Friedrichswerdersche Kirche:

Ein Dokument der Geschichte

Die Friedrichswerdersche Kirche heute. © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Die Friedrichswerdersche Kirche war lange wegen Sanierung geschlossen. In diesem Sommer soll sie wieder eröffnen, am 18. und 19. Januar gibt es beim Tag der offenen Tür erste Blicke in den Schinkel-Bau. Eine gute Gelegenheit für einen Blick zurück auf die bewegte Geschichte dieses Hauses.

Text: Christof Hannemann

Anfangs als Kirche für zwei Konfessionen geplant, von Karl Friedrich Schinkel nach den Wünschen des Königs Friedrich Wilhelm III. entworfen und gebaut, anschließend schwer von Bomben getroffen und in der Endphase der DDR wieder errichtet hat die Friedrichswerdersche Kirche eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Sie steht nicht nur für einen sakralen Bau, sondern ist ein bedeutsames Zeugnis preußischer und deutscher Geschichte. Nach mehrjähriger Bauzeit öffnet die Friedrichswerdersche Kirche endlich wieder ihre Pforten, sodass es ab Sommer 2020 wieder heißen kann: „Ihr Besucherlein kommet“.

Ein Haus, zwei Konfessionen

Ursprünglich war der Friedrichswerder eine kleine schmale besiedelte Insel am Rand des westlichen Festungsgrabens innerhalb der damaligen Residenzstadt Berlin. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der zum Glück um Berlin einen Bogen gemacht hat, fehlte es überall an Leuten. Da kam die neuerliche Hugenottenverfolgung in Frankreich dem Großen Kurfürsten von Brandenburg, Wilhelm Friedrich, gerade recht. Mit dem Edikt von Potsdam im Jahr 1685 lockte er zahlreiche Hugenotten, die dem calvinistischem Glauben anhingen, nach Preußen und insbesondere nach Berlin. Er versprach ihnen neben der Religionsfreiheit und Ausübung ihres Kultus noch eine zeitweilige Steuerbefreiung und das Bürgerrecht. Die vornehmlich handwerklich ausgebildeten und vermögenden Hugenotten sollten die leeren Staatskassen wieder füllen und so wurden sie vorrangig in der neugegründeten Friedrichstadt angesiedelt. Mit dem Bevölkerungswachstum wurde auch der Wunsch nach der Religionsausübung immer lauter, also wurde sowohl der deutschen lutheranischen Gemeinde auf dem Friedrichswerder, als auch den neuen französischen calvinistischen Nachbarn das ehemalige „kurfürstlich lange Stallgebäude“ als Kirche zugewiesen. Dieses Gebäude teilten sich beide Konfessionen einvernehmlich über 100 Jahre lang. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Simultankirche derart baufällig, dass man den Abriss beschloss.

Kupferstich aus dem Jahr 1760 der Simultankirche auf dem Friedrichswerder von Johann David Schleuen.

Eine neue Kirche muss her, aber wie?

Die Befreiungskriege gegen Napoleon sind im Jahr 1814 überstanden und der Wiener Kongress ordnete Mitteleuropa neu. Es herrschte Aufbruchsstimmung in Preußen. Ein neues Selbstbewusstsein sollte das vom Krieg gebeutelte Königreich wieder einen. König Wilhelm III. von Preußen forderte Entwürfe und Pläne für den Neubau der Kirche und hielt am Konzept der Simultankirche fest. Karl Friedrich Schinkel, zu dieser Zeit bereits Geheimer Oberbaurat von Preußen und verantwortlich für die öffentlichen Bauten im Königreich, bewertete die eingereichten Entwürfe recht kritisch und reichte seinerseits einen eigenen Entwurf für den Kirchenneubau ein. Schinkels Gotik-Phase war zu diesem Zeitpunkt vorüber und er wandte sich wieder den antiken griechischen und römischen Anlagen zu.

