Ein langer Weg. Glasscheiben aus China für die Neue Nationalgalerie
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Glasbruch ist bei der gläsernen Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie schon seit Jahren ein Problem. Um die produktions- und konstruktionsbedingten Mängel zu beheben, steht bei der Grundinstandsetzung eine komplett neue Verglasung an, weiß unsere Redakteurin Constanze von Marlin.
Als Ludwig Mies van der Rohe in den 1960er Jahren die Pläne für die Neue Nationalgalerie finalisierte, reizte er damalige technische Möglichkeiten voll aus. Die beeindruckende Architektur des Hauses basiert auf einem Entwurf, den Mies für ein Bürogebäude der Firma Bacardi Rum auf Kuba entwickelt hatte. Die schwebende und luftige Wirkung eines überdachten Pavillons mit großen Glasfassaden wurde darin vorgedacht und wurde ein Kernelement der Architektur-Ikone am Kulturforum.
Um die gewünschten Proportionen erreichen zu können, ging Mies bis ans Limit der Möglichkeiten damaliger Glasproduktionsverfahren. Im so genannten Libbey-Owens-Verfahren, das 1904 patentiert worden war, wurde das Glas über polierte Stahlwalzen in die gewünschte Form gezogen – so konnten Glasplatten mit bis zu 360 cm Breite hergestellt werden. Während der Bauzeit des Berliner Museums wurden die letzten noch existierenden Gussglasanlagen für dieses Ziehverfahren weltweit vom qualitativ besseren und wirtschaftlicheren Floatglasverfahren abgelöst. Diese Methode, bei der Glas auf flüssigem Zinn schwimmt, um perfekte Oberflächen zu erreichen, wurde von der Firma Pilkington entwickelt – mit einer standardisierten Glasbreite von 321 cm.
Glasbruch seit den 70ern Bei der Wahl des Fassadenrasters mit 360 cm Breite hat Mies van der Rohe die damaligen baulichen Möglichkeiten für die Neue Nationalgalerie voll ausgereizt, nicht ahnend, dass mit dem Ende der Herstellung von Gläsern im Gussglasverfahren in den 1980er Jahren die überbreiten Scheiben produktionsbedingt nur noch geteilt ersetzt werden konnten. Auch bauzeitlich entsprach die Fassadenkonstruktion aus großformatigen Mono-Gussglasscheiben und thermisch nicht getrennten Vollprofilen schon nicht mehr dem damaligen Stand der Technik. Aus ästhetischen Gründen setzte sich Mies jedoch damals mit dieser Stahl-Glas-Konstruktion durch – mit der Folge, dass es regelmäßig zu Glasbruch kam und Kondensat anfiel.
Glasbruch tritt in der Neuen Nationalgalerie konstruktionsbedingt seit Mitte der 1970er Jahren auf. „Die Ursachen“, so der Projektleiter Daniel Wendler vom Büro David Chipperfield Architects, „sind Korrosion im Bereich der Glashalteleisten, statisch unterdimensionierte Oberscheiben sowie erhebliche Verformungen der Stahlkonstruktion der Fassade durch Temperaturdehnungen sowie Windlasten“. Durch die entstandenen Risse und Glasbrüche, aber auch durch die Einfachverglasung der Fassade der oberen Halle, war die Sicherheit dort zuletzt nur noch eingeschränkt gegeben.
Zwischen Denkmalschutz und Sicherheit Auch wenn nur noch wenige der originalen Gussglasscheiben erhalten sind, müssen angesichts der sicherheitstechnischen Mängel alle Scheiben des Gebäudes ausgetauscht werden. Diese Entscheidung ist in Abstimmung mit den denkmalpflegerischen Zielsetzungen der Grundinstandsetzung für die Neue Nationalgalerie getroffen worden. Die obere Ausstellungshalle erhält wieder eine Verglasung mit großformatigen, ungeteilten Scheiben, allerdings kann die ursprüngliche Scheibenstärke bei den erforderlichen Sicherheitsansprüchen nicht eingehalten werden. Die neuen Scheiben werden nun aus mehrlagigem Verbundsicherheitsglas hergestellt, das zweieinhalb Mal so dick ist wie das Originalglas und durch seine Beschaffenheit auch höhere Spannungen aushält.
