Die Mschatta-Fassade ist das größte Exponat des Museums für Islamische Kunst im Pergamonmuseum. Ab März 2022 wird das Architekturstück saniert und zieht innerhalb des Gebäudes um – Zeit, dieses besondere Objekt einmal näher zu betrachten.
Das Pergamonmuseum ist nicht nur weltweit einzigartig durch seine monumentalen Architekturen, wie das Ischtar-Tor oder den namensgebenden Pergamonaltar. Es beherbergt auch eines der zentralen Architekturwerke der islamischen Kulturgeschichte: Die so genannte Mschatta-Fassade aus der Sammlung des Museums für Islamische Kunst.
Die Fassade stammt von dem monumentalen Palast Qasr al-Mschatta im heutigen Jordanien, 30 Kilometer südlich der Hauptstadt Amman. Die arabische Bezeichnung Mschatta wurde von den Beduinen übernommen und bedeutet „Winterlager“ – der ursprüngliche Name des Bauwerks ist nicht überliefert. Der Bau gehört zu einer Kette von mehr als dreißig „Wüstenschlössern“, die sich über Bilad as-Sham, Irak und Saudi-Arabien erstrecken. Mit einer quadratischen Umfassungsmauer von 144 Metern Seitenlänge zählt der Palast Mschatta zu den größten seiner Art. Wahrscheinlich wurde sein Bau während der Regierungszeit des umayyadischen Kalifen al-Walid ibn Yazid (743 -744) begonnen, blieb aber unvollendet, nachdem er ermordet worden war. Ein späteres Erdbeben fügte dem unfertigen Bauwerk weitere Schäden zu.
Während ein Teil der Anlage bis heute in Jordanien an seinem Ursprungsort steht – direkt neben dem Flughafen von Amman – gelangte der 33 Meter lange und ca. fünf Meter hohe Abschnitt der Hauptfassade der südlichen Außenmauer zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Berlin. Die Fassade, die auch zwei Tortürme umfasst, ist fast komplett mit beeindruckenden Steinmetzarbeiten verziert und schmückte einst die äußere Umfassungsmauer.
Fabelwesen und Tiere in friedlicher Koexistenz
Über die beiden Seiten des Einganges und die anschließenden Wandflächen mit halbrunden Türmen läuft ein Zickzackband, das von einem profilierten Sockel und einem hervortretenden Gesims begrenzt wird. In den von dem Zickzackband gebildeten Dreiecken sitzen große vorkragende Rosetten. Sockel, Zickzackband, Rosetten und Gesims wurden vorgefertigt, während die Flächen in den Dreiecken vor Ort herausgearbeitet wurden. Wegen der vorzeitigen Aufgabe des Baues sind sie daher vielfach unvollendet geblieben.
Die Kalkstein-Reliefs zeigen Fabelwesen und Tiere, die in friedlicher Koexistenz paradiesische Gärten bevölkern, aus kostbaren Kelchen trinken und sich an Weintrauben laben. Auch Greifen und Kentauren sind abgebildet, allerdings ohne die ihnen üblicherweise zugewiesenen Waffen. „Die Fassade ist eines der wichtigsten Objekte frühislamischer Kunst, weil sie Elemente aus der römisch-byzantinischen Spätantike und der persischen Kultur verbindet“, erklärt Martina Müller-Wiener, die stellvertretende Direktorin des Museums für Islamische Kunst. „Für die islamische Kulturgeschichte ist die Mschatta-Fassade daher eines der frühesten Objekte, an dem sich nachvollziehen lässt, wie aus den Formensprachen zentraler Vorgängerkulturen erstmals eine überregionale und kulturübergreifende islamische Kunst entsteht.“ Tatsächlich finden sich in der Formensprache und den Motiven der Fassade neben spätantiken und sasanidischen Einflüssen auch koptische und syrische Vorbilder.
