Die Welle zum neuen Museum surfen – Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek im berlin modern
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Das berlin modern wird das Museum für das 20. Jahrhundert am Kulturforum. Dagmar Korbacher und Moritz Wullen sprechen über Perspektiven für Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek im neuen Haus.
Interview: Ingolf Kern & Sven Stienen
Der Grundstein für das berlin modern wurde gerade gelegt, die Bauarbeiten schreiten voran und auch die Eröffnung des neuen Museums, in dem neben der Nationalgalerie auch Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek präsent sein werden, rückt näher. Wie blicken Sie auf das Haus?
Dagmar Korbacher: Ich blicke mit großer Zuversicht und Freude auf dieses Haus, weil es uns ermöglicht, das Kupferstichkabinett ganz neu zu denken. Es werden etwa 25.000 Kunstwerke aus unserer Sammlung in das berlin modern einziehen und dort auf zwei Ausstellungsflächen gezeigt werden. Auf diesen Flächen können wir ganz verschiedene Ansätze ausprobieren. Wir können dort beispielsweise auch mal Großformate in einem klassischen White Cube zeigen oder in unserem sogenannten “Paper Lab” Kunst auf Papier experimentell und partizipativ erlebbar machen – darauf freuen wir uns besonders.
DK: Das Paper Lab ist ein Raum, in dem man Kunst auf Papier nicht nur betrachten, sondern auch fühlen kann. Besuchende werden dort Papiere und Strukturen unter dem Mikroskop anschauen oder Drucktechniken vergleichen können. Diese intensive Auseinandersetzung mit den Werken ist nicht zuletzt sehr wichtig, weil die Kunst auf Papier im 20. Jahrhundert eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat – man denke etwa an die Lithografie „Nie wieder Krieg“ von Käthe Kollwitz, die bis heute auf Demonstrationen zu sehen ist. Wir wollen im berlin modern neue Wege erkunden, um der Faszination und Bedeutung von Kunst auf Papier auf den Grund zu gehen.
Restauratorin Lina Wällstedt mit einem der Kunstwerke, die für den Umzug ins „berlin modern“ vorbereitet werden. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Sven Stienen
Das neue Museum wird berlin modern heißen. Während der ersten Planungen wurde es als “Museum des 20. Jahrhunderts” bezeichnet – hätten Sie diesen Namen gern behalten?
Moritz Wullen:Vom Inhalt her bleibt es ja ein Museum des 20. Jahrhunderts und eröffnet dem Publikum eine fantastische Chance, das 20. Jahrhundert in der Vielfalt seiner Modernen aus den multimedialen Perspektiven des 21. Jahrhundert ganz neu zu entdecken. Gemeinsam repräsentieren die im Neubau zusammenwirkenden Institutionen diese Vielfalt mit einer weltweit einzigartigen Konstellation von Museumssammlungen. Was die Kunstbibliothek dabei so besonders macht, sind ihre Sammlungen zur Architektur, zum Design, zur Mode, zur Fotografie zur Buch- und Medienkunst. Das sind die Outdoor-Künste der Moderne, mit denen wir die Brücke schlagen wollen zu den Lebenswirklichkeiten außerhalb des Museums.
Was zeigt die Kunstbibliothek im neuen Museum?
MW: Wir wollen mit unseren Beständen die Modernen des 20. Jahrhunderts in ihrer vollen medialen Sprengkraft zeigen: Street Fashion und Haut Couture in Zeichnungen, Drucken und Fotografien, Produkt und Kommunikationsdesign der Konsum- und Industriegesellschaft in Plakaten und Werbemedien, Architekturvisionen in originalen Entwürfen und Modellen bedeutender Architekten wie Erich Mendelsohn, Heinrich Tessenow oder Mies van der Rohe, die Neudefinition der Medien in skulpturalen Buchobjekten und experimentellen Grafiken. Kunst – das war die revolutionäre Erkenntnis der Avantgarden – agiert und wirkt überall, nicht nur auf Leinwänden, in Ateliers oder in Museen.
