Ethnologisches Museum und Goethe-Institut unterstützen Restaurierung in Angola
Lesezeit 6 Minuten
Mit der Schulung von Restaurator*innen und dem Aufbau einer
Abteilung für Konservierung und Restaurierung engagieren sich das Goethe
Institut und das Ethnologische Museum in Luanda (Angola). Das Projekt
soll den Erhalt gefährdeter Objekte der Sammlung des Museu Nacional de
Antropologia ermöglichen. Die Kuratorinnen Paola Ivanov und Gabriele
Stiller-Kern im Gespräch.
Interview: Stefan Müchler
Wie
kam es zur Zusammenarbeit zwischen Goethe-Institut, den Staatlichen
Museen zu Berlin und dem Museu Nacional de Antropologia in Angola und
was beinhaltet sie? Gabriele Stiller-Kern: Ausgangspunkt unserer Zusammenarbeit ist die enge Verbindung der
Sammlungsgeschichten der ethnologischen Museen in Luanda und Berlin. Im
Ethnologischen Museum in Berlin befindet sich zudem eine der weltweit
wichtigsten und ältesten Sammlungen angolanischer Kunst und materieller
Kultur. Auftakt unserer Zusammenarbeit war ein einwöchiger Workshop in
Berlin, zu dem das Goethe-Institut Angola und das Ethnologische Museum
vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museu Nacional de Antropologia
sowie der Direktion der nationalen Museen Angolas nach Berlin
eingeladen hatten. Wir haben gemeinsam das Depot des Ethnologischen
Museums in Berlin angesehen, die Restaurierungswerkstätte besucht,
Vorträge zur Sammlungsgeschichte gehört, uns über das Humboldt Forum
informiert und einen Aktionsplan für unsere Zusammenarbeit
ausgearbeitet. Diese Zusammenarbeit haben wir dann im Ende 2018 in
Luanda mit einem Memorandum of Understanding besiegelt. Die
Restaurierungsabteilung nahm am 1. Oktober 2020 ihre Arbeit auf.
Gab es noch weitere Kooperationen? Stiller-Kern: Wir haben bereits zahlreiche Projekte zur Aktivierung der Sammlung des
Museums in Luanda organisiert, darunter eine Diskussionsreihe zur
Zukunft des Museums und die Produktion von fünf kurzen
Video-Dokumentationen. In Interviews mit Angehörigen der
Herkunftsgesellschaften lassen wir darin die Geschichte von fünf
Ausstellungsobjekten aus den Sammlungen in Berlin und Luanda, ihre
kulturelle bzw. religiöse Bedeutung sowie ihre aktuelle Einbindung in
die nationalen Gesellschaften Angolas lebendig werden. Zurzeit
übersetzen wir die Objektliste der Angola-Sammlung des Berliner Museums
für unsere Kolleg*innen in Luanda ins Portugiesische. Im Mai
vergangenen Jahres haben wir einen Workshop „Konservierung und
Restaurierung“ am Museu Nacional de Antropologia organisiert, der von
Eva Ritz, einer Restauratorin des Ethnologischen Museums in Berlin,
geleitet wurde. Die Initiative zu diesem Workshop ging von den
Mitarbeiter*innen des Museums in Luanda aus. Dabei wurde allen
Beteiligten schnell klar, dass ein einwöchiger Workshop nicht die Lücke
einer materiell und personell unzureichend ausgestatteten
Restaurierungswerkstatt füllen konnte. So entstand die Idee zum jetzt
begonnen Projekt, das wir dank einer großzügigen Förderung aus Mitteln
der „Internationalen Museumskooperation“ des Auswärtigen Amtes
realisieren können.
In Europa sind die Sammlungen afrikanischer Museen nahezu unbekannt. Können Sie uns etwas über die Sammlung in Luanda sagen? Paola Ivanov: Mit über 6.000 Objekten aller ethnolinguistischen Gruppen Angolas gilt
die Sammlung des Museu Nacional de Antropologia in Luanda als
umfassendste Angola-Sammlung der Welt. Darunter sind viele ästhetisch
herausragende Stücke, die in vergleichbaren Sammlungen fehlen, oder
Verzeichnisse versklavter Menschen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die
einzigartige historiografische Bedeutung weit über Angola hinaus haben.
Aufgrund der Sammlung ergibt sich ein weit komplexeres und
differenzierteres Bild der angolanischen Geschichte und Kultur als auf
Basis der Sammlungen in europäischen Museen, die häufig etwas stereotyp
exotisierende und primitivisierende Vorstellungen der „Anderen“
replizieren.