Um den größeren Glasaufbau aufnehmen zu können, müssen die Leisten eingekürzt werden, die bisher die Glasscheiben in der Fassade gehalten haben. Um künftig die Korrosion am Rahmen zu vermeiden, wird die Fuge zwischen Glashalteleiste und Verglasung zur besseren Abdichtung gegen Feuchtigkeit innen dampfdicht und außen dampfoffen ausgebildet. Eine weitere Verbesserung sind statische Maßnahmen an der Stahlkonstruktion wie das Einbringen von Dehnpfosten, steifen Gebäudeecken, zu denen auch die Gläser beitragen, und die Entkopplung von Fassade und Dachträger, so dass Temperaturausdehnungen und Wind die Glasflächen zukünftig weniger unter Spannung setzen.
Glas aus Peking Die Ausführung der Scheiben erfolgt in Anlehnung an die bauzeitliche Glasfarbe in Weißglas. Zur Festlegung der Farbigkeit wurden die originalen Glasscheiben in ihrer Zusammensetzung analysiert. Das Kalk-Natron-Glas enthält relativ wenig Eisen, Arsen und Fluor, wahrscheinlich wegen einer Blasenfreiheit und Entfärbung des Glases, entsprechend dem heutigen Weißglas.
Weltweit konnte bisher nur ein einziger Glashersteller gefunden werden, der Floatglasscheiben in der für das Sanierungsvorhaben notwendigen Breite produziert. Südlich von Peking wird das Basisglas hergestellt und von einem Glasveredler mit übergroßen technischen Einrichtungen, ebenfalls ansässig in der chinesischen Metropole, weiterverarbeitet. Herstellung und Transport mit einem Frachtschiff werden insgesamt rund sechs Monate dauern. Durch eine Zustimmung im Einzelfall ist es möglich, die überbreiten Glasscheiben aus China trotz fehlender Zulassung einzubauen. Das Glasmuster überzeugt auch optisch und kommt in seiner Klarheit nahe an das Original heran.
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Die Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie ist ein großes Projekt und Aushängeschild für Berlin. Zwischen Denkmalschutzauflagen eines architektonischen Kunstwerks und den Richtlinien für heutiges Bauen muss die Haupthalle restauriert und ein neuer Teil angebaut werden. Auch Jahrzehnte nach der Erbauung ist dies ein erstaunliches Musterstück des Glashallenbaus.
Es ist ein Skandal, dass hier wieder Einfachverglasung eingesetzt wurde, entgegen Vorgaben der Energieeinsparverordnung, und übrigens auch gegen die Regeln der Baukunst – die Defizite wie Kondensatbildung hatten sich ja schon erwiesen. Das ergibt auch kein gutes Klima für die ausgestellte Kunst. Das Konzept der Halle stammt ursprünglich von einer Planung für Kuba, da war es klimatisch wohl angemessen. Der Energiebedarf wird künftig durch Gebläse, die die Fensteroberfläche zusätzlich erwärmen, noch erhöht.