Willy Römer , Sonntags vor dem Zelt 3 promenierten die Berliner bei Freikonzert mit Kind und Familie unter dem Bäumen des Tiergartens. , Motiv 1 von 4 , Aufnahmedatum: 1910 , Aufnahmeort: Berlin , Copyright: bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer
Gibt es schon Überlegungen, wie die verschiedenen Kunstgattungen konkret integriert werden und in Interaktion treten können?
DK: Unsere Kurator:innen sind bereits in einem intensiven Austausch über die Verbindung der verschiedenen Kunstgattungen. Aber wir wollen natürlich in unserem Ausstellungsraum auch eigene Akzente setzen. Der Ausstellungsraum des Kupferstichkabinetts wird direkt neben dem Wechselausstellungsraum der Nationalgalerie liegen und es ist auch konzeptionell vorgesehen, dass wir einerseits gemeinsame Ausstellungen machen können, andererseits auch gegensätzliche Positionen aufzeigen können. Das ermöglicht uns, die Spannungen zu thematisieren, die es im 20. Jahrhundert reichlich gegeben hat.
MW: Das berlin modern ist ein kreativer Raum, in dem die beteiligten Institutionen im Zusammenspiel die multimediale Vielfalt des zwanzigsten Jahrhunderts erforschen und erlebbar machen wollen. Unsere jeweiligen Aktivitäten werden sich deshalb nicht nur auf die Räumlichkeiten beschränken, die uns zugewiesen sind, sondern werden auch darüber hinauswachsen. Deshalb wollen wir als Kunstbibliothek nicht nur eng mit dem Kupferstichkabinett und der Nationalgalerie zusammenarbeiten, sondern auch mit den anderen Anrainern des Kulturforums: der Staatsbibliothek, dem Staatlichen Institut für Musikforschung sowie dem Kunstgewerbemuseum und der Gemäldegalerie.
Soll diese Zusammenarbeit in Form von Sonderausstellungen erfolgen?
DK: Nicht ausschließlich, wir können uns da auch andere Projekte und Formate vorstellen. Das Kulturforum ist ein unglaublich interdisziplinärer und multimedialer Ort, aber wir haben nirgendwo eine Ausstellungsfläche, wo wir diese Multimedialität und diese Interdisziplinarität leben können. Jetzt bekommen wir mit dem berlin modern ein ganz neues Haus quasi vor die Tür gestellt und das müssen wir gemeinsam nutzen.
MW:
Die Museen sind schon jetzt schon auf dem inhaltlichen Weg zum berlin modern. Die aktuelle Ausstellung „Gerettete Moderne“ im Kupferstichkabinett ist da ein ganz wichtiges Beispiel. Auch wir in der Kunstbibliothek haben uns schon mal warm gelaufen mit der Ausstellung „Großes Kino: Filmplakate aller Zeiten“, die wir diesen Winter in Kooperation mit der Berlinale hier am Kulturforum gezeigt haben. Diese Ausstellung hat deutlich gemacht, dass wir nicht nur eine Bibliothek, sondern auch ein ganz großes Museum sind. Die schönsten, größten Plakate unserer Sammlung – zum Beispiel das legendäre „Metropolis“-Plakat – werden in berlin modern in einem eigenen Schaudepot dauerhaft für das Publikum zu bewundern sein. Und nicht zu vergessen: Unser Forschungsprojekt „Die Kunstgeschichte(n) des Tiergartens“. Dazu starten wir jetzt im April eine Vortragsreihe, die über das ganze Jahr immer neue Blicke auf die Modernen vor 1933 öffnen wird.
In der Öffentlichkeit dreht sich die Debatte momentan sehr stark um den ökologischen Aspekt des Baus, auf der anderen Seite ist immer von einem Sammler-Museum die Rede, dessen Wohlergehen von den Entscheidungen privater Sammler abhängt. Warum ist es so schwierig, die eigentlichen inhaltlichen Konzeptionen für das Museum in dieser Debatte zu verankern?