Ein langer Gelehrtenstreit über die Einordnung der Fassade führte an der Wende vom 19. und 20. Jahrhundert zur Entstehung der islamischen Kunstgeschichte in Europa – und die Ankunft des Objektes in Berlin letztlich auch zur Gründung des Museums für Islamische Kunst. Denn das monumentale Objekt gelangte als Geschenk des osmanischen Sultans Abdülhamid II. an Kaiser Wilhelm II. nach Berlin. Am 23. Dezember 1903 kam das hochherrschaftliche Geschenk, zerlegt in 459 Teile, am Kaiser Friedrich-Museum (dem heutigen Bode-Museum) an, das sich damals noch im Bau befand. Die Schenkung der Fassade wäre ohne die persönliche Freundschaft der beiden Monarchen nicht möglich gewesen, die sich durch die Besuche von Kaiser Wilhelm am osmanischen Hof (1889 und 1898) sowie die gleich gelagerten wirtschaftlichen Interessen und die gemeinsamen autokratischen politischen Vorstellungen entwickelt hatte. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielte, neben dem persönlichen Engagement des Museumsmannes Wilhelm von Bode, auch der Bau der Hedschas-Bahn im Osmanischen Reich, an dem beide Parteien damals großes Interesse hatten.
Das Geschenk der Fassade führte 1904 zur Gründung des Museums für Islamische Kunst, das somit älteste Museum dieser Art außerhalb der islamischen Welt. „Die Provenienz der Fassade und ihr Weg nach Berlin wurden in der Vergangenheit bereits umfangreich erforscht“, erzählt Martina Müller-Wiener, „es ist auch ein Buch zu dem Thema erschienen.“
Jordanisches Kulturerbe in Deutschland
Eine der Bedeutungsebenen des „massiven“ diplomatischen Geschenks ist die Verbindung mit der Herkunftsregion. Das heutige Jordanien gehörte bis 1918 zur osmanischen Provinz Syrien. Als Rechtsnachfolger hat das Haschemitische Königreich Jordanien die Rechtmäßigkeit des heutigen Verbleibs der Fassade in Berlin bestätigt. Sowohl König Hussein (1935-1999) als auch Prinz Hamzah ibn al-Hussein, der Bruder des jetzigen jordanischen Königs, und zuletzt 2011 die zuständige Ministerin Haifa Abu Ghazaleh, haben es begrüßt, dass das jordanische Kulturerbe in Deutschland prominent gezeigt wird.
„Wir haben außerdem bereits gemeinsame Forschungsprojekte mit den Kolleginnen und Kollegen in Jordanien betrieben“, wie Müller-Wiener weiß. Ein deutsch-jordanischer Restaurierungsworkshop hat dabei maßgeblich zur Konservierung und Erforschung des Wüstenschlosses beigetragen. Denn die heute direkt neben dem Flughafen liegende Anlage ist in ihrem Originalbestand stark beeinträchtigt. Das von deutscher Seite gemeinsam mit dem jordanischen Antikendienst durchgeführte Forschungsprojekt von 2011 verfolgte mehrere Ziele. So erstellte ein Team der Technischen Universität Berlin eine umfassende Baudokumentation, es wurden archäologische Ausgrabungen im Innenbereich des Palastes durchgeführt, und die etwa 5.500 historischen Inschriften und Graffiti an dem Objekt wurden dokumentiert. Das Museum für Islamische Kunst führte außerdem im Dezember 2012 einen archäologischen Survey im Umland durch, um die Anlage in ihren natur- und kulturräumlichen Kontext zu stellen.
Nun wird das bedeutende Objekt erneut untersucht und restauriert – um künftig im archäologischen Rundgang des Pergamonmuseums in eine direkte räumliche Beziehung zu den anderen Großarchitekturen des Hauses zu treten. „Der Rundgang wird Besuchende künftig vom Ischtar-Tor über das Markttor von Milet und den Pergamonaltar bis zur Mschatta-Fassade, führen“ erklärt Müller-Wiener. So können die Besucher*innen dann einen einzigartigen Spaziergang durch die eurasische Geschichte machen.
Doch dafür muss die tonnenschwere Fassade Stein für Stein abgebaut, gereinigt, restauriert und eine Etage tiefer im Nordflügel des Museums wieder aufgebaut werden. Wie im planerischen Gesamtablauf für die Sanierungsarbeiten des Pergamonmuseums vorgesehen, wird der Raum mit der Mschatta-Fassade daher ab dem 21. Februar 2022 für den Besucher*innenverkehr geschlossen. Es lohnt sich also, im Februar noch einmal ins Museum für Islamische Kunst zu gehen, um dieses besondere Zeugnis frühislamischer Baukunst zu bewundern, bevor es schließlich an neuem Ort und in seiner originalen Pracht wieder zu sehen sein wird.
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