Der erste Entwurf Schinkels zur Friedrichswerderschen Kirche im Stil eines römischen Tempels. © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Wolfram Büttner

Allerdings fanden sämtliche Entwürfe beim König keinen Zuspruch und so lag das Projekt „Friedrichswerdersche Kirche“ erst mal auf Eis. Ein Jahr darauf nahm Schinkel unter gutem Zureden des Kronprinzen erneut Anlauf und verarbeitete den Wunsch des Königs, eine Kirche im Stil des Mittelalters zu bauen, in einem „antikisierendem Gotikstil“. Darin vereinte er antike Elemente im größtenteils gotisch anmutenden Bau, wie beispielsweise die angedeuteten korinthischen Säulenkapitelle und die Akanthusblätter am Hauptgesims. Mit diesem „Kniff“ konnte er den König von seinem Entwurf überzeugen und erhielt den Zuschlag für den Bau. Im Jahr 1824 konnten die Bauarbeiten der ersten neugotischen Kirche Berlins beginnen.

Der ursprüngliche Grundrissplan mit den beiden getrennten Innenräumen. © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Nachlass Schinkel

Schinkels Improvisationskunst war gefragt

Die knappen Staatskassen nach den napoleonischen Befreiungskriegen waren auch für den Bau der „Kirche am Werderschen Markt“ maßgebend. Die nobel anmutenden großen Sandsteinblöcke im Innenraum der Kirche sind lediglich auf dem Putz aufgemalt, ebenso wie die Ziegel im Gewölbe. Die Arkaden der hölzernen Emporen sollten nach Schinkels Plänen aus Gusseisen bestehen. Während der Bauphase musste er jedoch auf eine Holzkonstruktion ausweichen, die aus kostengünstigen Nadelhölzern bestand und anschließend mit Eichenholz verkleidet wurde.

Der ursprüngliche Plan, ein Kirchenbau für zwei Konfessionen mit jeweils separaten Altarräumen und Eingängen zu errichten, wurde während der Bauphase im Jahr 1829 vom König wieder verworfen. Nun sollte die Kirche ungeteilt der lutheranischen und der französisch-reformierten Gemeinde dienen. Der Rohbau war zu diesem Zeitpunkt allerdings nach den alten Plänen fertig gestellt und der Zugang für die französische Gemeinde bereits eingerichtet. Davon zeugen noch heute die Portaltüren an der Ostfassade der Kirche. Somit musste Schinkel erneut improvisieren und den Innenraum umgestalten.

Ostfassade der Kirche mit dem ursprünglichen Zugangsportal für die französische Gemeinde. © Staatliche Museen zu Berlin, Institut für Museumsforschung / Günther Schauerte

1831 wurde die Kirche nach siebenjähriger Bauzeit vollendet. Die Berliner gewöhnten sich erst langsam an den neuen Anblick, auch wenn Schinkel mit seinem abgeflachten Dach eine neue Aussichtsplattform für die Besucher im Herzen Berlins und in Sichtweite zum Stadtschloss erschuf.
Die französische Gemeinde hielt nur vier Jahre lang in der gemeinsam genutzten Kirche ihre Gottesdienste ab. 1872 kauften die Lutheraner den Anteil der französischen Gemeinde auf und nutzten die Kirche bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Aufgemaltes Kreuzrippgewölbe mit imitierten Backsteinziegeln. © Staatliche Museen zu Berlin / Andres Kilger
Zerstörte Südfassade der Friedrichswerderschen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg 1948. © bpk / Friedrich Seidenstücker

