Zehnerpack: 10 Gipsmodelle, die Kunstgeschichte erzählen
Die Gipsformerei ist die älteste Einrichtung der Staatlichen Museen zu Berlin. Seit 1819 werden hier Repliken von Kunstwerken aus allen Epochen und Ländern hergestellt. Wir haben euch zehn Mastermodelle herausgesucht, hinter denen sich interessante Kunst-Geschichten verbergen.
Die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin stellt seit fast 200 Jahren Gipskopien von Kunstwerken für Museen und Privatsammler her. So genannte Mastermodelle dienen den Experten dabei als Referenzmodelle, von denen immer wieder neue Abgussformen abgenommen werden können. Da die Mastermodelle meist direkt von den Originalen abgenommen werden, kommen sie diesen am nächsten. Sie werden gehütet wie ein Schatz und sind teilweise selbst mehrere hundert Jahre alt. Wir waren vor Ort in der Gipsformerei und haben uns einige der interessantesten Mastermodelle angeschaut. Unsere zehn Highlights findet ihr hier:
1. Die Laokoon-Gruppe
Die Laokoon-Gruppe ist eine der bekanntesten Skulpturengruppen der Antike und zeigt den Todeskampf des trojanischen Apollo-Priesters Laokoon und seiner Söhne. Er wurde dafür bestraft, dass er vor dem trojanischen Pferd gewarnt hatte. Die Göttin Athene war darüber erzürnt und schickte tödliche Schlangen. Die Skulpturengruppe aus Rhodos stammt aus dem 1. Jhdt. vor Christi Geburt, sie wurde 1506 in Italien wiederentdeckt und gehört zu den berühmtesten Kunstwerken der Welt. Ein Mastermodell befand sich bereits 1844 in der Sammlung der Gipsformerei, 1877 wurde ein neuer Abguss direkt von der italienischen Marmorkopie gemacht.
2. Nofretete
Die Büste der Nofretete ist das Highlight der Berliner Museumslandschaft und zählt zu den größten Kunstschätzen des Alten Ägypten. Sie wurde im Dezember 1912 von Ludwig Borchardt in Armana entdeckt und gelangte ein Jahr später nach Berlin. Seither wurden unzählige originalgetreue Kopien angefertigt – das neueste Mastermodell wurde auf Grundlage eines 3D-Scans erstellt.
3. Antinous Dionysos
Antinous war ein Schützling und vermutlich Liebhaber des römischen Kaisers Hadrian. Nach seinem mysteriösen Tod im Jahr 130 n. Chr. wurde er zum Gott erklärt und vielerorts im Römischen Reich verehrt. In der Gipsformerei befindet sich seit 1844 ein Mastermodell der Büste einer römischen Kolossalstatue des Antinous als Dionysos-Osiris (mit Efeu-Krone, Stirnband, Zistrose und Pinienzapfen). In jüngster Zeit hat übrigens der zeitgenössische Künstler Jeff Koons eine Replik der Gipsformerei neben weiteren Objekten in seiner Arbeit „Gazing Ball“ verwendet.
4. Der Denker von Rodin
Der Bronzeguss des Denkers in der Alten Nationalgalerie wurde direkt von dem französischen Bildhauer Auguste Rodin angekauft. Im Sockel kann man noch seinen Daumenabdruck vom ursprünglichen Tonmodell erkennen. Das Modell für einen Nachguss dieser berühmten Skulptur wurde für den ersten und einzigen Ministerpräsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, für dessen Dienstsitz in Schloss Niederschönhausen in Berlin angefertigt.
Was der SED-Politiker mit solch einem bourgeoisen Kunstwerk wollte, ist nicht überliefert – doch zumindest hat Dank Pieck das mehrteilige Mastermodell in der Gipsformerei den real existierenden Sozialismus überlebt.
