„Europa in einer globalen Welt denken“ – Iris Edenheiser im MEK

Seit Mai hat das Museum Europäischer Kulturen in Dahlem mit Iris Edenheiser eine neue stellvertretende Direktorin. Im Interview erklärt sie, welche Herausforderungen sie besonders reizen und was die Besucher des MEK in Zukunft erwarten dürfen.

Frau Edenheiser, seit Mai sind sie stellvertretende Direktorin des Museums Europäischer Kulturen, des MEK. Worauf haben Sie sich am meisten gefreut?
Iris Edenheiser: Wir erleben derzeit eine ungeahnte Politisierung Europas und ich glaube deshalb, dass ein Museum Europäischer Kulturen, das Europa in einer globalen Welt denkt, mehr gebraucht wird denn je. Das MEK ist bekannt für seine Gegenwartsorientierung und seine Offenheit für partizipative Arbeitsweisen. Ich habe mich deshalb besonders darauf gefreut – und tue das nach wie vor – an einem Haus zu arbeiten, das den Anspruch hat, hier und heute gesellschaftlich relevant zu sein und das seine Türen weit für zivilgesellschaftliches Engagement öffnet. Das MEK bringt über die Auseinandersetzung mit Dingen Menschen zusammen und generiert mit ihnen und für sie Bedeutungen und erzählt Geschichten, die das Verbindende suchen – das heute notwendiger denn je in den Fokus rücken muss. Eine Sammlung zu Alltagskulturen bietet sich dafür besonders an, denn gerade im alltäglichen Leben der Menschen machen sich die großen Veränderungen für den Einzelnen am spürbarsten bemerkbar. All die Themen, die in den nächsten Jahren europäische Gesellschaften zutiefst beschäftigen werden, sind sowohl in den Dingen, die das MEK verwahrt, als auch in unserer Arbeitsweise schon angelegt: Das MEK hierbei als einen öffentlich wahrnehmbaren Diskursraum und Debattenort zum weiten Feld Europa in der Welt mitzuprägen – das finde ich spannend!

Was erscheint Ihnen heute als die größte Herausforderung des Jobs?
Ich stoße zum Team des MEK in einer sehr aufregenden und tatsächlich herausfordernden Zeit: Zu Beginn des Jahres haben die anderen beiden Player am Standort Dahlem, das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst, ihre Ausstellungen in Vorbereitung für den Umzug ins Humboldt Forum geschlossen. Das MEK verbleibt damit als derzeit einziges Museum mit großen Ausstellungsflächen in Dahlem. Nun gilt es für uns, diesen Ort weiterhin als Besuchsziel attraktiv zu halten. Dazu müssen wir uns auf verschiedenen Feldern neu bzw. besser wahrnehmbar aufstellen: Das beginnt bei den Ausstellungsthemen, geht über die Veranstaltungen und weitere Vernetzungsarbeit und hört bei Marketing- und Pressearbeit noch lange nicht auf. Aber wir haben ein tolles, motiviertes Team und bekommen mit unseren Themen und musealen Methoden bereits vielfach ausgesprochen positives Feedback, so dass ich hier grundzuversichtlich bin, dass wir auch den größeren Auftritt in Dahlem sehr gut meistern werden.

Was haben Sie vorher gemacht?
Ich bin von meiner Ausbildung her Ethnologin und habe vorher die Weltkulturen-Sammlung an den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim geleitet. Davor war ich in verschiedenen Positionen an den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen (SES) im Verbund der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) tätig – u.a. als Kustodin für den Bereich „Die Amerikas“ und zuletzt als kommissarische Direktorin der SES. Insgesamt habe ich immer sehr inter- bzw. transdisziplinär gearbeitet – in Dresden und Leipzig naheliegenderweise mit Kunsthistoriker_innen: Dort war eines meiner beruflichen Highlights eine Ausstellung im Albertinum, die in Kooperation mit den Vatikanischen Museen zu dem Dresdner Bildhauer Ferdinand Pettrich, der in den 1830er Jahren Native Americans, die in Washington Landverträge verhandelt haben, in Gips porträtiert hat. Ein sehr aufregendes Projekt! Und Zuletzt habe ich besonders mit Historiker_innen zum Thema kolonialer Verflechtungen ethnologischer Sammlungen, insbesondere auch kolonialzeitlicher Provenienzforschung, zusammengearbeitet.

Worauf dürfen sich die Besucher des Hauses einstellen, wenn Sie die inhaltliche Ausrichtung künftig mitgestalten?
Ich finde, das MEK ist mit seinen Themen bereits vielfach nah dran an aktuellen Debatten, welche Gesellschaft bewegen – z.B. mit der derzeit noch laufenden Ausstellung „daHEIM: Einsichten in flüchtige Leben“ mit und über Geflüchtete. Diese Ausrichtung möchte ich in den nächsten Jahren weiter schärfen. Von der Fokussierung alltagsweltlicher Erfahrungen ausgehend wären z.B. Armut und Reichtum in Europa; oder die wiedererstarkenden Nationalismen; oder das In-Beziehungsetzen von Migrations- und Nachwenderfahrungen; aber auch Lebenswelten der enorm einflussreichen Finanzeliten als Themen denkbar – und so weiter und so fort … Sie sehen schon, es gäbe viele spannende Inhalte kritischer Europa-Forschung und der Europäischen Ethnologie. Hier werden wir zukünftig noch stärker auf experimentell angelegte Formate in enger Anbindung zum Einen an universitäre, zum Anderen an zivilgesellschaftliche Akteur_innen setzen und so das Haus weiter öffnen – und dabei gleichzeitig die Sammlung aktualisieren.

Wissen Sie schon, welches das erste größere Projekt – Ausstellung, Restaurierung, Forschung – sein wird, dem sie sich widmen werden?
Für uns steht derzeit die Neupositionierung in Dahlem – gerade auch im Hinblick auf die Konzeption des Forschungscampus – im Vordergrund, die auf vielen Ebenen angegangen wird. Zentral ist für mich außerdem das Ausstellungsprogramm – hier sind wir gemeinsam im Team in Überlegungen zur zukünftigen Gestaltung eingetreten. Ein paar Themen habe ich bereits genannt – genaueres gibt es dann zu einem späteren Zeitpunkt!

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