Zerstörung und Wiederaufbau der Kirche

Der Weltkrieg hinterließ im Zentrum Berlins seine zerstörerischen Spuren. Das Berliner Stadtschloss wurde umfänglich zerstört und auch die Museumsinsel wurde erheblich von Bomben getroffen. Die Friedrichswerdersche Kirche blieb davon nicht unberührt. Eine Granate traf die Südseite der Kirche und die Fenster, Teile des Westturms und das erste westliche Langhausfenster wurden zerstört. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfolgte zwar eine notdürftige Sicherungsmaßnahme, die Kirche an sich blieb jedoch fast 34 Jahre als Ruine stehen. Im Jahr 1979 traf die DDR-Führung endlich eine Entscheidung. Anlässlich des bevorstehenden Schinkeljubiläums wollte man ein Gebäude des preußischen Star-Architekten präsentieren, das nicht nur in seiner äußeren Form erhalten geblieben ist, wie das Alte Museum und die Neue Wache, sondern auch in seiner inneren Ausgestaltung noch den originalen Ausführungen Schinkels entsprach. Die dafür angesetzten zwei Jahre Bauzeit erwiesen sich jedoch als illusorisch, da nach den Kriegswirren der Kenntnisstand zur Backsteintechnik kaum noch vorhanden war, vom herrschenden  chronischen Materialmangel mal ganz zu schweigen. Folglich wurde für das Schinkeljubiläum 1981 lediglich die Fassade notdürftig wiederhergestellt, um wenigstens etwas vorzeigen zu können. Knapp sechs Jahre später stand mit der 750-Jahr-Feier Berlins glücklicherweise der nächste Grund vor der Tür, um die Kirche in Gänze zu restaurieren. Nach den ersten Schadensanalysen und Planungen bekundeten die Staatlichen Museen zu Berlin, Hauptstadt der DDR, ihr Interesse, die Kirche zukünftig als Museum für Schinkel und die Skulpturen seiner Zeit zu nutzen. Nach Abschluss der Bauarbeiten bezog die Nationalgalerie die Friedrichswerdersche als Dependance für die Skulpturensammlung des 19. Jahrhunderts. Die berühmtesten Bewohner des neuen Hauses der Nationalgalerie waren die beiden Prinzessinnen Friederike und Luise, deren Originalgipsskulptur von Schadow dort ausgestellt wurde.

Die wachsende Entwicklung Berlins nach der Deutschen Einheit machte auch vor der altehrwürdigen Kirche Schinkels nicht Halt. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche entstanden ab 2012 die Kronprinzengärten, eine Luxuswohnanlage, die sich architektonisch an das benachbarte Kronprinzenpalais und Kommandantenhaus orientierte. Während des Aushubs einer 15 Meter tiefen Baugrube für die zweigeschossige Tiefgarage der Kronprinzengärten entstanden durch starke Vibrationen im Boden tiefe Risse im Fundament der Friedrichswerderschen Kirche, die nur notdürftig mittel Zementeinpumpung stabilisiert werden konnten. Auch die Gewölbe und Pfeiler wurden durch die Schwingungen derart gefährdet, dass einzelne Teile herabstürzten. Die Kirche wurde umgehend geschlossen und die Skulpturen ausgelagert.

Ab Sommer 2020 wird die Kirche wieder als Museum geöffnet

Bis Ende 2019 dauerten die Restaurierungs- und Reparaturarbeiten in der Kirche an. Bereits im Januar 2020 öffnet die Friedrichswerdersche Kirche ihre Pforten für die Tage der offenen Tür am 18. und 19. Januar. Im Anschluss an die Tage der offenen Tür werden bis zum Sommer 2020 an jedem 2. und 4. Sonntag im Monat von 10 bis 16 Uhr öffentliche Führungen angeboten. Ab dem kommenden Sommer wird die Nationalgalerie die Friedrichswerdersche Kirche wieder als Dependance für die Präsentation von Skulpturen des 19. Jahrhunderts genutzt und die beiden Prinzessinnen Friederike und Luise von Schadow werden in ihr altes neues Zuhause einziehen.

Innenraum der Friedrichswerderschen Kirche nach den Sanierungsarbeiten 2019. © Staatliche Museen zu Berlin / Andres Kilger

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