Humboldt Forum: Die letzte Reise von Maunga Nefu
Auch die großen Südseeboote aus dem Ethnologischen Museum treten bald die Reise zum Humboldt Forum an. Doch bis dahin liegt noch viel Arbeit vor den Fachleuten. Unsere Reporterin Karolin Korthase war vor Ort und hat Ihnen beim Abbau des Santa-Cruz-Bootes über die Schultern geschaut.
Text: Karolin Korthase, Fotos: David von Becker
Feierlich still ist es, als die Taue vorsichtig gelöst werden und das gigantische Krebsscherensegel des Santa Cruz-Bootes Maunga Nefu behutsam zur Seite gekippt wird. Der Raum ist dunkel und kühl. Ein großer Strahler erleuchtet die Szenerie und gibt der Abbauprozedur eine fast schon filmische Aura. „Ich hab‘ es gleich nicht mehr“, ruft plötzlich einer der Restauratoren, der ganz oben auf dem Gerüst steht. Eine Kollegin eilt ihm zu Hilfe und das fünfköpfige Team trägt das 7,5 Meter hohe Segel, das aus geflochtenen Pandanuspalmblättern besteht, sicher auf die bereitgestellte Vorrichtung. Dort wird es dann verpackt und bis zu der Überführung ins Humboldt Forum gelagert.
Seit den Sechziger Jahren wurde Maunga Nefu nicht mehr auseinander- bzw. zusammengebaut. Stoisch stand das Südseeboot in seiner Einfachheit, die zugleich auch etwas Geniales hatte, in der Ausstellungshalle des Ethnologischen Museums in Dahlem und lud die Besucher zu Fantasiereisen in die unendliche Weite des pazifischen Ozeans ein. Wer das Boot betrachtete, konnte sich vorstellen, wie Männer der Santa Cruz-Insel Vanikoro den Rumpf einst aus einem einzigen Baumstamm anfertigten, wie ihnen bei Überfahrten zu benachbarten Inseln die Gischt ins Gesicht spritzte, wie sie unter dem Schutz des kleinen Palmdaches in der Mittagshitze dösten oder bei stürmischer See um ihr Leben bangten.
Körperlich anstrengend
Heute dürfen die einzelnen Teile des Bootes nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen berührt werden. Da in der Ausstellungshalle zur Zeit auch andere Objekte abgebaut werden und dabei teils mit Brandschutzmitteln belasteter Staub aufgewirbelt wird, ist das Tragen von Schutzanzügen und Staubmasken für alle Anwesenden Pflicht. Das macht die Abbauarbeiten für das Restauratoren-Team zu einer schweißtreibenden Angelegenheit – besonders das Tragen der Staubmasken über mehrere Stunden ist körperlich anstrengend.
Nach dem Abbau des Segels widmen sich die Holzrestauratoren dem Hausaufsatz, der fragilen Gegenbrücke und dem Ausleger. Vorsichtig durchtrennen sie mit einem Cuttermesser die Bindungen aus Rattan, die einst bei der Ankunft des Bootes im Ethnologischen Museum zum Befestigen der Bootssbestandteile angebracht wurden und die man beim Wiederaufbau im Humboldt Forum erneuern wird. Immer wieder kommt das Team zwischen den einzelnen Arbeitsschritten dabei zu kurzen Besprechungen zusammen.
Ein Restrisiko besteht immer
Alle Restauratoren, die hier am Werk sind, haben in der Vergangenheit schon mehrteilige Großobjekte aus Holz bzw. Pflanzenfasern zerlegt und wieder zusammengesetzt – sie sind Experten auf ihrem Gebiet. Der Ab- und Wiederaufbau der riesigen Südseeboote aus dem Ethnologischen Museum ist allerdings auch in ihrem Arbeitsspektrum etwas Besonderes. Denn trotz umfangreicher Vorbereitung kann nie mit hundertprozentiger Sicherheit vorhergesagt werden, wie sich die fragilen Materialien beim Auseinandernehmen verhalten, ob vielleicht ein Strang der geflochtenen Pandanuspalmblätter reißt oder ein Holzteil bricht.
Leonie Gärtner, zuständige Restauratorin für die Südseesammlung, erzählt, dass die Materialien aufgrund des Alterungsprozesses zum Teil schon spröde sind. „Deshalb versuchen wir, beim Zerlegen so minimal wie möglich vorzugehen, also die einzelnen Bootsbestandteile nur so weit auseinander zu bauen, dass sie unbeschadet transportiert werden können.“ Im Falle der Segel, so erklärt sie weiter, wäre beispielsweise ein Zusammenfalten undenkbar, weil dadurch das Material zu sehr beansprucht werden würde.
Letzte große Fahrt
Nach ungefähr drei Stunden stehen die einzelnen Teile von Maunga Nefu unbeschadet und sicher befestigt in einer Ecke der Ausstellungshalle. Nun müssen sie noch gereinigt, restauriert und verpackt und mit Hilfe einer Stickstoffbehandlung von potentiellen Schädlingen befreit werden. In ungefähr einem Jahr wird das Boot dann seine vorerst letzte große Fahrt antreten – nicht über das Meer, sondern nur ein paar Kilometer in Richtung Berlin-Mitte. Zusammen mit den anderen Großobjekten der Südseeausstellung gehört es zu den ersten Exponaten, die ins Humboldt-Forum einziehen werden. Erst wenn sie an ihrem Platz stehen, wird die riesige Einbringungsöffnung, die derzeit noch im Eingangsportal des Stadtschlosses klafft, geschlossen werden können.
Richtig aufatmen werden die Restauratoren wahrscheinlich aber erst dann, wenn wirklich alle Baumaßnahmen im Humboldt-Forum abgeschlossen sind. Denn einige Monate lang stehen die Boote noch in ihren Verpackungen im künftigen Ausstellungsraum, während rundherum weiter gebaut wird. Hier ist die größte Sorge, ob während des laufenden Baubetriebes ein stabiles Klima gewährleistet werden kann. Wenn 2019 schließlich die Verpackungen abgenommen und die einzelnen Teile wieder zusammengesetzt sind, hat Maunga Nefu seine letzte Reise endlich erfolgreich hinter sich gebracht.
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