Umgang mit Denkmälern. Das Berliner Büro von David Chipperfield Architects
Der britische Architekt David Chipperfield weiß, wie man denkmalgeschützte Gebäude für die Ansprüche des 21. Jahrhunderts rüstet. Unsere Redakteurinnen Constanze von Marlin und Anne Schmedding trafen sich zum Gespräch mit Martin Reichert, Partner im Berliner Büro, und Daniel Wendler, dem Projektleiter für die Neue Nationalgalerie.
In Berlin ist der 1953 in London geborene David Chipperfield seit seinem preisgekrönten Wiederaufbau des Neuen Museums auf der Museumsinsel kein Unbekannter, als sein Architekturbüro 2012 ausgewählt wird, die Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie durchzuführen. Vor allem die Berliner Projekte haben ihn weltweit für seinen sensiblen Umgang mit Denkmälern und seinen behutsamen Erweiterungen von Bestandsbauten bekannt gemacht. Der Wiederaufbau des Neuen Museums (1997–2009) und der Entwurf des Neubaus der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel in Berlin begründen diesen Schwerpunkt. Chipperfield ging es beim Neuen Museum darum, die Ruine in ihrer materiellen Authentizität zu bewahren, vorsichtig zu restaurieren und durch zeitgenössische Elemente zu einem neuen Ganzen zu ergänzen. „Das Neue ergänzt das Alte, behutsam, aber auch selbstbewusst“, so Chipperfield.
Ein junger Architekt aus London setzt sich durch
Die ersten Entwürfe von Chipperfield, die sich mit einem historischen Kontext auseinandersetzten, sind die Masterpläne für die Altstädte von Verona, Pisa und Salerno oder auch die Teilnahme am Wettbewerb zum Umbau eines Kraftwerks zur Tate Modern in London. Trotzdem war der britische Architekt, als er 1993 eingeladen wurde, am Wettbewerb Museumsinsel teilzunehmen, noch kein ausgewiesener Experte für das Bauen mit Denkmälern, sondern ein relativ unbekannter junger Architekt aus London. Im entscheidenden Gutachterverfahren 1997/98 kann er sich gegen Konkurrenten wie Giorgio Grassi und den amerikanischen Stararchitekten Frank Gehry durchsetzen. Sein gemeinsam mit Julian Harrap entwickeltes, sensibles Konzept des Umgangs mit dem denkmalgeschützten Bestand überzeugt auch im Hinblick darauf, dass die Museumsinsel zu dem Zeitpunkt schon auf der Tentativliste zum Weltkulturerbe stand und 1999 zum Weltkulturerbe erklärt wird.
Im selben Jahr fällt die Entscheidung, das Projekt Neues Museum nicht von London aus zu realisieren. Zu komplex ist die Bauaufgabe, zu intensiv die Absprachen mit Bauherrn und Nutzern und zu detailreich die Belange des Denkmalschutzes. Die selbständige GmbH „David Chipperfield Architects Gesellschaft von Architekten“ wird gegründet und residiert zunächst in zwei Containern auf der Museumsinsel, Ende 1999 erfolgt der Umzug in „richtige“ Büroräume. 2001 gab es eine einjährige Unterbrechung in der Planungs- und Bauphase des Neuen Museums und 20 angestellte Architekten, die bis dahin nur für das eine Projekt tätig waren, hatten auf einmal nichts zu tun. Die Beteiligung an Wettbewerben war die Konsequenz, Aufträge wie für das Literaturmuseum der Moderne in Marbach am Neckar (2002-06) oder das Empire Riverside Hotel in Hamburg (2002–07) folgen. Aus einem Projektbüro wurde endgültig ein autonomes Büro in Berlin.
Berlin wurde feste Größe im Kosmos Chipperfield
2003 fiel die Entscheidung dauerhaft in der deutschen Metropole zu bleiben, der Gewerbehof in der Joachimstraße wurde gekauft und über mehrere Jahre baulich erweitert. 2011 erfolgt die Partnerschaft mit Christoph Felger, Harald Müller, Mark Randel, Martin Reichert, Eva Schad und Alexander Schwarz, die das Berliner Büro gemeinsam mit David Chipperfield aufgebaut haben. Berlin ist damit im Kosmos von David Chipperfield Architects eine feste Größe geworden, die Kantine im Hof wird nicht nur von den Mitarbeitern gerne besucht. 140 Mitarbeiter arbeiten inzwischen für das Berliner Büro des britischen Architekten, es ist damit inzwischen fast doppelt so groß wie das 1985 gegründete Stammhaus in London neben weiteren Büros in Mailand und Shanghai. Von Berlin aus werden weltweit Projekte betreut, der Schwerpunkt liegt neben Europa im asiatischen Raum.
Was David Chipperfield Architects ausmacht und für den Auftrag der Grundinstandsetzung der denkmalgeschützten Neuen Nationalgalerie geradezu prädestiniert, ist die ungewöhnliche Symbiose von hoher Entwurfsqualität und einer exzellenten handwerklichen Qualifikation im Bereich der Denkmalpflege. Martin Reichert, einer der fünf Partner des Berliner Büros, beschreibt es so: „Viele der denkmalpflegerischen Entscheidungen haben auch ästhetische Implikationen und müssen deshalb innerhalb des Entwurfsprozesses mit betrachtet werden. Der Entwurf in der Baudenkmalpflege zeigt sich dabei nicht nur bei den realisierten Maßnahmen, sondern auch in dem bewussten Verzicht auf größere Eingriffe und bauliche Ergänzungen.“
Text: schmedding.vonmarlin.
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