Wiedergeburt in der Neuen Nationalgalerie: Die Restaurierung von David Blacks „Sky Piece“
Lesezeit 7 Minuten
Im Skulpturengarten der Neuen Nationalgalerie stand in den
1970er Jahren eine Skulptur des Künstlers David Black. Sie lag ab 1998
im Depot und soll bei der Wiedereröffnung des Hauses an ihren
ursprünglichen Platz zurückkehren – doch die Arbeit stellt Restauratorin
Hana Streicher und ihr Team vor besondere Herausforderungen.
Text: Sven Stienen
Die
Eigenschaft vieler Kunststoffe, niemals zu vergehen, beschäftigt heute
Wissenschaftler*innen weltweit. Dass es aber auch Situationen gibt, in
denen gerade die Vergänglichkeit von Kunststoff zum Problem wird,
beschäftigt Hana Streicher, die Restauratorin der Neuen Nationalgalerie,
seit dem Sommer 2015.
Streichers Kollege Dieter Scholz, Kurator
der Neuen Nationalgalerie, stolperte damals – im wahrsten Sinne des
Wortes – in einem Außendepot der Staatlichen Museen zu Berlin über
Elemente der Skulptur „Sky Piece“ des Künstlers David Black. „Ich fand
die Arbeit sofort interessant, als ich sie zum ersten Mal in Einzelteile
zerlegt sah“, sagt der Kunsthistoriker Scholz. Es entstand die Idee,
das Werk zur Wiedereröffnung der Neuen Nationalgalerie, die derzeit
umfassend saniert und modernisiert wird, an seinem ursprünglichen
Standort im Skulpturengarten zu zeigen.
Eine transparente Maschine
David
Black ist ein amerikanischer Künstler, der international für seine
monumentalen Skulpturen bekannt ist. Seine Arbeiten greifen Elemente aus
der Architektur auf, wie Säulen, Bögen und Lichtnutzung, und entfalten
eine starke Wirkung auf ihre Umgebung und ihre Betrachter*innen. Anfang
der 1970er Jahre lebte der Künstler im Rahmen eines DAAD-Stipendiums für
zwei Jahre in Berlin und vollendete hier 1972 die Auftragsarbeit „Sky
Piece“ für die vier Jahre zuvor eröffnete Neue Nationalgalerie. Die
Skulptur misst 3,60 mal 6,21 Meter und besteht aus zwei Teilbereichen.
Als Stützkonstruktion dienen zwei breite Stelen aus Edelstahl, auf denen
zwei schmale Edelstahlträger aufliegen. Über diesen scheinen die
transparenten Plexiglaselemente zu schweben: Zwölf Räder mit
aufgesetzten, nach außen hin immer kleiner werdenden konzentrischen
Ringen. Jeweils zwei dieser Räder sind über eine Plexiglasverbindung zu
der geschlossenen Form eines Doppelrades vereint. Je drei dieser
Doppelräder finden sich in zwei parallelen Reihen hintereinander
angeordnet. Die Skulptur wirkt durch die verwendeten Materialien und
Formen sehr technisch, fast wie eine Maschine – die sich wiederholenden
runden Formen erwecken den Eindruck von Bewegung.
Das „Sky Piece“
stand von 1972 bis 1979 im Wasserbecken des Skulpturengartens, danach
ging es bis 1998 als Dauerleihgabe an die Bundesanstalt für
Materialprüfung in Berlin-Dahlem. Nach diesem Gastspiel wurde die
Skulptur nicht wieder aufgebaut, sondern befand sich im Depot – bis
Dieter Scholz sie auf seinem Streifzug 2015 „wiederentdeckte“.
Zur
selben Zeit kontaktierte, in einem fast unheimlich anmutenden Zufall,
der Berliner Regisseur Eric Black, Sohn des Künstlers David Black, die
Nationalgalerie. „Eric Black kam auf uns zu, weil er mehr über die
Arbeit seines Vaters erfahren wollte“, erinnert sich Dieter Scholz. Der
Kurator stellte den Kontakt zwischen Eric Black und Hana Streicher her.
Als die beiden kurze Zeit später zum Depot fuhren, um das dort lagernde
„Sky Piece“ zu begutachten, erlebten sie eine unangenehme Überraschung.
„Die Skulptur besteht zu großen Teilen aus Acrylglas und durchsichtigem
Polycarbonat. Diese Stoffe sind über die Jahre, die sie der Witterung
ausgesetzt waren, völlig opak, also undurchsichtig geworden“, erklärt
die Fachfrau. „Außerdem sind einige der Metallteile inzwischen stark
korrodiert.“ Black und Streicher machten eine erste Bestandsaufnahme,
bei der der Restauratorin sofort klar wurde: Die Skulptur befand sich
insgesamt in einem so schlechten Zustand, dass bestimmte Teile nicht
mehr restaurierbar sind und komplett neu hergestellt werden müssen.