DK: Das Museum ist heute kein Elfenbeinturm mehr, sondern ein Ort in der Mitte der Gesellschaft, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen einen Anteil haben sollten. Diesen Anspruch haben wir für das neue Museum. Von den etwa 25.000 Werken, mit denen wir dort einziehen, stammen viele aus Schenkungen von Sammler:innen, beispielsweise allein im vergangenen Jahr knapp 800 Werke aus der Sammlung von Paul Maenz und Gerd de Vries, und deswegen ist der Neubau am Kulturforum auch wichtig für uns, weil wir ganz einfach den Platz brauchen. Und eine Museumssammlung ist nie abgeschlossen, sie wächst stetig weiter, durch weitere Schenkungen aber auch durch bürgerschaftliches Engagement, durch Freundeskreise und uns zugewandte Künstler:innen. Ich würde das alles nicht so voneinander trennen, ich glaube, dass ein Museum zuerst gelebt werden muss, damit die Sammlung in ihrer ganzen Tragweite erkennbar und wirksam wird.
MW: Unter dem Eindruck des anthropogenen Klimawandels hat die Politik die Notbremse gezogen und dafür gesorgt, dass der Neubau ökologisch und energetisch den Anforderungen der Zukunft gerecht werden kann. Diese Revision hat für alle viel Arbeit bedeutet. Nun ist es Zeit, über die Inhalte und Strategien zu sprechen. Die Neugier der Gegenwart auf die Moderne ist groß, denn Architektur, Design, Mode, Kommunikation und Medien waren und sind die zentralen kreativen Felder, wo Zukunftsfragen zu Gestaltungsfragen werden: Wie wollen wir wohnen, wie formen wir unsere urbanen Lebensräume, wie wollen wir uns kleiden, wie gestalten wir unsere Kommunikation in Text und Bild? Aber auch: wie können wir gestalterisch mit unserer Umwelt interagieren, ohne sie auszubeuten und zu zerstören?
Sie haben gerade über das Projekt zum Tiergartenviertel gesprochen und darüber, dass das Museum hier an einem geschichtsträchtigen Ort entsteht. Wie wird dieser Ort, werden die Akteure von damals im berlin modern thematisiert werden?
MW: Eine wichtige Inspirationsquelle für uns ist die Geschichte des Areals rund um die Baustelle von Berlin modern. Von den Anfängen der Moderne bis zur Zerstörung des Viertels im NS-Staat wurde rund um das heutige Kulturforum Kunst in internationalem Stil geschaffen, gesammelt, gehandelt und kommuniziert. Hier, in einem der schönsten Stadtviertel Berlins, lebten und wirkten die Netzwerker*innen der Avantgarden: Literatur-, Musik-, Architektur- und Modeschaffende, Bildende Künstler*innen, Sammler*innen und Verleger*innen. Das ist ein untergegangenes Atlantis der Moderne, das bis auf wenige Reste völlig verschwunden ist. Viele Objekte unserer Sammlungen erzählen von den Menschen, die hier gelebt und internationale Kunstgeschichte geschrieben haben. Objekte können begnadete Erzähler sein!
Seit einiger Zeit ist die Begrünung des Kulturforums und die Erweiterung des Tiergartens bis zur Piazzetta ein prominentes Thema. Es gibt viele Aktionen und Veranstaltungen wie die Baumschule Kulturforum oder den jährlichen „Tag im Grünen“. Sind diese Aktionen eine Vorbereitung darauf, was in dem neuen Museum passieren wird oder ist es ein Zufall, dass all das zeitgleich geschieht?
