Bis in die Haarspitzen: Die Kunst des Braidings im Kunstgewerbemuseum
Die oft kunstvollen und komplexen Flechtfrisuren des Braiding sind für die Afro-Community nicht nur eine Frage der Ästhetik – sondern häufig auch politisches Statement. Anlässlich der Ausstellung „Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design“ im Kunstgewerbemuseum sprachen wir mit einer Braiderin über ihr Handwerk und seine Rolle für die Community.
Text: Beatrace Angut Oola & Helen Gimber, Fashion Africa Now
Am Eröffnungsabend der Ausstellung Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design konnten Besucher*innen im Kunstgewerbemuseum live erleben, wie die beiden Haar-Stylistinnen Awa Kaloga and Mariama Faye den Gewinnerinnen des #BraidMyHair-Wettbewerbs kunstvolle Flechtfrisuren verpassten. Die Technik der beiden nennt sich Braiding und sie hat eine jahrtausendealte Geschichte. „Braiding ist eine Kunstform, in der drei Stränge Haar ineinander verflochten werden. Es gibt verschiedene Styles, die man entweder mit oder ohne Kunsthaar einflechten kann.“, erklärt Awa Kaloga.
Für viele People of Colour ist es ein politisches Statement, sich die Haare nicht relaxen – also glätten – zu lassen, sondern natürlich (natural) zu tragen. Haar und Haarstyling waren ein zentraler Schauplatz kolonialer Machtausübung, sie wurden diszipliniert, reglementiert und dem westlichen, eurozentrischen Schönheitsideal unterworfen. Dies prägt noch heute den Diskurs um Afro-Haar. Aber traditionelle Afro-Hairstyles, die durch Kolonialismus und die Versklavung von Menschen teilweise fast in Vergessenheit geraten sind, werden heute erneut verbreitet und zelebriert.
Die Natural-Hair-Bewegung erlebt seit Jahren Zuwachs. Influencer*innen bieten tausenden von Follower*innen regelmäßig Tipps zur Pflege von Natural-Hair auf YouTube und Instagram an. Viele werden zu Entrepreneur*innen und verkaufen selbst entwickelte Haarpflege-Produkte. Haarstyling wird genutzt, um Kreativität und Identität auszudrücken. Haar rückt auch als künstlerisches Material verstärkt in den Fokus – wie das konkret aussehen kann, ist in der Ausstellung Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design im Kunstgewerbemuseum zu sehen. Kurz vor der Eröffnung sprachen wir mit der Braiderin Awa Kaloga über die Bedeutung der Braiding-Technik.
Wann hast du Braiding gelernt und wie es ist zu deinem Beruf geworden?
Awa: Ich habe mit sieben Jahren angefangen zu braiden. Am Anfang habe ich es
nur für meine Schwestern und Freund*innen gemacht, aber es hat sich
bald herumgesprochen und es kamen mehr Leute. Heute ist es meine
Leidenschaft.
Was verstehst du als Aufgabe einer Braiderin?
Als Braid Artist ist es meine Aufgabe, meinen Kund*innen ein neues
Erlebnis zu bieten, das sie woanders nicht bekommen. Für mich ist es
wichtig, dass alle sich wohlfühlen und einen schönen Tag zusammen
verbringen. Die zwischenmenschliche Ebene muss stimmen, da man während
einer Sitzung für mehrere Stunden zusammen in einem Raum sitzt. Es
werden Kindheitserinnerungen, lustige Erlebnisse oder Musiktipps geteilt
und alle haben Spaß. Am Ende der Session sollen die Kund*innen sich
wunderschön und gut fühlen.
Euer
Salon heißt NYA Braid Bar & Salon. Die Abkürzung steht für Not Your
Average, also nicht durchschnittlich. Eines eurer erklärten Ziele ist
es, die Afro-Community zu stärken, zu empowern und zu connecten. Wie
habt ihr zusammengefunden und wie sieht eure Community-Arbeit konkret
aus?
Meine Partnerin Emily hat mich auf Instagram gefunden
und sich bei mir die Haare machen lassen. Daraufhin fragte sie mich, ob
ich Lust hätte, mit ihr ein Business zu starten – und so war NYA
geboren.
Braiding ist ein sehr langer Prozess, bei dem es sehr
schnell langweilig werden kann, wenn man keine Beschäftigung hat. Wir
haben öfter mehrere Kund*innen hintereinander, dadurch startet ganz von
selbst eine Konversation und man findet schnell Gemeinsamkeiten. Ich
persönlich habe auch Freunde durch Braiding gewonnen.
Was sind deine Lieblingsstyles beim Braiden, für dich selbst aber auch zum Arbeiten?
Mein Lieblingsstyle für mich selbst sind Faux-Locs, weil sie sehr natürlich aussehen und langanhaltend sind. Bei Kund*innen habe ich am meisten Spaß an komplexeren Styles wie Fulani Braids oder anderen Cornrow-Styles, weil ich jedes Mal mein Perfektionismus testen kann.
Wem sollte man unbedingt folgen, wenn man etwas Inspiration möchte?
Der Hairstylist @jawaraw hat eine sehr schöne Seite, die mich immer wieder inspiriert, Neues
auszuprobieren und keine Angst vor Accessoires zu haben. Außerdem ist @africancreature eine sehr talentierte Künstlerin.
Wie siehst du die Zukunft des Braidings in Berlin und was wünschst du dir für die Braiding-Community?
Ich hoffe, dass sich mehr Menschen trauen, Braids zu tragen und mit
ihnen zu experimentieren. Ich wünsche mir auch, dass es mehr Auswahl an
Produkten und Salons gibt. Wir haben es hier zu schwer, einen guten
Friseur, eine gute Friseurin oder die richtigen Produkte zum richtigen
Preis zu finden.
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Erfahre mehr zur vielseitigen Welt des Afro-Haarstylings in der Ausstellung „Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design“ – bis zum 1. Dezember im Kunstgewerbemuseum zu sehen.
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