Die Entscheidung, bei der Neuen Nationalgalerie die Einfachverglasung zu behalten, war keinesfalls eine einfache Entscheidung. Selbstverständlich wurde eine Mehrfachverglasung umfangreich geprüft, wie Sie den verschiedenen Publikationen zur Sanierung (oder auch Webseite http://www.neue-nationalgalerie-elements.de entnehmen können. Eine Mehrfachverglasung hätte zu einer drastischen Veränderung der Stahl-Glas-Fassade geführt – so drastisch, dass man sich weit von der historischen Ästhetik entfernt hätte. Das Gebäude ist jedoch weltweit berühmt als Schlusspunkt einer klassischen Moderne, gerade auch als ein beispiellos offener Universalraum. Wenn man in Deutschland die wichtigsten Gebäude des 20. Jahrhunderts aufzählen soll, steht die Neue Nationalgalerie auf den vordersten Plätzen. Aus dieser Wertschätzung heraus für den architektonischen Entwurf wurde entschieden, den Bau in seiner historischen Gestalt zu erhalten –und eher im Betrieb ökologischer als bisher zu betreiben. So sind energetisch problematisch all jene Ausstellungen in der Halle, die mit festen Klimawerten verbunden sind. Aber eine Ausstellung wie beispielsweise „Monica Bonvicini“, die wir diese Woche in der Halle eröffnen, braucht kein streng eingehaltenes Museumsklima. Insofern betreiben wir die offene Halle flexibler als früher. Sie hat viel Sonnenlicht –von daher gibt es nicht nur Energieverlust nach außen, sondern auch Energieeintrag nach innen. Wir nehmen die Energiefragen sehr ernst, und bedanken uns für Ihr Interesse. Beste Grüße Joachim Jäger
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Die Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie ist ein großes Projekt und Aushängeschild für Berlin. Zwischen Denkmalschutzauflagen eines architektonischen Kunstwerks und den Richtlinien für heutiges Bauen muss die Haupthalle restauriert und ein neuer Teil angebaut werden. Auch Jahrzehnte nach der Erbauung ist dies ein erstaunliches Musterstück des Glashallenbaus.
Es ist ein Skandal, dass hier wieder Einfachverglasung eingesetzt wurde, entgegen Vorgaben der Energieeinsparverordnung, und übrigens auch gegen die Regeln der Baukunst – die Defizite wie Kondensatbildung hatten sich ja schon erwiesen. Das ergibt auch kein gutes Klima für die ausgestellte Kunst. Das Konzept der Halle stammt ursprünglich von einer Planung für Kuba, da war es klimatisch wohl angemessen.
Der Energiebedarf wird künftig durch Gebläse, die die Fensteroberfläche zusätzlich erwärmen, noch erhöht.
Die Entscheidung, bei der Neuen Nationalgalerie die Einfachverglasung zu behalten, war keinesfalls eine einfache Entscheidung. Selbstverständlich wurde eine Mehrfachverglasung umfangreich geprüft, wie Sie den verschiedenen Publikationen zur Sanierung (oder auch Webseite http://www.neue-nationalgalerie-elements.de entnehmen können. Eine Mehrfachverglasung hätte zu einer drastischen Veränderung der Stahl-Glas-Fassade geführt – so drastisch, dass man sich weit von der historischen Ästhetik entfernt hätte. Das Gebäude ist jedoch weltweit berühmt als Schlusspunkt einer klassischen Moderne, gerade auch als ein beispiellos offener Universalraum. Wenn man in Deutschland die wichtigsten Gebäude des 20. Jahrhunderts aufzählen soll, steht die Neue Nationalgalerie auf den vordersten Plätzen. Aus dieser Wertschätzung heraus für den architektonischen Entwurf wurde entschieden, den Bau in seiner historischen Gestalt zu erhalten –und eher im Betrieb ökologischer als bisher zu betreiben. So sind energetisch problematisch all jene Ausstellungen in der Halle, die mit festen Klimawerten verbunden sind. Aber eine Ausstellung wie beispielsweise „Monica Bonvicini“, die wir diese Woche in der Halle eröffnen, braucht kein streng eingehaltenes Museumsklima. Insofern betreiben wir die offene Halle flexibler als früher. Sie hat viel Sonnenlicht –von daher gibt es nicht nur Energieverlust nach außen, sondern auch Energieeintrag nach innen. Wir nehmen die Energiefragen sehr ernst, und bedanken uns für Ihr Interesse.
Beste Grüße
Joachim Jäger