Maria Sibylla Merian: Starke Frau im Bann der Falter

Ende des 17. Jahrhunderts wagte Maria Sibylla Merian Ungeheuerliches: Auf eigene Faust reiste sie ins südamerikanische Surinam und erforschte tropische Insekten und Pflanzen. Das Kupferstichkabinett zeigt nun in einer Ausstellung ihre schönsten Zeichnungen und Stiche.

Die Europäerinnen müssen mit ihren voluminösen Barock-Kleidern inmitten des Regenwalds von Surinam sehr deplatziert gewirkt haben: Maria Sibylla Merian und ihre Tochter Dorothea unternahmen im Jahr 1699 eine waghalsige Reise in die Niederländische Kolonie, um die Tier- und Pflanzenwelt der Tropen zu studieren und zu zeichnen.

Fast zwei Jahre verbrachten die Frauen in Südamerika und trotzten nicht nur körperlichen Strapazen bis hin zur Malaria, sondern auch gesellschaftlichen Konventionen, denn sie waren auf eigene Faust unterwegs. Merian war die erste Frau, die eine solche Forschungsreise unternahm – und sie legte mit ihrer Arbeit auch eine wichtige Basis für die Naturforschung.

Das Ergebnis der Surinam-Reise wie des gesamten Forscherlebens Merians sind wunderbare, detaillierte Stiche und Zeichnungen von Insekten und Pflanzen, die das Kupferstichkabinett ab dem 7. April in der Ausstellung „Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes“ zeigt.

Maria Sibylla Merian, Banane - Blüte und Fruchtstand, Kupferstich, aus „Metamorphosis insectorum Surinamensium; Ofte verandering der surinaamsche insecten“, Amsterdam 1705, Faks.-Ausg. nach d. Exemplar d. Sächs. Landesbibliothek zu Dresden, Leipzig, Frankfurt a.M., © bpk / Staatsbibliothek zu Berlin / Ruth Schacht
Maria Sibylla Merian, Banane – Blüte und Fruchtstand, Kupferstich, aus „Metamorphosis
insectorum Surinamensium; Ofte verandering der surinaamsche insecten“, Amsterdam 1705,
Faks.-Ausg. nach d. Exemplar d. Sächs. Landesbibliothek zu Dresden, Leipzig, Frankfurt a.M., ©
bpk / Staatsbibliothek zu Berlin / Ruth Schacht

Faszination für die Wunder der Natur
Maria Sibylla Merian wurde 1647 in eine der wichtigsten Verlegerfamilien des 17. Jahrhunderts hineingeboren. Ihr Vater, der Basler Maler und Kupferstecher Matthäus Merian der Ältere, hatte 1624 das erfolgreiche Druckhaus seines Schwiegervaters Johann Theodor de Bry übernommen und zu einem führenden Verlag in Oppenheim und Frankfurt am Main weiter entwickelt. Hier erschienen zahlreiche große und reich bebilderte Publikationen: Bücher zur Alchemie, frühe naturkundliche Werke und floristische Blumenbücher.

In einer solchen Kinderstube war Maria Sibylla schon früh von Kunst und Büchern umgeben und entwickelte bald eine besondere Faszination für die Wunder der Natur. Sie begann, Raupen und ihre Metamorphosen zum Schmetterling zu beobachten und dokumentieren.

Maria Sibylla Merian, Granatapfel und Schmetterlinge, Kupferstich, aus „Metamorphosis insectorum Surinamensium; Ofte verandering der surinaamsche insecten“, Amsterdam 1705, Faks.-Ausg. nach d. Exemplar d. Sächs. Landesbibliothek zu Dresden, Leipzig, Frankfurt a.M., © bpk / Staatsbibliothek zu Berlin / Ruth Schacht
Maria Sibylla Merian, Granatapfel und Schmetterlinge, Kupferstich, aus „Metamorphosis
insectorum Surinamensium; Ofte verandering der surinaamsche insecten“, Amsterdam 1705,
Faks.-Ausg. nach d. Exemplar d. Sächs. Landesbibliothek zu Dresden, Leipzig, Frankfurt a.M., ©
bpk / Staatsbibliothek zu Berlin / Ruth Schacht