Was verbindet die Sammlungen in Luanda und Berlin? Ivanov: Die Sammlungen in Berlin und Luanda ergänzen sich auf ideale Weise.
Sehr frühe Stücke, die deutsche Reisende bereits ab den späten 1870er
Jahre nach Berlin brachten, sind weltweit einzigartig. Manche Bereiche
der Kultur Angolas sind stärker in Berlin vertreten, z.B. erfolgten in
den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts Sammelreisen von Berliner
Kustoden, die spezifische regionale Schwerpunkte haben. In der Sammlung
in Luanda finden sich viele hybride Objekte, etwa christliche Grabsteine
von aus Brasilien stammenden Sklavengemeinschaften, die eindrücklich
den transatlantischen Sklavenhandel belegen und von der globalen
Einbettung Angolas seit Ende des 15. Jahrhunderts zeugen. Afrika war nie
ein isolierter, von der Weltgeschichte abgeschnittener Kontinent und
dies gilt ganz besonders für Angola. Interessant ist auch, dass in den
1930er und 1950er Jahren beide Sammlungen unter den Vorzeichen des
Kolonialismus parallel zueinander erweitert wurden. Die verantwortlichen
Kustoden in Berlin und in der Stadt Dundo im Nordosten Angolas, deren
Objekte heute einen großen Teil des Bestandes des Museu Nacional de
Antropologia in Luanda bilden, standen in regem Austausch miteinander.
Sie prägten wesentlich die Wahrnehmung der in den Sammlungen stark
vertretenen Kunst der Chokwe pars pro toto für die nationale
angolanische Kunst.
Wie kann man sich die Restaurator*innen-Ausbildung vorstellen? Was ist unter präventiver Restaurierung gemeint? Stiller-Kern: Ab Februar 2021 wird ein*e Fachrestaurator*in nach Luanda kommen und
zwei Mitarbeiter*innen des Museums in Luanda sowie anderer angolanischer
Museen oder Studienabgänger*innen angolanischer Universitäten ausbilden
und über ein Jahr hinweg fortbilden. Dabei steht die tägliche,
praktische Arbeit zum Erhalt der Sammlungsobjekte im Mittelpunkt. Die
einjährige Schulung in Luanda wird ergänzt durch sechswöchige Residenzen
in der Abteilung Restaurierung des Ethnologischen Museums und
Gegenbesuche der Berliner Kolleg*innen im anthropologischen Museum in
Luanda. Wir werden die Werkstatt mit allen notwendigen Arbeitsmitteln
einrichten und eine Datenbank aufbauen, die als Basis für die weitere
Erforschung der Sammlungsgeschichte und die Objektbiographien dienen
soll.
Gibt es eine vergleichbare Ausbildung in Angola nicht bereits? Stiller-Kern: Bisher gibt es in Angola keine ausgebildeten Restaurator*innen und
viele wertvolle Objekte der einzigartigen Sammlung sind vom Totalverlust
bedroht. Um den Verfall dieser Objekte zu stoppen, steht für uns primär
die präventive Konservierung von Objekten im Vordergrund. Das ist die
Grundlage, um langfristig Schäden an der Sammlung zu minimieren und
materielles Kulturgut auch für die kommenden Generationen zu erhalten.
Konkrete Restaurierungs- oder Sicherungsmaßnahmen an stark geschädigten
Objekten sind, wenn überhaupt, erst in einem weiteren Schritt geplant,
da es hierfür viel weitreichenderer Ausbildungsmaßnahmen bedarf, die im
jetzigen Rahmen nicht zu leisten sind.
Wie beurteilen Sie das Projekt in Hinblick auf die Debatte über Restitutionen und koloniale Sammlungsgeschichten? Stiller-Kern: Von Beginn an haben die drei Projektpartner in Angola und Deutschland
einen besonderen Wert auf praktische Zusammenarbeit gelegt. Unsere
Partner in Luanda wollen wissen, welche Objekte aus Angola sich in der
Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin befinden und wie diese aus
Angola nach Deutschland kamen. Sie wollen ihre Sammlung bewahren, das
Museum besser ausstatten und dann entscheiden, welche Objekte sie
zurückfordern. Insofern ist dieses sehr praxisorientierte Projekt
einfach konsequent.
Ivanov: Für uns wäre es ein
großer Erfolg, wenn wir zeigen könnten, dass das gemeinsame Arbeiten an
den Objekten und die gemeinsame Erforschung der Sammlungen Schritte des
gegenseitigen Annäherns sein können. Unsere Hoffnung ist, dass dadurch
die sehr viel schwierigeren Fragen der Restitution besser und klarer
beantwortet werden können.
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