Bewegung im Museum: Neue Ausstellung der Volontär*innen
Lesezeit 10 Minuten
Wenn viele kreative Menschen zusammen an einem Projekt
arbeiten, sind Diskussionen vorprogrammiert – könnte man meinen. Die
Volontär*innen der Staatlichen Museen zu Berlin und des
Musikinstrumenten Museum zeigen mit ihrer Schau „STATUS MACHT BEWEGUNG“,
wie interdisziplinäre und einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit
geht.
Interview: Elena Then
Die
Ausstellung „STATUS MACHT BEWEGUNG. Lust und Last körperlicher
Aktivität“ lädt ab 11.9.2020 im Kulturforum zu einem
sammlungsübergreifenden Streifzug durch die Kulturgeschichte der
Mobilität ein. Zwei Volontärinnen erzählen im Interview, wie es ihnen im
Projektverlauf ergangen ist. Freya Nagelsmann ist seit Oktober 2018 am
Kunstgewerbemuseum und seit der ersten Stunde beim Projekt involviert.
Ihre Kollegin Antje Becker ist seit August 2019 am
Musikinstrumenten-Museum tätig und kam im Herbst letzten Jahres zum
Ausstellungsteam dazu.
In euren Volontariaten erlernt
ihr alle grundlegenden Kenntnisse in Tätigkeitsfeldern, die für den
Betrieb eines Museums relevant sind. Mit der Ausstellung STATUS MACHT
BEWEGUNG hattet ihr außerdem die tolle Möglichkeit, eigenständig eine
Schau zu kuratieren. Wie kam es eigentlich dazu? Freya Nagelsmann: Bei der aktuellen Ausstellung handelt es sich bereits um die dritte
Volontärsausstellung. Die erste, „Bart“ (2015/16), ist unter anderem aus
dem Wunsch mehrerer Volontär*innen entstanden, gemeinsam eine
Ausstellung zu realisieren, an der man von Anfang bis Ende mitwirken
kann. Außerdem war der Wunsch nach einer stärkeren Vernetzung der
Volontär*innen untereinander ein Faktor, um auch die anderen Sammlungen,
Häuser und Abteilungen kennenzulernen und in Kontakt und Austausch zu
kommen. Ich denke, die Motivation ist der jetzigen sehr ähnlich.
Wie entstand die Idee zur Ausstellung STATUS MACHT BEWEGUNG und seit wann arbeitet ihr daran? Nagelsmann: Das erste Treffen fand Anfang Dezember 2018 statt. Damals gab es etwa
25 vorgeschlagene Themen, von denen fünf in die engere Auswahl kamen.
Eine finale Entscheidung ist, wenn ich mich richtig erinnere, Anfang
2019 gefallen und seitdem wurde an der Ausarbeitung des Themas
„Bewegung“ gearbeitet. Da es sich hier um ein weites Feld handelt,
war vor allem die Entscheidung, welche Facetten von Bewegung in den
Fokus genommen werden sollen, schwierig. Im weiteren Prozess – mit
vielen oft sehr interessanten, manchmal auch eher frustrierenden Treffen
– kristallisierte sich dann vor allem die menschliche, körperliche
Bewegung als verbindendes Element heraus. Wichtig war es, ein Thema zu
finden, zu dem alle Sammlungen etwas beitragen können. Wir mussten also
ein kultur- und epochenübergreifendes Element in den Fokus stellen.
Einige wichtige Bereiche, beispielsweise eingeschränkte Bewegung,
Behinderungen oder Prothesen ließen sich mit Objekten aus den Sammlungen
der SPK nicht angemessen repräsentieren. Hier hätten wir mit externen
Leihgaben arbeiten müssen, weswegen diese Aspekte in der Ausstellung
nicht thematisiert werden.
Was war für euch das Spannendste an der Arbeit? Nagelsmann: Sehr spannend fand ich den Austausch mit den anderen, vor allem über
die Objekte und deren mögliche Interpretationsweisen, aber auch die
Suche in den Sammlungen des Kunstgewerbemuseums nach geeigneten Objekten
zum Thema. Antje Becker: Es ist unglaublich
spannend zu erleben, wie aus einer Idee durch Teamarbeit Stück für Stück
ein Werk entsteht. Nachwuchswissenschaftler*innen unterschiedlicher
Fachdisziplinen mit all ihren individuellen Biografien,
Ausbildungshintergründen und Persönlichkeiten kommen zusammen, um mit
vereinten Kräften ein Projekt auf die Beine zu stellen. Dieser
interdisziplinäre Aspekt ist gerade auch für die als Teilgebiet der
Musikwissenschaft betriebene Instrumentenkunde sehr interessant:
(Bau)Technische Fragestellungen, die das Fach sehr prägen, treten
plötzlich hinter kulturhistorische Perspektiven zurück und stellen die
Objekte im Sinne einer „Geschichte der Dinge“ in einen neuen
Bedeutungszusammenhang. Das hat mich unheimlich inspiriert und mit einer
Vielzahl an Ideen für kleinere und größere Forschungsprojekte
ausgestattet. In jedem Falle ist es eine Ausrichtung des Faches, wie ich
sie gerne pflegen möchte.
