Eine „Research-Autobahn“ bauen – Jane Milosch und das Austauschprogramm für Provenienzforschung PREP
Im September treffen sich 21 deutsche und amerikanische Museumsfachleute in Berlin, um sich über Provenienzforschung auszutauschen. Jane Milosch, Direktorin der Smithsonian Provenance Research Initiative, im Gespräch über das Deutsch-Amerikanische Austauschprogramm für Provenienzforschung (PREP).
Interview: Birgit Jöbstl (englische Version)
Dank PREP, einem dreijährigen Austauschprogramm, das von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und der Smithsonian Institution organisiert wird, treffen sich drei Gruppen von je elf deutschen und zehn amerikanischen Museumsfachleuten zweimal im Jahr – einmal in Deutschland, einmal in den USA – um voneinander über Provenienzforschung zu lernen. Frau Milosch, wie sind Sie auf die Idee gekommen, PREP ins Leben zu rufen?
Jane Milosch: Ich bin selbst stark geprägt durch deutsch-amerikanischen Austausch und möchte, dass auch andere die Möglichkeit haben, ihr Verständnis für diese beiden Länder zu erweitern. Als ich 2008 die Smithsonian Provenance Research Initiative gegründet habe, hatte ich das Glück, dass Laurie Stein als Provenienzforscherin für uns tätig war. Laurie hatte sowohl in den USA als auch Deutschland gearbeitet, und mit ihr konnte ich an einem Treffen des Arbeitskreises für Provenienzforschung teilnehmen. Ich war damals überrascht, dass so viel Provenienzforschung zu NS-Raubkunst in Deutschland durchgeführt wurde – dass aber nur sehr wenige Menschen außerhalb Deutschlands davon wussten. Und ich dachte: Wir sollten unsere Museums-Experten zusammenbringen – die Forscher in Deutschland mit ihren Kollegen in den USA, und so mit unserem gemeinsamen Wissen und unserer Kompetenz eine Art „Forschungsautobahn“ aufbauen.
Wann war das?
2011 hat die Smithsonian Provenance Research Initiative (SPRI) ein zweitägiges internationales Symposium in Washington, D.C., organisiert, das die Forschungsanstrengungen zu NS-Raubkunst in den USA und im Ausland zeigte. Mir wurde dabei klar, dass einzelne Treffen nicht ausreichen, sondern dass wir eine langfristige, dauerhafte Verbindung brauchen. Es ist schwierig, Mittel für Austauschprogramme zu finden, aber 2012 hat uns der deutsche Kulturattaché in Washington, Bertram von Moltke, auf die Fördermöglichkeit durch das European Recovery Program hingewiesen – und fünf Jahre später ermöglichte uns tatsächlich das ERP, das Austauschprogramm zu starten.
Während wir an dem Projektantrag arbeiteten, wurde der Fall Gurlitt zum Thema, und ich wurde gebeten, Mitglied im Beratergremium der Task Force „Schwabinger Kunstfund“ zu sein. Dabei wurde mir klar, dass die Art und Weise, wie wir Provenienzforschungsprojekte in den USA angehen, ganz anders ist als es bei diesem Projekt der Fall war. Und ich habe gesehen, dass die Forschung zum Thema multidisziplinär geworden ist. An PREP können deshalb nicht nur Provenienzforscher teilnehmen, sondern auch Kuratoren, Sammlungsmanager, Archivare, Rechtsanwälte, IT-Spezialisten und Absolventen.
Wann ist die SPK ins Boot gekommen?
Weil ich wegen der Gurlitt Task Force oft in Berlin war, merkte ich, dass es großartig wäre, dort eine Partnereinrichtung für das Programm zu haben. Laurie Stein und ich trafen uns mit Experten der SPK, denen die Bedeutung einer solchen Partnerschaft und des Austauschs sofort klar war. Wir haben schnell gemerkt, dass PREP die Kompetenzen unserer beiden großen Institutionen sehr gut verbinden würde. Außerdem haben sowohl Hermann Parzinger als Archäologe als auch mein Chef beim Smithsonian, Richard Kurin, ein Anthropologe, eine breitere Sicht auf die Provenienzforschung: während das Thema manchmal eingeschränkt wird auf Forschung zu NS-verfolgungsbedingten Verlusten, teilen diese beiden die Überzeugung, dass wir von allen Objekte in unseren Sammlungen wissen müssen, woher sie kommen.
Warum konzentriert sich PREP auf Forschung zu Asiatischer Kunst, Kunstgewerbe und Werke auf Papier?
Wir wollten die Perspektive erweitern. Viele Museen denken, es sei damit getan, wenn sie Gemälde, Skulpturen und Judaica prüfen. Die Bereiche, die wir für PREP gewählt haben, standen bisher nicht so sehr im Fokus. Asiatische Kunst war für das Smithsonian auch interessant, weil die eine Rückgabeforderung, die wir für NS-Raubkunst Kunst hatten, eine chinesische Bronze betraf. In Kunstgewerbesammlungen wurde noch nicht so viel recherchiert, obwohl Meissner Porzellan häufig gesammelt wurde. Und die grafischen Künste – ich merkte in der Gurlitt Task Force, wie viel Kunst auf Papier war, und wie schwer es aber ist, diese zu erforschen.
Weshalb findet im Rahmen jeder Austauschwoche auch ein öffentlicher Termin statt?