Alte Produktionstechniken
„Das
ist eine Situation, die man als Restauratorin so gut wie nie erlebt“,
erklärt Streicher. Glücklicherweise lebt in diesem Fall der Künstler
noch – der inzwischen über 90-jährige lebt in den USA. Über seinen Sohn
Eric konnte das Team der Nationalgalerie den Kontakt herstellen und die
Erlaubnis des Künstlers einholen, um ans Werk zu gehen. Dank einer
großzügigen Zuwendung der Wüstenrot Stiftung wurde die freie
Restauratorin Anke Klusmeier an Bord geholt, die mithalf, den gesamten
Entstehungsprozess der Arbeit 1972 zu rekonstruieren,
Materialeigenschaften zu recherchieren und mit dem neuesten Stand der
Fertigungstechnik heute zu vergleichen. „Auf Basis unserer umfassenden
Recherchen konnten wir ein Konzept für die Restaurierung entwickeln und
festlegen, welche Teile aufgearbeitet werden sollen und welche
hergestellt werden müssen“, erklärt Hana Streicher. Dabei war neben der
materialtechnischen auch die historische Recherche wichtig, wie
Streicher sagt: „Es ging vor allem darum, herauszufinden, welche
Produktionstechniken 1972 angewendet wurden und ob es heute noch Firmen
gibt, die diese Techniken oder ähnliche, modernere Verfahren
beherrschen.“ Viele Informationen bezüglich der in den 1970er Jahren
konkret verwendeten Materialien, sowie die Firmen, die damals mit der
Herstellung in den USA und in Deutschland betraut waren, sind
glücklicherweise bekannt und in der Werkakte der Neuen Nationalgalerie
enthalten.
Alle sichtbaren Elemente sollen dem
Restaurierungskonzept zufolge nach Möglichkeit restauriert werden, die
übrigen Elemente sollen möglichst baugleich neuproduziert werden. Die
Restaurierung und teilweise Neuproduktion sollen von ausgewählten Firmen
mit entsprechender Expertise durchgeführt werden.
Hana
Streicher und Anke Klusmeier nahmen die Skulptur genau unter die Lupe
und erstellten eine minutiöse Bestandsaufnahme. Alle Elemente, die
ursprünglich aus Polycarbonat hergestellt wurden und einige der Elemente
aus Acrylglas müssen aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustandes neu
produziert werden. Sie sollen künftig aus dem wesentlich beständigeren
Acrylglas hergestellt werden. Die sechs massiven Blöcke aus Acrylglas,
über die die Hohlkörper mit dem Trägergerüst verbunden waren, werden mit
einer speziellen Polierfräse überarbeitet, so dass sie wieder
transparent erscheinen. Da es sich bei vielen Teilen der Skulptur um
Hohlkörper handelt, müssen auch Probleme wie Verschmutzung von Innen
und Materialspannungen durch Luftdruckschwankungen berücksichtigt werden
– die Hohlkörper erhalten künftig austauschbare Druckventile, die an
versteckten Stellen angebracht werden.
„Ein spannender Prozess“
Die
Recherche der beiden Restauratorinnen hat auch ergeben, dass die
Herstellung der großen runden Formteile aus Acrylglas eine besondere
Herausforderung darstellt und spezielle Maschinen und Fachwissen
erfordert. „Wir haben bisher bundesweit nur eine einzige Firma gefunden,
die die Produktion der Elemente wie gewünscht anbieten kann“, sagt Hana
Streicher.
Auch
bei den Metallteilen gibt es Unterschiede im Erhaltungszustand. Alle
Bauteile aus Edelstahl sollen wiederverwendet werden, ihre Oberflächen
werden durch Schleifen und Polieren aufgearbeitet. Doch die Bodenplatten
und die eigentliche Trägerkonstruktion, über die die Edelstahlteile
gestülpt wurden, bestanden beim Original aus einfachem Stahl und sind
stark gerostet. Die Rostschutzfarbe ist großenteils abgeblättert und die
Korrosion hat teilweise zu Wölbungen und Kontaktkorrosion bei den
Edelstahlverblendungen geführt. Hinzu kommt, dass die originale Bauweise
heutigen Statik-Vorgaben nicht mehr genügt und neu konzipiert werden
muss. Daher soll der Edelstahlkorpus von der ursprünglichen
Innenkonstruktion getrennt und restauriert werden, während die tragende
Innenkonstruktion ebenfalls aus Edelstahl neu konstruiert wird.
Die
Vorarbeiten und das Konzept machen deutlich, dass noch viel Arbeit
notwendig ist, um die monumentale Skulptur von David Black zu neuem
Leben zu erwecken. Derzeit ist das Team um Hana Streicher und Anke
Klusmeier damit beschäftigt, die entsprechenden Unternehmen zu
beauftragen. „Es ist ein sehr spannender Prozess“, sagt Hana Streicher,
„zum einen ist es wirklich etwas Besonderes, ein Kunstwerk zum Teil neu
zu erschaffen, zum anderen ist auch toll, einen Künstler in die
Restaurierung seines eigenen Werkes einzubinden.“ Für Streichers
Kollegen Dieter Scholz steht das Projekt ganz im Geiste der
denkmalgerechten Grundsanierung der Neuen Nationalgalerie: „Wenn Ludwig
Mies van der Rohe, der Architekt der Neuen Nationalgalerie, heute noch
leben und arbeiten würde, dann würde er sicher genauso vorgehen wie wir:
originalgetreu erneuern und gleichzeitig neue Materialien und
Technologien einbinden, um das bestmögliche Ergebnis zu erhalten.“
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