UNESCO-Kampagne zum Kulturgüterschutz: „Es gibt noch viel zu tun“
Kriege und der illegale Handel mit Kulturgütern gefährden das kulturelle Erbe der Menschheit. Die UNESCO-Kampagne „Unite4Heritage“ will ein Bewusstsein für dieses globale Problem schaffen. Der Archäologe Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums, über Hintergründe der Kampagne und die Rolle der Museen.
Was ist Unite4Heritage?
Die UNESCO hat im März 2015 im Irak eine globale Kampagne gestartet, um auf die mutwillige Zerstörung von Kulturgut in Irak und Syrien hinzuweisen. Diese Kampagne ist weniger operativ als vielmehr vernetzend und normsetzend gedacht, was der Kompetenz der UNESCO als einer Intergovernmental Organization entspricht. Es geht darum, verschiedene Akteure und Kapazitäten miteinander zu verbinden, um dann aus diesem Pool von Kompetenzen ganz konkrete Maßnahmen zu generieren. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Staatlichen Museen zu Berlin sind als Institutionen, die die gesamte Bandbreite des Kulturgutes abdecken, seit Beginn Partner dieser Kampagne.
Wie sieht diese Partnerschaft konkret aus?
Es geht sowohl um awareness raising, also das Schaffen eines Problembewusstseins durch gemeinsame Infomaterialien wie Flyer oder Filme, als auch um Informations- und Expertisenaustausch. Dazu gibt es das von mir koordinierte Forschungsprojekt ILLICID, das sich mit illegalem Antikenhandel beschäftigt. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und ist eine Kooperation zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt und GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Mannheim. Die Idee von ILLICID ist es, die Funktionsweisen des illegalen Antikenhandels zu erforschen. Die Forschungsergebnisse werden unter anderem über das Netzwerk der UNESCO geteilt.
Welche Rolle spielt dabei das Hashtag #unite4heritage? Werden Social-Media-Benutzer dabei eingebunden?
Die UNESCO und ihre Partner, die über Twitter, Facebook und andere Social-Media-Accounts verfügen, benutzen den Hashtag, um die Nachricht zu streuen und damit ein Bewusstsein für die Problematik bei einer breiteren Öffentlichkeit zu schaffen. Wir beteiligen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten ebenfalls an dieser Aktion. Es ist also in der Tat vor allem eine Kampagne die über die Social Media läuft. Darüber hinaus ist die UNESCO Partner zahlreicher Veranstaltungen weltweit, die ebenfalls unter dem Motto Unite4Heritage stattfinden.
Was sind das für Veranstaltungen?
Es gab zum Beispiel im September 2015 ein vom US State Department und dem Metropolitan Museum organisiertes Conflict Antiquities Event in New York, wo Experten aus unterschiedlichen Bereichen zusammengekommen sind und wo auch dafür argumentiert wurde, dass die Anstrengungen gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern unter dem gemeinsamen Dach Unite4Heritage zusammenkommen. Der große Vorteil dieser Maßnahme ist, dass wir für die ganz unterschiedlichen Bemühungen in verschiedenen Ländern und Ebenen ein gemeinsames Dach haben, das diese Maßnahmen bündelt, nach außen kommuniziert und sichtbar macht.
Beim Thema der Kulturgüterzerstörung und des illegalen Handels mit Antiken schaut man derzeit vor allem nach Irak und Syrien. Wie dramatisch ist die Lage dort?
Äußerst dramatisch! Wir reden im Moment vor allem über Syrien, weil dort in den letzten Jahren durch die Kriegshandlungen, aber auch durch mutwillige Zerstörungen, sehr viele archäologische und Kulturerbe-Stätten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Man denke etwa an die sinnlose Zerstörung von Palmyra. Es wird aber in diesem Kontext gern vergessen, dass es im Irak schon seit etwa 25 Jahren eine systematische Plünderung von archäologischen Stätten gibt – und zwar nicht aus religiösen oder politischen Gründen, sondern für den illegalen Handel mit Kulturgütern.
Werden während des Krieges in Syrien dort überhaupt Anstrengungen zum Kulturgüterschutz unternommen?
Ja, es ist sehr beeindruckend, dass die syrische Antikenverwaltung mit einem Mitarbeiterstab von etwa 2500 Personen auch im Moment noch ein nahezu flächendeckendes Monitoring der archäologischen und kulturellen Stätten durchführt. Es wird auch regelmäßig ein Bericht über Schäden publiziert und es finden im Vorfeld von Kampfhandlungen teilweise Evakuierungsmaßnahmen statt. Darüber hinaus gibt es einen sehr guten Austausch zwischen der syrischen Antikenverwaltung und internationalen Organisationen wie dem Internationalen Museumsrat ICOM oder der UNESCO.
Sie sprachen gerade den illegalen Handel mit Kulturgütern in der Region an –¬ ist dieser nicht auch ein globales Phänomen?
Die große Gefahr ist natürlich, dass überall dort in der Welt, wo politische Instabilität herrscht, die Schutzfähigkeit der jeweiligen Staaten für ihr Kulturgut abnimmt. Diesen Zusammenhang beobachten wir immer wieder und deswegen sind natürlich nicht nur Syrien und Irak betroffen, sondern auch Staaten wie Ägypten, Jemen oder Libyen. Wir können auch über Europa oder den Nahen Osten hinaus nach China oder Süd- und Mittelamerika schauen. Überall dort, wo viel Kulturgut vorhanden ist und Regierungen nicht in der Lage oder nicht willens sind, es flächendeckend zu schützen, ist das Potenzial für Raubgrabungen und Plünderungen sehr hoch. Was wir jetzt im Irak und Syrien erleben, ist aber durch die schwierige politische Situation noch mal verschärft.
Was können Museen tun?
Die Staatlichen Museen zu Berlin sind sehr aktiv und sichtbar in dem Bereich. Eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung ist wichtig, damit es nicht mehr als schick gilt, grabungsfrische archäologische Kulturgüter zuhause im Schrank stehen zu haben. Aber neben dieser dauerhaften Aufgabe sind wir gerade dabei, im Bereich des illegalen Handels mit Kulturgütern zu forschen. ILLICID ist ein Projekt wo wir unsere Expertise, unsere Objektkompetenz einbringen. Auch in der Ausbildung sind wir schon lange aktiv, indem wir Restauratoren und Fachwissenschaftler nach Deutschland einladen. Außerdem haben wir hier am Vorderasiatischen Museum zusammen mit dem UNESCO- Botschafter des Irak eine Initiative gestartet, in der wir die politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen für capacity building im Irak optimieren wollen. Es geht also um die Frage, wie wir im Irak langfristig nachhaltige Strukturen aufbauen können, mit denen Wissen erhalten und weiterentwickelt werden kann. Es wird in der Zukunft in diesem Bereich noch viel zu tun geben.
Weiterführende Links:
Webseite der UNESCO zu Unite4Heritage.
Interview mit dem Journalisten Günter Wessel über illegalen Handel mit Kulturgütern.
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