Große Durchleuchtung in der Alten Nationalgalerie
Was passiert eigentlich montags in den Museen, wenn die Besucher draußen bleiben? Viele spannende Dinge: In der Alten Nationalgalerie wurde kürzlich Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Watzmann“ einer großen Röntgen- und Infrarotuntersuchung unterzogen.
Text: Gesine Bahr
Um Caspar David Friedrichs „Watzmann“ kunsttechnologisch untersuchen zu können, installieren Restauratorin Kristina Mösl und ihr Team aus der Alten Nationalgalerie zusammen mit der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung Berlin (BAM) ein Röntgengerät im Casa Bartholdy-Saal der Alten Nationalgalerie. Der Watzmann ist groß, darum fertigt das Röntgengerät 25 Einzelaufnahmen an, die anschließend digital zusammengesetzt werden. Das alles geschieht unter den Augen des Meisters höchstpersönlich: Gegenüber hängt Caroline Barduas Porträtgemälde, von dem Caspar David Friedrich mit aufmerksamem Blick herabschaut.
Warum röntgt man ein Gemälde?
Aber warum röntgt man ein Gemälde? Um mehr zu sehen: Röntgenstrahlen können die unterschiedlichen Schichten eines Gemäldes durchdringen und dabei Dinge abbilden, die für das menschliche Auge normalerweise unsichtbar sind. So werden etwa Änderungen sichtbar, die der Künstler während des Malens an der Komposition vorgenommen hat. Aber auch versteckte Beschriftungen, Signaturen oder Fehlstellen lassen sich dank der Strahlen erkennen. Mit diesen Informationen können Fachleute Aussagen über die verwendeten Materialien treffen und Schlüsse über den künstlerischen Werkprozess sowie den Zustand des Gemäldes ziehen.
Die Methode funktioniert, weil verschiedene Materialien die Röntgenstrahlung in Abhängigkeit von ihrer Schichtstärke und der Dichte des jeweiligen Stoffs unterschiedlich stark absorbieren. In der Regel gilt: je schlechter ein Material zu durchstrahlen ist, desto heller erscheint es in der Abbildung. Nach dem Zusammensetzten der 25 Einzelbilder nutzen die Restauratorinnen diese Absorptionsunterschiede für die Auswertung.
Auswertung folgt
Neben Röntgenstrahlen kann auch Infrarot zur kunsttechnologischen Gemäldeuntersuchung herangezogen werden. Infrarotstrahlen durchdringen Firnis- und Farbschichten und liefern Informationen über die darunter liegenden Schichten. Mit dieser sogenannten Infrarotreflektografie kann beispielsweise die Unterzeichnung des Künstlers sichtbar gemacht und mit der malerischen Ausführung der Komposition verglichen werden.
Die Freude in Kristina Mösls Team ist jedenfalls groß: Mit dieser Durchleuchtungsaktion ist nun auch das letzte Werk Caspar David Friedrichs in der Sammlung der Nationalgalerie strahlendiagnostisch untersucht. In den folgenden Monaten geht es nun darum, die Ergebnisse wissenschaftlich auszuwerten: Welche neuen Erkenntnisse lassen sich zum künstlerischen Werkprozess finden? Und gibt es beim Watzmann tatsächlich die vermuteten Zusammengehörigkeiten mit anderen Gemäldeleinwänden? Die Röntgenstrahlen werden es ans Licht bringen.
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