Bildung & Vermittlung:

Antike in bunt? Eine Spurensuche im Pergamonmuseum

Erkundungstour im Pergamonmuseum © Staatliche Museen zu Berlin / Frederike Maas

Dass die Antike farbenfroh war, ist in der Forschung schon lange Konsens. Doch welche der wissenschaftlichen Erkenntnisse sind einem breiten Publikum bekannt und wie wird im Museum darauf eingegangen? Im Programm von AUF EIN WERK! #3 im Pergamonmuseum gab es Antworten.

Text: Dominique Falentin & Darya Novikava

Ein Neujahrsfest um 600 v. Chr. in den Straßen Babylons: Im Schatten des Ischtar-Tores tanzen Menschen zu lauter Musik, es riecht nach Köstlichkeiten und in der Luft liegen Freude und Lebendigkeit. Wie mag es gewesen sein, selbst diesen Ort zu bewohnen, über die Prozessionsstraße Babylons zu schreiten und die Gassen der Stadt zu erkunden? Diese Frage stellten sich die Teilnehmer*innen von „Auf ein Werk #3“ im Pergamonmuseum. Gemeinsam mit studentischen Mentor*innen gingen insgesamt 45 Besucher*innen auf Entdeckungstour und beschäftigten sich mit Provenienzforschung, Poetry, Ausstellungskonzepten – oder eben dem antiken Babylon.

Im Format „Was zeigt das Museum (nicht) – Zur Farbigkeit in der Antike“ nahmen die Mentorinnen Darya und Molly 20 Interessierte mit auf eine Zeitreise. Im Angesicht der Pracht hatten die Besucher*innen viele Assoziationen. Als Einheimische hätten sie Stolz, als Touristen Respekt und Ehrfurcht gefühlt, sagten einige. Beeindruckt von der Monumentalität und Imposanz des Tores und der Prozessionsstraße, ließen sie ihrer Faszination für die blaue Farbe und die kunstvollen Tiermotive freien Lauf. Vor allem die Herstellung der glänzenden Ziegel stand im Mittelpunkt des offenen Gesprächs: Wie wurde der Farbton erzeugt? Wie teuer und aufwendig war die Herstellung? Zu diesen Aspekten wünschten sich die Teilnehmer*innen mehr Informationen in der Ausstellung.

Der beindruckenden räumlichen Situation zum Trotz, fällt es vielen Museumsbesuchern schwer, sich das Bauwerk im belebten Stadtraum vorzustellen. Denn der museale Raum blendet den Kontext – genauer gesagt, die Integration des Monuments in die Alltäglichkeit – aus. Ebenso schwierig verhält es sich mit der Gestalt der Stadt Babylons. Zwar ist im Modell und an der Wandgestaltung des Museums die ockerfarbene Umgebungsbebauung nachvollzogen, trotzdem könnte die visuelle Umsetzung missverstanden werden. Nämlich als Reduktion auf die präsentierten Teile der Architektur. So entsteht der Eindruck, dass die gesamte Stadt den Stil des Tores teilte.

In Sekunden von Babylon nach Milet

Nach der ersten Diskussionsrunde folgte ein örtlicher Wechsel. Innerhalb weniger Sekunden schritten wir durch Raum und Zeit: vom Altertum in die Antike und von Mesopotamien nach Vorderasien. Denn im Museum befindet sich das Ischtar-Tor Rücken an Rücken mit dem römischen Markttor von Milet. Was hier im Museum durch einen gemeinsamen Torbogen verbunden ist, trennten eigentlich 2.300 Kilometer und etwa 700 Jahre voneinander Doch die monumentalen Artefakte teilen ein ähnliches Schicksal. Beide wurden zerstört, in Bruchstücken gefunden, nach Deutschland gebracht und im Museum wieder zusammengesetzt.