DK: Das kann man nicht voneinander trennen, es ist eine Dynamik, auf die all diese verschiedenen Faktoren einwirken. Für mich fühlt es sich wie eine Welle an, auf der wir zum neuen Museum surfen. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, denn diese Dynamik verhindert, dass das neue Museum am Ende als singuläres Haus hinzukommt. Wir haben heute die Chance, das ganze Stadtviertel rund ums Kulturforum zu einem lebendigen urbanen Raum zu machen. Das Kulturforum wird gerne schlecht geredet, aber ich bin seit 18 Jahren fast täglich hier und es ist ein toller, lebendiger Ort mit Aufenthaltsqualität. Man merkt das, wenn man an einem schönen Sommerabend auf der Piazzetta verweilt und das Panorama des Potsdamer Platzes vor dem Abendhimmel sieht; wenn man im Sommerkino einen guten Film anschaut oder die verborgenen Gärten des Kulturforums entdeckt, etwa im Kunstgewerbemuseum, oder eben kurz hinüber in den Tiergarten geht und dort den Wechsel der Jahreszeiten erlebt.
Das Projekt „Baumschule Kulturforum“ wirbt für eine Begrünung des Areals. Foto: Leo Seidel
MW: Die kreative Szene in Berlin, die Mode, nicht zuletzt die Fashion Week sind ganz begeistert vom spröden Charme des Kulturforums. Diese völlig irre Konstellation von Hochkunst, ehrwürdigen Museen, Baustellen, Kränen, Dixie-Klos, Philharmoniebesuchern und Skatern: das ist Berlin von seiner besten Seite. Dieses Potenzial darf und wird mit berlin modern nicht verlorengehen. Im Gegenteil, es geht darum, dieses Potenzial für die Zukunft zu nutzen. Im Idealfall wird Berlin modern eine Plattform sein, das all diese Publika, Lebensformen und Institutionen fortwährend neu kombiniert und dadurch Neues schafft.
Was würden Sie sich für die Zusammenarbeit der Einrichtungen in Zukunft wünschen?
MW: Das zwanzigste Jahrhundert ist das Jahrhundert eines nie dagewesen Medienmixes in der Menschheitsgeschichte und diese Interdisziplinarität, diese Vielfalt, die müssen wir auch leben. Das funktioniert nur in einem lebendigen Austausch zwischen allen Beteiligten und nicht nur zwischen den Direktionen, sondern auch zwischen den Wissenschaftler:innen. Die SPK zeichnet sich durch genau diese hohe Dichte an Disziplinen und Expertisen aus. Es wäre schön, wenn sich ein Forum ergeben würde, aus dem heraus gemeinsam die Ideen für das berlin modern entwickelt werden.
DK: Das berlin modern ist keine Burg mit Zinnen und einem Graben außenherum, die allein für sich steht und in der wir als Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek einfach Räume bespielen. Es geht auch darum, das Kunstgewerbemuseum und die Gemäldegalerie mit reinzuholen. Keines der Häuser hier ist ein Solitär und wir wollen die Vernetzung weiterhin stärken, um davon profitieren zu können und zu strahlen.
In der Ausstellung „Die gerettete Moderne“ im Kupferstichkabinett werden herausragende Werke der Moderne auf Papier gezeigt, unter anderem Otto Mueller: Fünf gelbe Akte am Wasser, 1921; Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Volker-H. Schneider
Wenn man von außen auf den Prozess schaut, dann gewinnt man den Eindruck, dass alles gerade ziemlich aufregend ist – eine Transformation, viele Chancen, viele Herausforderungen. Wie erleben Sie die Zeit gerade?
DK: Bei mir überwiegt eindeutig die Freude über die Chancen, unser Museum neu aufstellen und neu denken zu können. Es geht dabei nicht nur darum, die Präsenz im berlin modern vorzubereiten, sondern auch die Präsenz in unseren angestammten Räumlichkeiten am Kulturforum neu zu denken. Und ich sehe eben auch eine große Chance in der Vernetzung mit den anderen Sammlungen und Instituten, auch im Hinblick auf die Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein. Im Moment haben wir kaum die Möglichkeit, wirklich große Besuchsströme zu bewältigen – im neuen Museum werden uns größere Räume zur Verfügung stehen, in denen wir ganz andere Formate entwickeln können. Darauf freue ich mich sehr.
