Auf den Hund gekommen
Letzte Woche eröffnete im Kupferstichkabinett die Sommerausstellung „Wir kommen auf den Hund!“. Sie geht mit einem locker-ironischen Augenzwinkern der Kulturgeschichte des Hundes auf den Grund. Direktor Heinrich Schulze Altcappenberg im Gespräch über den besten Freund des Menschen in Kunst, Gesellschaft – und im Museum.
Nach „Wir gehen baden“ kommt nun mit „Wir kommen auf den Hund!“ die zweite Sommerausstellung des Kupferstichkabinetts. Was hat es mit diesem Format auf sich?
Das Format stammt aus dem angloamerikanischen Raum, bekannt sind etwa die summer exhibitions der Royal Academy in London mit zeitgenössischer Kunst. Der Gedanke ist, die traditionell besucherträgeren Sommermonate mit kleinen Ausstellungen ohne großen Aufwand zu überspielen. Es werden populäre Themen aus der eigenen Sammlung präsentiert, gern in einem leichten, auch witzig-ironischen Kontext. Wir haben uns dazu diese Titelreihe ausgedacht: „Wir gehen baden“ im vergangenen Jahr und nun „Wir kommen auf den Hund!“. Es geht aber trotz oder gerade mit dem ironischen Einschlag natürlich um ein tiefergehendes Nachdenken und eine Auseinandersetzung mit den Themen. Das klingt durchaus leichter, als es ist.
Wie kamen Sie auf den Hund?
Das Thema hat einen ganz aktuellen Bezug zur Berliner Lokalpolitik, nämlich dem Hundeverbot an Schlachtensee und der Krummen Lanke, das gerade in der Stadt heiß diskutiert wird. Wir drehen das um: Im Kupferstichkabinett haben die schönsten Hunde an der Wand Freigang, wir laden alle ein.
Was erwartet die Besucher inhaltlich?
Wir wollten ursprünglich eine Ausstellung zum Tier an sich machen – „Wir und das Tier“ –, stellten aber schnell fest, dass unsere Tierdarstellungen von Dürers Nashorn bis Menzels Papagei in ihrer enormen Vielfalt eigentlich einen größeren Rahmen brauchen. Also beschränkten wir uns auf den ersten, engsten und bis heute wichtigsten Begleiter des Menschen: den Hund. Wir haben im Kupferstichkabinett tausende ausdrucksstarker Arbeiten mit Hunden – ein Vielfaches dessen, was es selbst historisch an Hunderassen gibt. Es hat uns gereizt, daraus eine Auswahl zu treffen, die die verschiedenen Aspekte des Hundelebens abdeckt. Hinzu kam die emotionale Nähe, die Mensch und Hund seit mindestens 15.000 Jahren verbindet.
Wann setzt die Ausstellung inhaltlich ein?
Die Ausstellung beginnt mit der Erfindung der Druckgraphik, also in der Dürerzeit, und reicht bis zur Moderne und zur zeitgenössischen Kunst. Wir bilden aber nicht die Kulturgeschichte des Hundes ab, sondern gehen umgekehrt von Meisterstücken unserer Sammlung aus und schauen danach, in welche kulturgeschichtlichen Zusammenhänge sie sich einordnen lassen.
Welche Zusammenhänge haben Sie entdeckt?
Wir haben sechs Kapitel, die die Ausstellung gliedern. Das erste sind Hundebilder: Der Hund als dargestelltes Wesen im Porträt oder in Rassebildern. Als nächstes beleuchten wir den Hund in der Gesellschaft. Wenn Sie einmal mit offenem Blick durch unsere Stadt gehen, sehen Sie, wie sehr der Hund zum menschlichen Leben, zum Stadtbild dazugehört. Das zeigt sich auch in den Kunstwerken, in städtischen und ländlichen Szenen, in Historiendarstellungen und Porträts durch die gesamte Kunstgeschichte – überall ist der Hund dabei.
Ein weiteres, sehr ursprüngliches Kapitel widmet sich dem Jagdhund. Dabei geht es zum einen um herrschaftliche Repräsentation im Rahmen der höfischen Jagd, zum anderen aber auch um die Bezwingung und Beherrschung der Natur. Für Beides steht kaum ein Wesen so sehr wie der Hund.
In der Mitte gibt es eine Sektion zum Thema „der Hund im Bild“. Hier wird gezeigt, was das Künstlerherz so sehr am Hund interessiert, von der graphischen und malerischen Raffinesse der Fellstruktur, des Körperbaus, der Eleganz der Bewegung über den Ausdruck bis hin zur kommunikativen Funktion des Hundes im Bildaufbau.