Das ist sehr wichtig! Leider weiß die Öffentlichkeit noch zu wenig über Provenienzforschung in unseren Museen. Wir informieren darüber, wie wir arbeiten, was wir machen. Provenienzforschung ist eine komplexe Angelegenheit, ein fortlaufender Prozess, und sie ist nie „fertig“. Die Leute beginnen jetzt erst zu verstehen, dass manche Quellen, die bestimmte Fragen zur Provenienz von Objekten klären würden, noch nicht gefunden wurden und vielleicht niemals gefunden werden, dass die Digitalisierung von Quellen und Bildern teuer und unvollständig ist, dass Quellen widersprüchlich sein können, und dass es Jahre dauern kann, diese Schwierigkeiten zu lösen, wenn es überhaupt möglich ist. Und es ist wichtig, dass es bei Provenienzforschung nicht nur darum geht, festzustellen, ob ein Objekt NS-verfolgungsbedingt entzogen ist, sondern auch darum, die Geschichten der Werke zu teilen, und auch jene ihrer ehemaligen Besitzer.
Wie sind Sie zur Provenienzforschung gekommen?
Nach dem Studium der Kunstgeschichte in Deutschland als Fulbright-Stipendiatin und der Arbeit beim Prestel Verlag in München kehrte ich in die Staaten zurück und war 20 Jahre lang Kuratorin für angewandte Kunst der amerikanischen Nachkriegszeit. An jeder meiner Arbeitsstellen habe ich die Provenienzen von Objekten erforscht. Ich kam zum Smithsonian, um institutionsübergreifende Projekte aufzubauen, und eines von vielen Projekten war die Provenienzforschung. Ich habe nicht erwartet, dass es ein Vollzeitjob werden würde, aber habe gemerkt, dass ich doch einiges zum Thema beitragen konnte.
Was sind Ihre Erwartungen an PREP? Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich?
Langfristig werden wir eine Online-Plattform haben, die es deutschen und amerikanischen Kollegen ermöglicht, sich gegenseitig zu helfen, und ein deutsch-amerikanisches Handbuch zur Provenienzforschung, das ständig aktualisiert und weiterentwickelt wird. PREP wird aktuelle und neue Generationen von Fachleuten dazu motivieren, sich weiter zu vernetzen und institutionelle Partnerschaften zu entwickeln, damit das bestehende Wissen weitergegeben wird. Und ich hoffe, dass wir am Ende der 3 Jahre Mittel zur Erweiterung des Programms auf archäologische Objekte und indigene Werke aus postkolonialen Sammlungen aufbringen können. Wir müssen den Fokus erweitern.
Wenn man Deutschland und die Vereinigten Staaten und die Provenienzforschung in beiden Ländern so gut kennt wie Sie – was würden Sie als die größten Unterschiede bezeichnen?
In Deutschland stellen die Museen oft unabhängige Forscher für Projekte an, also kommen und gehen diese. In den USA wird es zunehmend üblich jemanden für diese Arbeit fest einzustellen. In den Vereinigten Staaten bieten die Universitäten keine Kurse in der Provenienzforschung an, so dass die meisten Museumskuratoren in Zusammenarbeit mit Registrierstellen und Rechtsexperten Provenienzforschung erst im Museum lernen. In Deutschland gibt es mittlerweile Kurse zum Thema an den Universitäten in München, Hamburg und Berlin. Und es gibt so viel mehr Material in Deutschland, also müssen wir Informationen systematisch und digital teilen.
Was wäre aus Ihrer Sicht bei Provenienzforschung zu verbessern?
In den letzten Jahren gab große technologische Verbesserungen dahingehend, wie wir Daten aufzeichnen und teilen können. Da die Provenienzforschungsergebnisse meist im narrativen Textformat geschrieben sind, können wir sie zwar veröffentlichen, aber sie sind sie nicht gut durchsuchbar und können oft nicht mit anderen Datenbanken verknüpft werden. Also haben wir mit Museen in den USA gearbeitet, um dies zu ändern, und wir wollen mit Museen in Deutschland arbeiten, um erzählenden Text in strukturierte, durchsuchbare Daten zu übersetzen. Hier ist auch Getty wichtig. Auch digitale Geisteswissenschaften für Kunstgeschichte sind jetzt eine große Sache. Ich hoffe aber, dass die Leute verstehen, dass es nicht nur darum geht, Informationen im Internet verfügbar zu haben, sondern dass man, wenn man umfassende Ergebnisse erzielen will, auch selbst in die Archive gehen muß, um Dokumente zu studieren und mit Menschen zu sprechen.
Hat das erste PREP-Treffen in New York Ihre Erwartungen erfüllt?
Es war einer der denkwürdigsten Momente meines Lebens – es hat meine Erwartungen übertroffen! Ich sah elf Deutsche und zehn Amerikaner, die für eine Woche zusammen arbeiteten, viele andere Experten aus großen Kunstmuseen und Forschungszentren in New York trafen und neue Freundschaften mit ihren Kollegen schlossen. Ich werde nie vergessen, als nach der Präsentation zum deutschen Rechtssystem die Anwälte der großen amerikanischen Kunstmussen erzählten, dass sie nun dank dieser Präsentation besser verstünden, wie das deutsche Recht in diesem Bereich funktioniert – und wenn sie jetzt Fragen hätten wüssten, wen sie kontaktieren können. Neue Verbindungen dank PREP!
Das deutsch-amerikanische Austauschprogramm PREP wurde von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Smithsonian Institution eingerichtet. Ziel ist die systematische Vernetzung der Provenienzforscher in Museen beider Länder. Weitere Informationen
Im Rahmen des PREP findet am Mittwoch, den 27. September 2017 die Veranstaltung „Warum dauert das so lange? Einblicke in die Praxis der Provenienzforschung zur NS-Raubkunst“ statt. Beginn der Veranstaltung ist 19 Uhr in der Wandelhalle der Gemäldegalerie.
Live-Mitschnitte der Talks im Rahmen von PREP finden sich auf der Plattform Voice Republic.
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