Adidas oder Medici? Kupferstichkabinett goes Instagram
Dagmar Korbacher, Direktorin des Kupferstichkabinetts, trifft die Instagramerin Uwa Scholz. Im Gespräch geht es um Bilder gestern und heute – und darum, was sie verbindet.
Text: Sven Stienen
Dagmar Korbacher muss ihr altes Blackberry-Telefon bald gegen ein neues Smartphone eintauschen. Die angehende Direktorin des Kupferstichkabinetts will mit ihrer Sammlung den digitalen Raum und die sozialen Medien erschließen. „Die Druckgrafik ist das Instagram vor der Erfindung des Internets“, hat die Kunsthistorikerin und Italien-Expertin im Zuge ihrer Ernennung gesagt. Wir wollen es genauer wissen und haben uns mit der Berliner Instagramerin Uwa Scholz (@uwa2000) zum Ortstermin im Studiensaal des Kupferstichkabinetts verabredet.
Vor uns stehen mehrere Grafiken, die Korbacher herausgesucht hat, darunter eine römische Stadtansicht des italienischen Kupferstechers Giovanni Battista Piranesi aus dem 18. Jahrhundert. „Es war ein Souvenir für Rom-Touristen“, erklärt die Kunsthistorikerin. „Mit der pittoresken Übertreibung einzelner Bildelemente wollte Piranesi ein bestimmtes Gefühl einfangen und verkaufen.“ Diese Stilisierung erinnert sie an Instagram-Posts, in denen ebenfalls oft „getrickst“ wird, um eine Klientel anzusprechen.
Der Blick ist der gleiche
„Die Manipulation der Bilder mit Filtern und Apps ist sehr verbreitet“, bestätigt Uwa, die mit knapp 200 000 Followern zu den großen deutschen Influencern gehört. Sie selbst arbeitet bei ihren Reise- und Stadtbildern ohne manipulierende Technik. „Es geht vor allem darum, im richtigen Moment ein Motiv zu sehen“, erklärt sie. Dagmar Korbacher pflichtet ihr bei: „Dass ein gewisses Auge wichtig ist, sieht man sowohl bei Piranesi als auch bei Uwa.“
Der Blick ist also der gleiche – doch sonst hat sich viel geändert in den letzten Jahrhunderten. Bei Instagram vermischen sich Kunst und Lifestyle. Viele Influencer schaffen für ihre Fans ästhetisch geschlossene Markenwelten. „Wer den Geschmack trifft, hat eine Chance auf ein lukratives Sponsoring“, sagt Uwa. Es herrscht eine regelrechte Motivdiktatur: „Ob auf den Lofoten oder in der Sächsischen Schweiz, das typische Bild mit Zelt und Lagerfeuer ist obligatorisch. Und in Berlin muss immer der Fernsehturm mit drauf sein.“
Egal ob Adidas oder Medici – ohne Sponsor läuft nichts
Doch auch Künstler wie Piranesi waren nicht frei in der Auswahl und Ausführung ihrer Motive, wie Dagmar Korbacher weiß: „Um Mäzene und Community zu begeistern, mussten sie vor allem die bestehenden Techniken virtuos beherrschen.“ Die Suche nach Förderern führte dazu, dass Künstler ihre Arbeiten Adeligen widmeten, um deren Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das ist heute nicht anders: „Viele verlinken große Marken wie Adidas in ihren Bildern und hoffen, von den Unternehmen engagiert zu werden“, erzählt Uwa.
Ohne Sponsoring läuft nichts, egal ob von Adidas oder den Medici. Mit Erfindung der Druckgrafik setzte aber auch eine beispiellose Demokratisierung der Bilder ein – ganz ähnlich wie die sozialen Medien heute die Kommunikation revolutionieren. „Plötzlich gab es viel mehr Bilder, als man sich je vorstellen konnte“, erklärt Korbacher. „Man sah Darstellungen aktueller Ereignisse und wusste, wie der Papst aussah. Das ist in meinen Augen ähnlich bahnbrechend wie das, was wir heute durch das Internet erleben“. Uwa hat Einwände: „Der Unterschied ist, dass heute jeder Fotos machen kann. Ein Bild zu malen, war hingegen nicht so einfach.“
So viel man darüber streiten mag, ob die Parallelen oder die Unterschiede zwischen beiden Medien überwiegen, so groß ist das Diskussionspotenzial. Dagmar Korbacher weiß das und freut sich auf spannende Gespräche vor den Werken und auf neue Perspektiven. Einen eigenen Instagram-Kanal hat sie übrigens schon.
Kommentare