Es folgt ein Kapitel über den Hund mit Herrchen, Frauchen und Kind: der Hund als carnis familiaris, als Familienhund. In der ganzen Kulturgeschichte wird er als Gespiele, Beschützer und Begleiter, in neuerer Zeit sogar als Partnerersatz oder Familienmitglied dargestellt. Zugleich repräsentiert er Tugenden wie Treue, Gehorsamkeit oder gute Erziehung, die auf die dargestellten Menschen übertragen werden. Ein schönes Beispiel dafür sind etwa Adelsporträts mit Hunden. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist außerdem der Hund in seiner natürlichen Naivität als Spielgefährte und treuer Beschützer des Kindes.
Das letzte Kapitel greift die eher negativen Konnotationen des Hundes auf: Der Hund als Köter, als unreines, niederes Tier in der Gosse, das man tritt. Oder aber als Bestie, als Höllenhund und Monster, wie bei Goya. In dieses Kapitel fallen auch moderne Darstellungen, etwa von Otto Dix oder Max Beckmann, die den Hund in den 1920er Jahren als Begleiter und Leidensgefährten der Versehrten und Bettler zeigen, bis schließlich zum witzig-ironischen Zitat bei Dieter Roths „Selbstbildnis als Hundehauf“.
Gab es unter Künstlern viele Hundefreunde?
Ein Aspekt, der nicht explizit thematisiert wird, zieht sich durch die gesamte Ausstellung: der Künstlerhund. Zum einen haben tatsächlich viele Künstler Hunde gehabt, wir zeigen einige sehr interessante Exemplare, etwa Wilhelm Trübners Dogge „Cäsar“ oder den Dackel „Männe“ von Max Liebermann. Da scheint es also eine gewisse Affinität zu geben. Zum anderen haben Künstler sich immer mit dem Hund auseinandergesetzt, sei es mit seiner äußeren Erscheinung oder mit seinen inneren Werten.
Was hat Sie bei der Vorbereitung der Ausstellung am meisten überrascht?
Dass man den Hund in den Bildern gern übersieht, obwohl er offenkundig so vielfältig ist und häufig Schlüsselstellungen besetzt, selbst als Staffage. Wir haben sogar festgestellt, dass den Kunstwerken etwas Wesentliches fehlen würde, wenn man den Hund herausnähme: Er ist oft zentraler Affektträger und vermittelt und verstärkt die Botschaften der Bilder. Wenn sie den Hund mit anderen kompositionellen Elementen ersetzen würden, dann ginge etwas verloren, die Darstellung würde tot und leblos. Der Hund ist ein Reflektor der menschlichen Kommunikation, wie im echten Leben. Das war sehr überraschend für uns, denn so haben wir die Bilder noch nie gesehen. Und das hoffen wir auch zu transportieren, dass es eigentlich nicht um den Hund geht, sondern um uns.
Haben Sie ein Lieblingswerk in der Ausstellung?
Am meisten berührt hat mich der Karrenhund aus dem „Kinderalbum“ von Adolph Menzel. Hunde wurden bis ins 20. Jahrhundert hinein als Nutztiere eingesetzt und mussten Schwerstarbeit verrichten. In dem Bild sitzt eine solche armselige Kreatur vollkommen erschöpft in der Gosse. Der arme Hund hängt noch im Geschirr und kann nicht mal den Kopf ablegen, hinter ihm der schwere, zweiachsige Wagen. Menzel geht mit seinem Blick bis auf die Straße herunter und zeigt den Hund auf Schnauzenhöhe, das ist ein ganz neuer Betrachterwinkel. Währenddessen kommt im Hintergrund eine schwarz-weiße Katze aus einem Keller und guckt aufmerksam um die Ecke. Sie ist frei, der Hund kann ihr nicht gefährlich werden – und diese Freiheit der Katze in ihrer Scheu und Eleganz, neben dem total erschöpften, schlafenden Hund, das weckt Mitempfinden. Nicht Mitleid, denn das Tier ist wohlgenährt und nicht verletzt. Aber es rührt an den Gefühlen und repräsentiert damit für mich als vielleicht eindringlichstes Beispiel das Leitmotiv der gesamten Ausstellung.
Fotos: Achim Kleuker
Kommentare
Der Hund ist wirklich der beste Freund des Menschen, dass er aber auch in so vielen Kunstwerken auftritt, war mir bisher neu. Ich hoffe, die aktuelle Ausstellung zieht viele Besucher an, die sich an den Bildern und Kunstwerken erfreuen können.
Hunde sind für viele Menschen einfach enorm wichtig und nicht weg zu denken. Viel Glück weiter bei euren Ausstellungen.