Der Geschmack unserer Tränen: Food Design im Kunstgewerbemuseum
Ein Design-Kollektiv erinnert im Kunstgewerbemuseum daran, dass auch wir Menschen Teil eines Nahrungskreislaufes sind – und anderen Organismen von Motten bis großen Raubtieren als Mahlzeit dienen können. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Neila Kemmer war bei der Performance im Rahmen der „Food Revolution“ dabei.
Text & Bilder: Neila Kemmer
Wir essen allerlei andere Lebewesen – warum können wir uns aber kaum vorstellen, dass auch wir Teil des natürlichen Nahrungssystems sind? Damit sind nicht nur Raubtiere wie Haie oder Großkatzen gemeint, die uns als Beute ansehen können. Es gibt zum Beispiel Motten, die die Tränen von Säugetieren verspeisen; es tummeln sich Millionen von Mikroorganismen auf und in unseren Körpern, die uns verstoffwechseln und unsere Körper werden nach unserem Tod von einer ganzen Armee von Insekten verwertet.
Mit unserer Rolle im globalen Nahrungssystem setzt sich auch das das international aktive Design-Kollektiv The Center for Genomic Gastronomy auseinander und stellt uns vor die Frage: Sollten wir uns nicht besser mit dem Gedanken anfreunden, dass wir auch Wirt und Nahrungsquelle sind? Und, um gleich noch einen Schritt weiter zu gehen, sollten wir dann nicht auch gut schmecken?
In einer Performance im Rahmen der „Food Revolution“ im Kunstgewerbemuseum gehen die Designer den Fragen praktisch auf den Grund. Die Performance beginnt mit dem Eintreffen der Gäste, es werden Häppchen serviert, mit denen es eine besondere Bewandtnis hat. Der Designer Zack Denfield vom CGG lüftet später das Geheimnis: Dieser mit einem schwarzen Label markierte, luftgetrocknete spanische Schinken erhält seinen besonderen Geschmack durch die spezielle Fütterung der iberischen Schweine. Könnten wir unsere Tränen oder unsere Haut nicht auch aromatisieren, indem wir eine spezielle Diät einhalten oder Einfluss auf unsere Emotionen nehmen? Das glückliche Schwein schmeckt doch auch besser, sagt man. Der Knoblauch zumindest, den wir auch gerade gegessen haben, schützt uns davor, von einem wilden Tiger gefressen zu werden.
Die Performance nimmt ihren Weg durch die Ausstellung und wir landen bei der gleichnamigen Installation TO FLAVOUR OUR TEARS. Zack Denfield lädt das Publikum ein, für die Motten Tränen zu sammeln, Wattestäbchen stehen bereit. Damit reichlich Tränen fließen, bietet er an, ihm gegenüber Platz zu nehmen und sich gegenseitig traurige Geschichten zu erzählen . In der Moth Bar, die Teil des (noch) fiktiven Restaurants ist, in dem wir uns „zum Frass vorwerfen“ könnten, stehen auch mehrere Gerätschaften zur Tränenproduktion und -sammlung bereit. Dort hätten wir auch die Möglichkeit, unsere Füße in ein Becken mit Spa-Fischen zu halten oder uns – nach dem Ableben – im Rooftop Burial Ground begraben zu lassen.
Die Ausstellung „Food Revolution 5.0“ im Kunstgewerbemuseum läuft noch bis 30.9.2018.
Die Performance fand im Rahmen des ersten der vier Design Talks statt, die die Ausstellung begleiten. Die Fishbowl-Diskussion am 24. Mai 2018 drehte sich um das Thema „Essbare Stadt“.
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