Anfang
des Jahres begann dann die Corona-Pandemie, die das Leben in
Deutschland ab März kurzzeitig fast vollständig zum Erliegen brachte.
Wie hat das eure Ausstellung beeinflusst? Nagelsmann: Viele wichtige grundsätzliche Entscheidungen waren im März schon
getroffen und noch offene Fragen konnten wir über Online-Meetings
besprechen. Neben dem Verfassen von Objekttexten und
Provenienzrecherchen stand für mich und einige andere als nächste
Aufgabe der Beitrag zum Katalog an. Zum Glück war das etwas, das man aus
dem Home-Office erledigen konnte, obwohl es schwierig bis teilweise
unmöglich war, an die gleiche Menge Fachliteratur zu kommen wie zu
Nicht-Corona-Zeiten. Das hat auch – zumindest bei mir – den Fokus des
Beitrags beeinflusst. Außerdem wuchs natürlich nach und nach die Sorge,
ob die Ausstellung aufgrund der Lage überhaupt stattfinden würde. Nach
der Rückkehr an den Arbeitsplatz war dann viel Zeit verloren,
insbesondere was die Angebotseinholung und die Beauftragung anging. Das
war alles sehr knapp, weswegen wir uns entschieden haben, die Eröffnung
um eine Woche zu verschieben. Becker: Die
Einschränkung der Zugänglichkeit, Erreichbarkeit von Räumen, Materialien
sowie internen und externen Ansprechpartnern während der Zeit des
Lockdowns wie auch die Ungewissheit über die Zukunft des Projektes
überhaupt hatten Auswirkungen auf den zeitlich-organisatorischen Ablauf
der Ausstellungsplanung. Es ist dem großen Engagement aller Beteiligten
zu verdanken, dass die Ausstellung ohne große Verzögerungen eröffnet
werden kann. Flexibilität ebenso wie eine gewisse Reaktionsfreudigkeit,
die uns die Pandemie aller Orten abverlangt, wachsen wiederum als
positive Qualitäten auf verschiedenen Ebenen in das
Ausstellungsgeschehen mit hinein. Auch das Begleitprogramm zu
Ausstellung wie Führungen und Workshops müssen auf die sich stetig
verändernde Lage angepasst werden. Neben vor Ort angebotenen Kuratoren-
und Themenführungen in Kleinstgruppen werden aus diesem Grund vor allem
Beiträge in Social Media eine wichtige Rolle spielen, um Inhalte rund um
das Ausstellungsthema an die Außenwelt zu vermitteln. Für mich
persönlich stellte sich die Frage, auf welche Weise dem Besucher die
präsentierten Instrumente klanglich erfahrbar gemacht werden können: Der
Einsatz von Tablets und Kopfhörern wurde vor dem Hintergrund der neuen
Hygienebestimmungen undenkbar; Möglichkeiten für einen Digitalen
Museumsguide, in den man Musikbeispiele hätte einpflegen können, gab es
nicht. Der Abteilung für Akustik und Musiktechnologie am Staatlichen
Institut für Musikforschung und der Technischen Universität Berlin haben
wir es zu verdanken, dass wir in der Ausstellung nun über Audiogeräte
verfügen, die von den Besuchern mittels eines Fußpedals bedient werden
können, ohne dass gegen die Hygienebestimmungen verstoßen wird. In
völlig anderer Form als ursprünglich geplant findet auch die Eröffnung
der Ausstellung am 10.09. statt: ausschließlich intern und in einem
kleinen Kreis. Natürlich ist es schade, dass die Pandemie uns hier so
einschränkt. Vor allem aber freuen wir uns, unsere über Monate mit viel
Leidenschaft geleistete Arbeit als ein gemeinsam vollbrachtes Werk in
einem offiziellen Akt alle zusammen sozusagen ins Leben, in die Welt
entlassen zu können.
Wie viel Eigenverantwortung hattet ihr als Volontär*innen bei der Ausstellung? Wie erging es euch mit dieser neuen Erfahrung? Nagelsmann: Das Gelingen lag völlig bei uns Volontär*innen; das war eine große
Verantwortung aber auch eine große Chance. In dieser Hinsicht war die
gemeinschaftliche Arbeit definitiv eine Bereicherung, weil jede*r das
Spezialwissen aus den verschiedenen Bereichen beigesteuert hat und wir
hier alle gegenseitig profitieren konnten. Wir waren sehr frei in den
Entscheidungen zu Thema, Inhalt und Ausgestaltung, haben uns hier jedoch
auch regelmäßig mit den Expert*innen der Häuser getroffen und unseren
Zwischenstand präsentiert. Das Feedback habe ich vom ersten bis letzten
Treffen als hilfreich und produktiv wahrgenommen. Aufregend war für mich
zum Beispiel die Präsentation des Projektes auf der
Direktorenkonferenz.
