Der Elch vom Hansaplatz im Neuen Museum

Heute vor 60 Jahren wurde beim Bau einer U-Bahn-Linie am Berliner Hansaplatz das Skelett eines riesigen eiszeitlichen Elchs gefunden. Seit damals hat sich der „Elch vom Hansaplatz“ zu einer der großen Attraktionen im Museum für Vor- und Frühgeschichte auf der Museumsinsel entwickelt.

Der Elch vom Hansaplatz war gigantisch. Allein das kapitale Schaufelgeweih dieses Breitstirnelchs erreichte eine Spannweite von ca. 1,50 Metern und wog bis zu 20 Kilo. Die beachtliche Körperlänge von 2,70 Metern war im Verhältnis zu seinen Beinen noch recht kurz. Dank dieses Körperbaus, mit langen Beinen und Hufen mit stark gespreizten Zehenknochen, konnte er über feuchten Boden und tiefen Schnee laufen, ohne einzusinken. Beides stellt eine Anpassung an die sehr ungemütlichen Bedingungen der späten Eiszeit in Europa dar, in der weitläufige Tundren allmählich von sich ausbreitenden nordischen Wäldern verdrängt wurden. Dass unser Elch zu dieser Zeit, der Jüngeren Dryas- oder Tundrazeit, gelebt hatte, verriet seine Fundsituation in entsprechenden Bodenschichten, zusammen mit einer exakten C-14-Messung im Leibniz-Labor der Universität Kiel.

Der Elch in einer älteren Präsentation des Museums für Vor- und Frühgeschichte. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Claudia Plamp
Der Elch in einer älteren Präsentation des Museums für Vor- und Frühgeschichte. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Claudia Plamp

Entdeckt wurde der mächtige Elch vor genau 60 Jahren: Am 16. Mai 1956 stießen Bauarbeiter bei den Arbeiten an der damals völlig neuen U-Bahn „Linie G“ – der heutigen U9 – auf Knochen, die sich bei ihrer Freilegung als vollständig erhaltenes Skelett entpuppten – eine kleine Sensation. Im Museum für Vor- und Frühgeschichte wurde das Elchskelett wieder zusammengesetzt und ist seither eines der größten und imposantesten Objekte in der Sammlung. Seit der Wiedereröffnung des Neuen Museums im Jahr 2009 ist es ein Publikumsmagnet der dortigen Dauerausstellung im Saal der Steinzeiten.

So wird der Elch vom Hansaplatz heute im Neuen Museum präsentiert. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte
So wird der Elch vom Hansaplatz heute im Neuen Museum präsentiert. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte

Jäger und Sammler waren den Tieren auf der Spur
Die Lebenszeit des Elchs vor etwa 11.000 Jahren war durch starke klimatische Veränderungen geprägt. Bäume wie Birke und Kiefer drangen in die eisfrei gewordene norddeutsche Tundra vor und bildeten Wälder – es muss eine sehr raue, archaische Landschaft gewesen sein. Ein Zeichen dafür, dass es auch im Berliner Raum Klimaschwankungen gegeben hat und neben kalter Tundra phasenweise feuchtwarmes Wetter vorherrschte, ist der Fund einer Sumpfschildkröte, deren Überreste damals ebenfalls am Hansaplatz zu Tage gefördert wurden. Der Panzer ist gemeinsam mit dem Elchskelett in der Dauerausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte zu sehen.

Nichtsesshafte Jäger der sogenannten Ahrensburger Kultur durchstreiften damals unser Stadtgebiet, immer auf der Suche nach essbaren Pflanzen und jagdbarem Wild. Diese Menschen fertigten auch einen besonders interessanten Fund: Eine angespitzte Rentier-Geweihstange von 28 cm Länge, die ihnen vermutlich als Stoßwaffe diente.
Bereits in der Altsteinzeit haben die Menschen Elche beobachtet und sicher auch gejagt. Das belegen zum Beispiel Höhlenzeichnungen wie die einer Elchkuh in der Höhle von Gargas in Frankreich, die einer C-14-Datierung zufolge etwa 24.640 Jahre alt ist.

Nachbildung einer Höhlenmalerei mit Rentieren aus der Höhle von Font le Gaume, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich; um 12 000 - 11 000 v. Chr., mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe
Nachbildung einer Höhlenmalerei mit Rentieren aus der Höhle von Font le Gaume, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich; um 12 000 – 11 000 v. Chr., mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe

Ein weiteres kleines Kunstwerk vom Ende der Eiszeit ist der „Bernsteinelch von Weitsche“, der heute im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover präsentiert wird. Die kleine, geweihlose Figur einer Elchkuh aus Bernstein wurde zwischen 1994 und 2004 bei Ausgrabungen in der Nähe von Hitzacker gefunden und wurde in der ausgehenden Altsteinzeit von frühen Waldjägern hergestellt, die aufgrund ihrer charakteristisch-federförmigen Steinwerkzeuge als Federmesser-Gruppen bezeichnet werden. Zu dieser Zeit waren bereits innovative Technologien wie Pfeil und Bogen oder Speerschleudern in Gebrauch, mit denen Jagd unter anderem auf die majestätischen Riesenelche gemacht wurde.

Nachbildung einer Gravierung eines Bären nach einem Original aus der Höhle von Les Combarelles, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich, um 12 000 v. Chr., Mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe
Nachbildung einer Gravierung eines Bären nach einem Original aus der Höhle von Les Combarelles, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich, um 12 000 v. Chr., Mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe

Eine faszinierende Reise in die Vergangenheit
Die französische Höhlenzeichnung, ebenso wie die niedersächsische Bernsteinfigur, die übrigens einmal zur Datierung einer ähnlichen Pferde-Figur aus der Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte herangezogen wurde, wird in den Vitrinen unserer Dauerausstellung als Abbildungen gezeigt.

Anlässlich des Jahrestages der Entdeckung des Elchs vom Hansaplatz werden im Neuen Museum nun in zwei Vitrinen außerdem einige der Funde gezeigt, die damals am Hansaplatz ausgegraben wurden. Alle diese Funde sind bedeutend für die Rekonstruktion von Flora, Fauna und Klima am Ende der letzten Eiszeit im Berliner Raum – so ermöglichen sie eine faszinierende Reise in die Vergangenheit, als zwischen Alex und Brandenburger Tor noch Jägersippen, Säbelzahnkatzen und Riesenelche unterwegs waren.

Ein Diorama zeigt die Rekonstruktion eines Mammutjägerlagers, nach Grabungsbefunden in Dolni-Vestonice/Unterwisternitz, Mähren, wo eine Jagdstation des Gravettien (ca. 31.000-25.000 v. Chr.) aufgedeckt wurde. So ähnlich könnten auch die Lager der Jäger ausgesehen haben, die in der Mitteleuropäischen Tundra unterwegs waren. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe
Ein Diorama zeigt die Rekonstruktion eines Mammutjägerlagers, nach Grabungsbefunden in Dolni-Vestonice/Unterwisternitz, Mähren, wo eine Jagdstation des Gravettien (ca. 31.000-25.000 v. Chr.) aufgedeckt wurde. So ähnlich könnten auch die Lager der Jäger ausgesehen haben, die in der Mitteleuropäischen Tundra unterwegs waren. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe

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