Adlerschlange trifft Pharao. Ethnologische Sammlungen auf der Museumsinsel
Der Restaurator Sebastian Röhl bereitete die mexikanische Adlerschlange Cuauhcoatl auf ihren ersten Besuch in Berlin Mitte vor. Im Rahmen der Schau „Neue Nachbarn“ begegnet sie dort nun gemeinsam mit anderen außereuropäischen Exponaten den Objekten der Museumsinsel.
Text: Karolin Korthase
Die Werkstatt des Diplom-Restaurators Sebastian Röhl ist hell und ruhig. Draußen zwitschern die Vögel, drinnen türmen sich in den Regalen Pigmente, Werkstoffe und Werkzeuge. Mittendrin stehen Steinobjekte unterschiedlicher Größenordnungen. Ein besonders imposantes Ausstellungsstück fällt schon aufgrund seiner Maße sofort ins Auge. Es handelt sich um eine Adlerschlange aus dem Ethnologischen Museum. Stoisch liegt sie da, der Schnabel ist leicht geöffnet, der Blick wirkt träge. Ihr mächtiger Steinkörper ist zu mehreren Knoten zusammengeschlungen, die in einer Schwanzrassel münden. Es ist eine friedliche, wenig furchterregende Darstellung, wenngleich hier Elemente von zwei Raubtieren miteinander verschmelzen.
Ursprünglich stammt Cuauhcoatl, so der aztekische Begriff für die Adlerschlange, aus Mexiko. Das Mischwesen aus Klapperschlange und Königsadler wurde von den Azteken (1325–1521) angefertigt und überdauerte dank des robusten Materials die Jahrhunderte. Die Arbeit am Stein muss für den Künstler aus dem zentralmexikanischen Hochland damals mühselig und langwierig gewesen sein. Unzählige Federn schmücken den Körper des Tieres. Auf dem Kopf prangt eine „Edelstein“-Hieroglyphe.
Schöpfergott auf der Insel
„Das Zeichen steht für Kostbarkeit“, erklärt Maria Gaida, Kuratorin der Mesoamerika- Abteilung des Ethnologischen Museums. Generell symbolisiere die gefiederte Schlange eine Dualität, die in den mesoamerikanischen Kulturen häufig vorkommt. Sehr verbreitet, so erzählt die Kuratorin weiter, seien auch Darstellungen des aztekischen Schöpfergottes Quetzalcoatl, der als Schlange bedeckt mit Federn des Quetzalvogels dargestellt wird. Die majestätische Adlerschlange Cuauhcoatl ruhte jahrzehntelang auf einem Podest in Dahlem. Nun gastiert sie für die Ausstellung „Neue Nachbarn. Auf dem Weg zum Humboldt Forum“ im Neuen Museum auf der Museumsinsel.
Zuvor musste sie allerdings von Sebastian Röhl von Stäuben und Fetten gereinigt und anschließend restauriert werden – unter Berücksichtigung der Fassungsreste, die es zu erhalten galt. Generell ist die Adlerschlange in gutem Zustand, allerdings muss ein Teil des Schnabels in der Vergangenheit abgebrochen sein und wurde, so vermutet der Fachmann, durch einen Kunststein ersetzt. Dieser setzt sich farblich vom Rest des Exponates ab und wirkt abgenutzter als die sonstige Oberfläche. An den betreffenden Stellen minimierte Sebastian Röhl die farblichen Unterschiede weitestgehend und retuschierte auch die Nahtstelle zwischen der Ergänzung und dem Ursprungsstein.
Eine große Herausforderung
Diese Detailarbeit ist wesentlicher Bestandteil eines wahren Mammutprojektes: des Umzugs der außereuropäischen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst ins Humboldt Forum. Es soll 2019 eröffnen und als neues kulturelles Stadtquartier in der Mitte Berlins dazu einladen, die Welt als Ganzes zu erleben.
Doch bis es soweit ist, müssen neben der Adlerschlange Cuauhcoatl unzählige weitere Objekte bewegt und restauriert werden, denn die Dahlemer Museen werden mit etwa 13.000 Exponaten ihrer insgesamt 500.000 Objekte umfassenden Sammlung umziehen. Die Größe der Objekte variiert – von winzigen Artefakten bis zu imposanten Großobjekten wie den bekannten Südseebooten, den Ahnenpfählen aus West-Neuguinea oder dem Palau-Haus. Doch egal wie groß die Objekte sind: Jedes einzelne muss einer umfangreichen Prozedur unterzogen werden, von der Vermessung und Dokumentation über die Entwesung, die Befreiung von eventuellen Schädlingen bis zur objektgerechten Verpackung.
Neben den zahlreichen logistischen und restauratorischen Herausforderungen, vor die besonders die Großobjekte das Wissenschaftlerteam stellen, gilt es in der Phase vor der Eröffnung des Humboldt Forums auch, inhaltliche Aspekte zu erkunden. So finden derzeit und in den kommenden Monaten viele unterschiedliche Ausstellungen und Projekte statt, deren gemeinsames Ziel es ist, Möglichkeiten und Wirkungen der Sammlungen im Dialog zu testen und dem Publikum einen Vorgeschmack auf das Ausstellungsprogramm im Humboldt Forum zu geben. Denn auch während des Umzugs sollen die faszinierenden Sammlungen für die Besucherinnen und Besucher sichtbar bleiben.
Erste Begegnungen zwischen Sammlungen und Kulturen
Das sind sie unter anderem in der Schau „Neue Nachbarn“, die sich als eine der ersten in einer ganzen Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen der Begegnung der außereuropäischen mit europäischen Objekten und Sammlungen widmet. In vielen Häusern der Staatlichen Museen zu Berlin finden derzeit solche Begegnungen statt. Die große Präsentation „China und Ägypten. Wiegen der Welt“ vereint altägyptische und altchinesische Kunstschätze im Neuen Museum und fragt danach, wie zwei antike Hochkulturen trotz der großen Distanz vergleichbare Strukturen hervorbrachten, die uns zum Teil heute noch vertraut sind. Im Kunstgewerbemuseum am Kulturforum bringt „Vis à vis. Asien trifft Europa“ Objekte des asiatischen Kunsthandwerks mit europäischem Kunstgewerbe vom Mittelalter bis zur Moderne zusammen. Im Herbst werden sich weitere Ausstellungen mit demselben Thema beschäftigen, etwa „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“ und „Gesichter Chinas. Porträtmalerei der Ming- und Qing-Dynastie (1368- 1912)“ im Kulturforum. Unter dem Thema „Auf dem Weg zum Humboldt Forum“ zeichnen die Ausstellungen ein spannendes Bild davon, wie vielfältig und fruchtbar die Begegnungen zwischen den Sammlungen und den Kulturen ausfallen können.
Auch die Adlerschlange Cuauhcoatl trägt ihren Teil dazu bei und steht nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten einer ägyptischen Königsstatue im Neuen Museum gegenüber. Werden die Besucher sofort merken, dass hier die ägyptische und aztekische Kultur aufeinandertreffen? Oder werden in der Wahrnehmung bei allen Unterschieden am Ende vielleicht doch Gemeinsamkeiten überwiegen? In der Ausstellung „Neue Nachbarn“ werden noch rund 20 weitere Objekte dieses Spannungsfeld in verschiedenen Häusern der Museumsinsel ausloten. Die Inszenierung der Exponate aus aller Welt eröffnet neue Perspektiven und bietet zudem einen Ausblick auf den möglichen Ort der Weltkulturen, der sich mit der Eröffnung des Humboldt Forums in Nachbarschaft zur Museumsinsel entfalten kann.
Kommentare