensiv der Frage, wie die verlorenen Originalrahmen einmal ausgesehen haben könnten. Da die Tafeln des Triptychons unterschiedlich groß sind, müssen sie ursprünglich durch verschieden breite Rahmen ausgeglichen worden sein. Damit alle gerahmten Tafeln gleich hoch sind und sich die Flügel bündig schließen lassen, muss die Mitteltafel einen 8,45 cm breiten, die Flügel jeweils einen 3,5 cm breiten Bilderrahmen gehabt haben. Doch warum gab es diese unterschiedlichen Abmessungen?

Bosch-Monster auf dem Rahmen
Die schlüssigste Erklärung ist, dass man die Mitteltafel durch einen aufwendig verzierten Rahmen zusätzlich betonen wollte. Das wäre durchaus kein Einzelfall. Das schönste historische Beispiel für einen verzierten Rahmen aus der Nachfolge Boschs, der auch zeitlich dem Triptychon sehr nahe steht ist der von Pieter Huys 1554 bemalte Rahmen für sein „Jüngstes Gericht“ (Brüssel, Musées royaux des Beaux-Arts). Dessen mittlere schwarze Rahmenplatte ist aufwendig mit boschesken Monstern bemalt worden.

Mitteltafel nach Restaurierung mit neuem Rahmen nach Pieter Huys. Foto: Bertram Lorenz
Mitteltafel nach Restaurierung mit neuem Rahmen nach Pieter Huys. Foto: Bertram Lorenz

Um seine Theorie zu prüfen, dass die Berliner Antonius-Versuchung einmal einen ähnlich gestalteten Mittelrahmen besessen haben könnte, baute Lorenz den mittleren Rahmen in zwei Ausführungen: Einmal mit schwarzer Rahmenplatte und einmal mit Huys´schen Bosch-Monstern auf der Innenplatte. Zusätzliche Inspirationen und Vorbilder für die kleinen Malereien, die Lorenz selbst äußerst kunstvoll anfertigte, fand er in diversen Zeichnungen und Stichen von Bosch-Nachfolgern und auch in einer Originalzeichnung des Meisters aus dem Kupferstichkabinett. Der Rahmen mit den gemalten Monstergestalten ist zurzeit in der Kabinettausstellung in der Gemäldegalerie zu sehen.

Die erfolgreiche Restaurierung und die damit verbundene Wiedergewinnung des seit über 140 Jahren nicht mehr in Berlin gezeigten Triptychons mit der „Versuchung des hl. Antonius“ lieferte so einige neue Erkenntnisse zu dem alten Meister des Grotesken und bildete gleichzeitig den Ausgangspunkt für die Ausstellung „Hieronymus Bosch und seine Bilderwelt im 16. und 17. Jahrhundert“. Wer dieses Werk aus der Nachfolge Boschs im Kontext anderer Nachfolger und des Meisters selbst sehen will, hat dazu noch bis 19. Februar 2017 Gelegenheit.

Das Triptychon der
Das Triptychon der „Versuchung des hl. Antonius“ vor der Restaurierung. Foto: Bertram Lorenz
Das Triptychon der
Das Triptychon der „Versuchung des hl. Antonius“ nach der Restaurierung. Foto: Bertram Lorenz

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