„Zunächst begann ich mit Seidenraupen in meiner Geburtsstadt Frankfurt am Main“, schrieb sie später in ihrem berühmten Buch über die Insekten Surinams, „danach stellte ich fest, dass sich aus anderen Raupenarten viel schönere Tag- und Eulenfalter entwickelten als aus Seidenraupen. Das veranlasste mich, alle Raupenarten zu sammeln, die ich finden konnte, um ihre Verwandlung zu beobachten.“

Blumenmalerin und Naturforscherin
Maria Sibylla wurde durch den zweiten Mann ihrer Mutter, den Maler Jacob Marrel, zur Blumenmalerin ausgebildet und beschäftigte sich fortan immer wieder mit der Blumenmalerei und Kupferstecherei und mit der Insektenkunde. Sie schuf Stillleben auf Pergament, handelte mit Malutensilien, gab Zeichenunterricht und edierte Kupferdrucke für eigene Publikationen.

Als Ausdruck ihrer Verbundenheit mit ihrer Familien- und Verlagsgeschichte führte Maria Sibylla Merian lebenslang ihren Geburtsnamen. Sie verband mit ihm eine Leidenschaft für ihre eigene publizistische Arbeit und gab zahlreiche Bücher heraus – oft in mehreren, unterschiedlich ausgestatteten und kolorierten Versionen.

Maria Sibylla Merian, Portrait, Gemälde (o.J.), © bpk
Maria Sibylla Merian, Portrait, Gemälde (o.J.), © bpk

Inspiriert wurde Maria Sibylla durch eine reiche Tradition naturkundlicher Darstellungen in Büchern und in Einzelwerken auf Papier und Pergament. Sie nahm sie in ihren eigenen künstlerischen und wissenschaftlichen Beobachtungen und Bilderfindungen auf und entwickelte sie weiter. Dabei schuf sie auch neue Bildvorstellungen, die ihrerseits weiter wirkten.

„Ein heißes und feuchtes Land“
Ihr späteres Leben führte Maria Sibylla über eine Heirat und mehrere Jahre in Nürnberg nach Amsterdam, wo sie – inzwischen versierte Künstlerin und getrennt lebend – erstmals mit den fremdartigen Insekten aus Surinam in Berührung kam: „In Holland sah ich jedoch voller Verwunderung, was für schöne Tiere man aus Ost- und West-Indien kommen ließ“, erinnert die Forscherin sich später.

Voller Begeisterung für die exotischen Lebewesen fasst sie einen Entschluss: „Das alles hat mich dazu angeregt, eine große und teure Reise zu unternehmen und nach Surinam zu fahren (ein heißes und feuchtes Land …), um dort meine Beobachtungen fortzusetzen.“

Als Maria Sibylla Merian vor 300 Jahren, im Januar 1717, starb, waren neben ihrem Blumenbuch und zwei von drei Raupen-Büchern unzählige Drucke ihrer Illustrationen erschienen – und ihr berühmtestes Werk „Metamorphosis insectorium surinamensium“, in dem sie die exotische Natur Surinams in farbenfrohen und delikaten Darstellungen präsentierte. Einige der bis heute faszinierenden Werke dieser außergewöhnlichen Frau sowie anderer KünstlerInnen werden nun zunächst im Berliner Kupferstichkabinett und anschließend im Städel Museum in Frankfurt zu sehen sein.

Maria Sibylla Merian, Einzelne Tulpenblätter, Aquarell- und Deckfarben auf Pergament, Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin, © bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Dietmar Katz
Maria Sibylla Merian, Einzelne Tulpenblätter, Aquarell- und Deckfarben auf Pergament,
Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin, © bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Dietmar
Katz

Kommentare

    Kommentare

  • Wunderbar! Sehenswert! Bitte schützen! Die enorm farbenfrohe und aparte Farbgebung der Aquarelle kommen in den Fotografien sogar herüber.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten ausschließlich für die Anfrage genutzt werden. Insbesondere erfolgt keine Weitergabe an unberechtigte Dritte. Mir ist bekannt, dass ich meine Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Dies kann ich über folgende Kanäle tun: per E-Mail an: kommunikation[at]smb.spk-berlin.de oder postalisch an: Staatlichen Museen zu Berlin – Generaldirektion, Stauffenbergstraße 41, 10785 Berlin. Es gilt die Datenschutzerklärung. der Staatlichen Museen zu Berlin, die auch weitere Informationen über Möglichkeiten zur Berichtigung, Löschung und Sperrung meiner Daten beinhaltet.

Kommentare