Erkundungstour im Pergamonmuseum © Staatliche Museen zu Berlin / Frederike Maas

Weiße Antike

Mithilfe des prächtigen Tores setzte sich die Stadt Milet, das in der heutigen Türkei liegt, als wichtiges Handelszentrum in Szene. Die erste Erwähnung findet sich 129 n. Chr. in einem Reisebericht Kaiser Hadrians. Diese Informationen sind weitestgehend bekannt, aber: Wer hat schon einmal etwas über farbige Verzierung antiker Architekturen gehört? Nur fünf der Teilnehmer*innen bei „Auf ein Werk“ hatten Kenntnisse darüber, die anderen wirkten verwundert über diese Idee. Aus diesem Grund bekamen sie die Aufgabe, über die einstigen Farben das Markttor zu spekulieren. Die verbleibenden fünf Personen widmeten sich der Suche nach Hinweisen auf die frühere Farbigkeit.

Es stellte sich für die erste Gruppe schnell heraus, dass es gar nicht so leicht ist, sich von der Vorstellung einer weißen oder sandfarbenen Antike zu verabschieden. Interessanterweise dachten viele zuerst an schrille Farben, wie sie Pop-Art-Künstler verwendeten, schreckten aber davor zurück daran festzuhalten. Logischer wirkte für sie der Einsatz dezenter Bemalungen in Olivgrün und Ockertönen oder die sparsame Verzierung einiger Details in Gold oder Blau. Dass nicht alles farbig gefasst sein konnte, erklärte sich ein Teilnehmer durch den notwendigerweise großflächigen Einsatz der sicher teuren Farben.

Das Pergamon-Panorama mit vielen Details © Staatliche Museen zu Berlin

Die Auflösung durch wissenschaftlich rekonstruierte Bilder (eine Büste des römischen Kaisers Caligula und Beispiele aus dem Tempel auf der griechischen Insel Ägina) bestätigte zur Überraschung der Teilnehmenden, dass tatsächlich kräftige Farben verwendet wurden. Statt des zurückhaltenden Einsatzes wurde zumeist flächendeckend gearbeitet, sodass im Originalzustand kaum etwas von der unbehandelten Steinoberfläche zu sehen war.

Nachdem die erste Gruppe die Farbigkeit ausführlich besprochen hatte, präsentierte die zweite Gruppe ihre Ergebnisse. Die Texte im Museum beinhalten aktuell keine Verweise auf eine farbige Ausgestaltung des Markttores. Auch das maßstabsgetreue Modell ist weiß belassen. Besondere Aufmerksamkeit erregte ein Versatzstück mit einer Inschrift, in deren Vertiefungen sich eine rötliche Färbung abzeichnet. Die Mentorinnen Darya und Molly ergänzten, dass im Jahr 2003 unsichtbare Farbspuren von Ocker und Grün gefunden wurden.
Wie geht man mit den Farben um?

Es wird angeregt diskutiert bei “Auf ein Werk” im Pergamonmuseum © Staatliche Museen zu Berlin / Frederike Maas

Am Ende der gemeinsamen Begehung ging es darum, wie zufrieden die Teilnehmer*innen mit dem Informationsgehalt im Museum sind. Alle waren sich einig: Eine Farbrekonstruktion, die nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf Mutmaßungen beruht, würde ein ebenso verfälschtes Bild der Antike liefern, wie die traditionelle „weiße“ Antike. Zu bedenken sei auch, dass Farbwahl und Ausgestaltung der antiken Bauwerke sich unterschieden. So sind die gefundenen Farbreste am Tor von Milet weit weniger schrill als die des Tempels in Ägina. Trotzdem wäre es unzulänglich, den Besucher*innen das Wissen um die Farbgestaltung in der Antike vorzuenthalten. Am meisten Zustimmung fand die Idee, mithilfe von Projektionen verschiedene farbliche Interpretationen der antiken Monumente zu zeigen. Diese Technik wird bereits erfolgreich im Pergamon. Das Panorama angewandt, wo die dargestellte Bekleidung einer Skulptur in verschiedenen Farben angeleuchtet wird.