MW: Wir leben in einer aufregenden Zeit vielfältiger, einander beschleunigender Transformationen. Bereits im Rückblick auf die Modernen des 20. Jahrhunderts wird deutlich, wie eng die Künste mit den Medien, Ideologien und politischen Systemen verflochten waren. Berlin modern könnte zu einem Experimentierraum werden, wo diese Multidimensionaliät der Künste von den Wissenschaften und den Publika gemeinsam erforscht werden kann. Aus dieser Programmatik heraus wollen wir auch jene Museen, Archive und Bibliotheken am Kulturforum zum Mitmachen begeistern, die zwar starke Sammlungen zum 20. Jahrhundert haben, aber im Neubau nicht vertreten sind. Viele sammeln zu den gleichen Themen oder sind auf weitere musikalische und literarische Avantgarden spezialisiert wie z.B. das Ibero-Amerikanische Institut, das Staatliche Institut für Musikforschung oder die Staatsbibliothek zu Berlin. Auch die Museen des Standorts Dahlem ein eminent wichtiger Partner, wenn es darum geht, europäische Narrative der Moderne aufzubrechen und eine neue Kultur der Erinnerung an das 20. Jahrhundert aufzubauen.
Dagmar Korbacher, Direktorin des Kupferstichkabinetts, und Moritz Wullen, Direktor der Kunstbibliothek, am Kulturforum; Foto: SPK / Dominik Twillemeier
Das 20. Jahrhundert ist nicht nur eine Geschichte von Aufbruch und Revolution, sondern auch von schlimmen Brüchen, von Exil, Vertreibung, Ausgrenzung. Wie wird das berlin modern damit umgehen?
MW: Die an Berlin modern beteiligten Museen spiegeln in ihren Sammlungen die Dynamik des Kommunikationssystems „Kunst“ in einem Jahrhundert der Umbrüche und Extreme. Auch die Kunstbibliothek besitzt diffiziles Kulturerbe, etwa die aus heutiger Sicht völlig bizarren Plakate der Kolonialzeit und der Propagandamaschinerie des NS-Staats, sowie den 2018 erworbenen fotografische Nachlass von Leni Riefenstahl. Gemeinsam mit unterschiedlichen Akteuren entwickeln wir Methoden, solche ‚toxischen‘ Bestände zu erschließen und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für Berlin Modern ist das eine große, aber auch spannende Herausforderung!
DK: Mit unserer aktuellen Ausstellung im Kupferstichkabinett, „Die gerettete Moderne“, in der es um die Zivilcourage eines Kurators gegenüber dem NS-Staat geht, haben wir innerhalb der ersten vier Wochen über 12.000 Besucher:innen erreicht. Das zeigt, dass es sehr wirksam ist, diese schmerzvolle und schwierige Geschichte nicht nur mit Gedenktafeln und Stelen zu thematisieren, sondern sie immer wieder neu zu erzählen. Und da ist das Kupferstichkabinett mit seiner Flexibilität, mit der Kunst auf Papier, die wir auch mal in einer Pop-Up-Ausstellung für einen Tag zeigen können, einfach prädestiniert. Auf diese Weise können wir die Geschichte lebendig halten, ohne eine statische Gedenkstätte zu werden.