Was habt ihr persönlich aus dieser spannenden Erfahrung mitgenommen? Nagelsmann: Der
Austausch und die Zusammenarbeit mit den anderen Volontär*innen und den
Kolleg*innen in den Einrichtungen war eine Bereicherung in vielerlei
Hinsicht. Ich habe eine Menge über Teamarbeit – und deren Grenzen – und
auch über mich selbst gelernt. Insgesamt aber alles Erfahrungen, die ich
nicht missen möchte.
Wo seht ihr nach dieser Erfahrung
das Potential der Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftler*innen,
Einrichtungen und Disziplinen? Nagelsmann: Eine
Ausstellung wie unsere ist eine tolle Möglichkeit und birgt großes
Potential zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Die Betrachtung eines
Themas aus den verschiedenen Perspektiven funktionierte nicht immer
problemlos, war aber ein großer Gewinn für uns als Beteiligte und ich
hoffe auch für das Publikum. Becker: Die
sammlungsübergreifende Zusammenarbeit, wie wir sie im Rahmen der
Arbeiten an der Volontärsausstellung erleben konnten, birgt ein enormes
Potential: Im fachlichen Austausch der Wissenschaftler*innen wird
Detailwissen auf eine übergeordnete Ebene gehoben und für den größeren
Zusammenhang eines historischen Phänomens relevant. Das ist gerade mit
Blick auf die Zugänglichkeit eines Themas interessant und sicher ein
geeigneter Weg, eine breitere Öffentlichkeit – das heißt: viele Besucher
– für eine Ausstellung zu gewinnen.
Auf der anderen Seite birgt diese komplexe Zusammenarbeit bestimmt auch einige Herausforderungen? Nagelsmann: Besonders der Austausch über Begrifflichkeiten, beispielsweise bei der
Ausformulierung des Konzeptes, war eine Herausforderung, weil ein Wort
manchmal völlig verschiedene, sogar konträre Interpretationen und
Bedeutungen haben konnte. Hier auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen
war manchmal nicht leicht, zur gleichen Zeit aber auch extrem
bereichernd. Auch die Einsichten in die verschiedenen Arbeitsweisen und
die unterschiedlichen Perspektiven waren für mich ein Gewinn.
Zum Abschluss noch eine Frage: Was ist euer persönliches Lieblingsstück in der Ausstellung? Nagelsmann: Schwer
zu sagen – ich glaube, es ist gerade die Verbindung zwischen den
Objekten, die besonders interessant ist, weil sie völlig neue
Sichtweisen auf die Objekte offenbaren kann. Natürlich bringt besonders
die Sänfte des Kunstgewerbemuseums von 1720 das Thema Bewegung und die
Verbindung von Macht und Status besonders gut auf den Punkt: Die
repräsentative Bewegung, die Demonstration von Status ist hier nur
möglich durch den körperlichen Einsatz anderer. Wenn ich mir jedoch z.B.
die Designer-Turnschuhe aus dem Jahr 2000 anschaue (ohne diese als
Lieblingsstück hervorheben zu wollen), nimmt Status und Bewegung eine
völlig andere Form an. Hier geht es darum, selbst bei der einfachsten
Form der Fortbewegung, dem Laufen oder Gehen, auf sehr dezente Weise
Macht und Statusansprüche auszudrücken. Sehr gut gefällt mir auch
Michiel van Mierevelts Bildnis einer Frau (um 1620). Hier ist gerade die
eingeschränkte körperliche Bewegung Kennzeichen von Status. Ihr weißer
Mühlsteinkragen und die Haube sind zugleich kostspielige Modeobjekte.
Das weiße Leinen war extrem arbeits- und pflegeintensiv, musste dieses
doch mit Stärke gesteift und in Form gebracht werden.
Becker: Die Ausstellung zeigt viele kleine und große Schätze der Sammlungen der
SPK. Da mein Herz ganz besonders für die Musik schlägt, habe ich es
aber vor allem an ein Instrument aus unserem Haus verloren: an die 1736
von Giovanni Smorsone in Rom gefertigte Pandurina. Sie ist sehr fein
gearbeitet, aus verschiedenen kostbaren Materialien wie Elfenbein,
Ebenholz und Schildpatt und fördert in demjenigen, der sich mit ihr
befasst, ganz unmittelbar das Moment des sinnlichen Erfahrens – den ich
als einen der wesentlichsten beim Besuch einer Ausstellung empfinde.
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