In gewisser Weise ist das fehlende Wissen aber auch eine Chance für Auseinandersetzung und Eigeninterpretationen. Die Mentorinnen Darya und Molly wollten genau dies fördern und händigten den Teilnehmer*innen schwarz-weiß-Kopien und Buntstifte aus. So konnte sich jede/r an einer eigene Farbgestaltung versuchen. Die Ergebnisse wurden am Ende auf dem Boden angeordnet und präsentiert – es kamen einige spannende Kombinationen heraus, die die Erfahrung der Teilnehmenden bereicherten und den Museumsbesuch zu einem unvergessenen Erlebnis machten.

Teilnehmer*innen vor derm Markttor von Milet im Pergamonmuseum © Staatliche Museen zu Berlin / Frederike Maas

Mentor*innen in der Ausstellung „Pergamon. Das Panorama“

Auch im Pergamon. Das Panorama hatten Besucher*innen im Rahmen des vorherigen „Auf ein Werk“-Veranstaltung Anfang Juni bereits eine Reise in die Vergangenheit unternommen. Drei Vermittlungsformate der studentischen Mentor*innen nahmen die Szenen des Panoramas von Yadegar Asisi genauer unter die Lupe. Was verbirgt sich hinter den Darstellungen eines Tages im antiken Pergamon? Zwischen Tanz, Gelage, Flanieren und Opfergabe ließen sich unterschiedliche Aspekte des Lebens in der Vergangenheit untersuchen.

Ein Format beschäftigte sich etwa mit der Stadt Pergamon an sich. Die Teilnehmer*innen des Rundgangs bekamen einen Ausdruck des Panoramas und sollten erraten, welche Bauten auf dem Bild zu sehen sind. Die Aufgabe war gar nicht so leicht zu lösen und führte zu einer intensiven Diskussion darüber, wie bekannt uns die antiken Gebäude vorkommen. Die Idee des Mentors Andrea, Pergamon mit Berlin zu vergleichen, ging auf und motivierte zu einer neuen Diskussionsrunde.

Erkundungstour im Pergamonmuseum © Staatliche Museen zu Berlin / Frederike Maas

Die Körperhaltung und Kleidung der Dargestellten standen im Fokus einer anderen Gruppe. In einem aufgeregten Austausch entdeckten die Teilnehmenden immer neue Details und Aspekte im Panorama. „Durch diesen anderen Blick und die Diskussion mit den anderen habe ich vieles deutlich kritischer betrachtet als vorher“, sagte eine Teilnehmerin. Für sie, wie sie betonte, eine sehr lehrreiche und interessante Erfahrung.

In der dritten Gruppe haben die Teilnehmer*innen über die Wirkung, Besonderheiten und Geschichte des Panoramas reflektiert. Alle konnten zunächst Zeit allein in der Ausstellung verbringen und das Werk auf sich wirken lassen. Danach wurden die Eindrücke in einer kleinen Runde besprochen. In dieser lockeren Atmosphäre hatten die Teilnehmer*innen sowohl Mut als auch Lust, ihre Ideen einzubringen.

Insgesamt waren beide Museumstage mit AUF EIN WERK bisher ein voller Erfolg, sowohl für die studentischen Mentor*innen als auch für die Teilnehmenden. Es wurden viele neue Perspektiven ausprobiert, Ideen diskutiert – und jede*r ging bereichert aus den Veranstaltungen hervor.

AUF EIN WERK bietet die Möglichkeit, die staatlichen Museen zu Berlin auf neuartige Weise zu entdecken – hier stehen einzelne Objekte und Themen im Fokus, deren Vermittlung von Studierenden unter professioneller Begleitung in Form dialogischer, interaktiver und künstlerischer Formate ausgearbeitet wird.
Eine Gelegenheit, mit Studierenden unterschiedlicher Disziplinen ins Gespräch zu kommen und an Ausstellungsgesprächen, partizipativen Vermittlungsaktionen und künstlerischen Interventionen teilzunehmen, die der Antikensammlung u.a. im Hinblick auf Fragen der Präsentation, Inszenierung und Provenienz auf den Grund gehen.

Das Angebot ist für Studierende kostenfrei.

Weitere Informationen zum Projekt und Details zum Programm unter: studierende.smb.museum oder auf facebook: ABOUT THE MUSEUM.

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