Die Ausstellung zur „geretteten Moderne“ ist umso wichtiger, weil viele der Meinung sind, dass gerade bei den Staatlichen Museen zu Berlin im Nationalsozialismus viele doch eher auf der Täterseite gestanden hätten…
DK: Geschichte ist nie Schwarz-weiß, das gilt für die Museumsgeschichte ebenso wie für die Geschichte der Werke in unserer Sammlung. Da spielt auch die Provenienzforschung heute eine ganz wichtige Rolle, in der die SPK mit dem Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin und anderen Einrichtungen sehr proaktiv unterwegs ist. Und wir zeigen immer wieder die Geschichten der Kunstwerke, die die Provenienzforschung aufdeckt. Dass wir damit die Erinnerung an verfolgte und geschädigte Menschen wachhalten, ist ein Zeichen des Respekts diesen Menschen gegenüber. Das machen übrigens auch die Volontär:innen der Museen mit ihrer Ausstellung „(Un)seen Stories“, die ab Ende Mai im Kupferstichkabinett zu Gast sein wird. Auch da geht es um die Geschichten, die die Provenienzforschung offenbart, um Geschichten von Wertewandel, von Hass, Zerstörung und Vertreibung – etwas, das man den Kunstwerken auf den ersten Blick nicht ansieht. Das wird sicher einige zum Stutzen bringen, aber genau darüber erreichen wir die Menschen heute und können Impulse in die Gesellschaft bringen.
MW: Allein schon unsere tagtägliche Sammlungsarbeit konfrontiert uns kontinuierlich mit der Verstrickung der Museen in die kulturpolitischen Machenschaften des Nationalsozialismus. Immer wieder stoßen wir bei unseren mehr als 1 Million Sammlungsobjekten auf Unrechtszusammenhänge. Mit Unterstützung des Zentralarchivs der Staatlichen Museen rekonstruieren wir diese Kontexte und publizieren sie, um mögliche Wissensträger außerhalb der Museumsinstitutionen auf diese Fälle aufmerksam zu machen. Eine große Hilfe dabei ist auch die von uns gemeinsam mit dem Getty Research Institute und der Universitätsbibliothek Heidelberg realisierte digitale Datenbank „German Sales“ zu den Auktionskatalogen der Jahre 1930-1945. Diese kritische Arbeit mit der eigenen Geschichte ist ebenso notwendig wie spannend und damit auch ein Thema für Berlin modern.
Die Piazzetta am Kulturforum heute; (c) Staatliche Museen zu Berlin / Achim Kleuker
Noch eine Frage zum Kulturforum. Sie haben betont, wie toll es hier ist, inhaltlich, atmosphärisch, von der Zusammenarbeit her. Das ist doch eigentlich ein Idealzustand, von dem man Jahrzehnte lang nur träumen konnte. Ist es tatsächlich so, bekommt dieser Ort nun das, was er wirklich braucht?
MW: Zusammen mit der Leitung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist allen Einrichtungen des Kulturforums bewusst, dass wir das Momentum von Berlin modern nutzen müssen, um das Kulturforum insgesamt neu zu denken. Hier gibt es ganz konkrete Initiativen und Planungsprozesse, die vom Land Berlin entschieden unterstützt und organisatorisch ermöglicht werden. Das Kulturforum braucht einen Masterplan! Es geht um die Sanierung der baulichen Infrastruktur, um neue, nachhaltige Technik, um ein Ausstellungs- und Veranstaltungsmanagement, mit dem jedes einzelne Haus sich optimal entfalten kann.
DK: Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg dahin. Wir haben mit den jüngsten Veranstaltungen gezeigt, dass das Kulturforum eine super Partylocation ist, und zwar nicht nur wenn die Museen geöffnet haben. Um das noch besser leben zu können, brauchen wir jedoch mehr Ressourcen, personell, finanziell … Aber diese Dynamik, die hier durch die Zusammenarbeit entstanden ist, hat eine Kreativität aktiviert, durch die wir auch mit den vorhandenen Mitteln schon eine große Ausstrahlung haben können. Wir laden uns gegenseitig zu Gastformaten ein, es gibt Initiativen und auch zunehmend Kooperationen mit externen Akteuren wie jüngst der Initiative Junge Kunst für Hanau, die wir hierher ins Herz des Kulturforums eingeladen haben. Wir können also auch mit Bordmitteln schon viel erreichen und das ist natürlich in mageren Zeiten umso wichtiger. Es ist uns allen klar, dass wir hier nie den Goldesel auf der Piazzetta stehen haben werden, aber wenn wir zusammenhalten und gemeinsam auch mal out of the box denken, dann können wir hier richtig coole Sachen machen.
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