5. Achill aus dem Teesalon
Die Skulptur des Achill stammt ursprünglich aus dem Teesalon des Berliner Stadtschlosses und gehört zu einer Gruppe von zwölf mythologischen Figuren von Christian Friedrich Tieck, die Königin Elisabeth dort aufstellen ließ und die alle in der Gipsformerei vorhanden sind. Wie so viele Kunstwerke hat auch dieses Original das turbulente 20. Jahrhundert nicht überstanden. 2015 gelang es den Fachleuten der Gipsformerei jedoch, aus zwei unvollständigen Abgüssen ein neues, komplettes Mastermodell zu erstellen.
6. David, für den Hof des Medici-Palastes
Der David von Donatello wird auch „Bronzedavid“ genannt und entstand bereits um 1444 für die berühmte Familie Medici in Florenz und gilt als die erste lebensgroße Darstellung eines männlichen Aktes seit der Antike.
Das Mastermodell der Gipsformerei wurde während einer Abformkampagne im Jahr 1875 direkt vom Original in Italien abgenommen.
7. Marc-Aurel-Säule
Die Segmente der Marc-Aurel-Säule bilden den größten Abguss in der Gipsformerei. Das knapp 40 Meter hohe Original wurde vor 198 n. Chr. in Rom errichtet und steht noch heute an seinem ursprünglichen Standort auf der Piazza Colonna. Es enthält die spiralförmige Darstellung der siegreichen Kriege, die der Kaiser Marc Aurel gegen die Markomannen und die Sarmaten geführt hatte. Die Mastermodelle der Gipsformerei wurden vor über 100 Jahren vor Ort abgenommen und geben einen besseren Erhaltungszustand wieder als das Original heute aufweist, da es durch Luftverschmutzung und Umwelteinflüsse stark korrodiert ist.
8. Borghesischer Fechter
Kunstliebhaber des 17. und 18. Jahrhunderts waren verzückt vom so genannten „Borghesischen Fechter“, einer antiken Marmorkopie nach einem bronzenem Original des Agasias von Ephesos aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.. Die Skulptur wurde Anfang des 17. Jahrhunderts entdeckt, ab 1611 restauriert und ab 1613 in der Villa Borghese in Rom gezeigt. Während des Barock prägte das berühmte Stück die gesamte Bildhauerei nachhaltig. Seit 1807 steht das Original im Louvre, 1844 wurde ein Mastermodell für die Berliner Gipsformerei angefertigt. Vor dem Schloss Charlottenburg stehen heute zwei Abgüsse, die mit Schwert und Schild ergänzt sind.
9. Totenmaske vom Alten Fritz
König Friedrich II., auch bekannt als Friedrich der Große oder kurz: Alter Fritz, war der Begründer der Großmacht Preußen im 18. Jahrhundert und ist bis heute eine der bekanntesten historischen Figuren in Deutschland und Europa. Er galt als entschlossener Kriegsherr, aber auch als großzügiger Förderer der Künste und Wissenschaften. Die in der Gipsformerei vorhandene Totenmaske ist das letzte Abbild des Königs und wurde in der Todesnacht unter widrigen Umständen von dem Potsdamer Bildhauer Johannes Eckstein in Schloss Sanssouci abgenommen. Solche Masken waren im frühen 19. Jahrhundert äußerst populär und wurden in den Häusern preußischer Bürgerfamilien ausgestellt, um deren patriotische Gesinnung zu demonstrieren.
10. Lebendmaske Goethes
Die Gesichtsmaske wurde dem Dichter und Staatsmann Johann Wolfgang von Goethe im Oktober 1807 vom Weimarer Hofbildhauer Karl Gottlieb Weißer (1780-1815) auf Wunsch des Schädelforschers Franz Joseph Gall abgenommen. Sie gilt nach neuesten Forschungen als einziges lebensechtes Porträt des Dichters. In den Jahren 1807/08 hat Weißer nach dieser Gesichtsmaske eine Büste modelliert. Auch die rechte Hand Goethes ist im Formbestand der Gipsformerei als Lebendabformung vorhanden.
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