Museumskooperationen:

Hilfe für den „Tempel der Ägyptologie“

Die ägyptische Museumslandschaft ist im Umbruch – auch das bedeutende Ägyptische Nationalmuseum in Kairo muss sich neuen Herausforderungen stellen. Das Berliner Ägyptische Museum und Papyrussammlung ist Teil eines EU-geförderten Konsortiums, in dem die größten europäischen Player der Ägyptologie ihre Hilfe anbieten. Direktorin Friederike Seyfried erklärt, wie es dazu kam.

Interview: Sven Stienen

Frau Seyfried, das Ägyptische Museum und Papyrussammlung ist Teil eines großen EU-Projektes in Kooperation mit dem Ägyptischen Nationalmuseum in Kairo. Wie kam es zu dem Projekt und worum geht es dabei?
Friederike Seyfried: Von Seiten der Europäischen Union gab es den Vorschlag, dass die größten europäischen Museen mit ägyptischen Sammlungen im Rahmen einer technical assistance das Ägyptische Nationalmuseum in Kairo unterstützen. Das Museum wurde 1902 eröffnet, steht unter Denkmalschutz und beherbergt die bedeutendste Sammlung ägyptischer Antiken weltweit. Es befindet sich direkt am berühmten Tahir-Platz, der 2011 einer der großen Schauplätze des Arabischen Frühlings war, und ist so etwas wie der Kernpunkt altägyptischer Sammlungen. Doch es muss derzeit dringend neue Zukunftsvorstellungen entwickeln, denn in Ägypten befindet sich die Museumslandschaft im Umbruch.

Was bedeutet das konkret?
Die ägyptische Regierung arbeitet derzeit an der Eröffnung zweier großer Museumsprojekte. Zum einen wird in direkter Nähe zu den Pyramiden das „Grand Egyptian Museum“ (GEM) gebaut, zum anderen wurde bereits eine Abteilung des neuen „National Museum of Egyptian Civilisation“ (NMEC)eröffnet. Beide neuen Häuser sollen Teile der Sammlung des notorisch überfüllten Nationalmuseums am Tahir-Platz erhalten: Das Grand Egyptian Museum unter anderem die Schätze des Tutanchamun und das NMEC alle Königsmumien. Das Nationalmuseum verliert dadurch wichtige Sammlungsteile, gleichzeitig entsteht aber auch ein neuer Freiraum und damit die Chance einer Neuausrichtung. In dieser Situation hat die EU in enger Absprache mit der Ägyptischen Antikenverwaltung vorgeschlagen, ein Konsortium europäischer Museen zu bilden und gemeinsam das altehrwürdige Haus zu evaluieren. Es sollen Potentiale geprüft und Ziele formuliert werden und auch eine bauliche Grundsanierung wäre fällig.

Firederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung auf der Museumsinsel. (c) Staatliche Museen zu Berlin /Juliane Eirich
Firederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung auf der Museumsinsel. (c) Staatliche Museen zu Berlin /Juliane Eirich

Wer ist neben dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung noch in dem Konsortium vertreten?
Das Konsortium umfasst die größten und wichtigsten europäischen Museen mit ägyptischen Sammlungen: Das British Museum in London, das Musée du Louvre in Paris, das Niederländische Rijksmuseum van Oudheden in Leiden, das Ägyptische Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin und, als Vorsitz, das Museo Egizio in Turin, das über die umfangreichste ägyptologische Sammlung außerhalb Ägyptens verfügt.

Und wie wird dieses Konsortium arbeiten?
Gemeinsam mit den ägyptischen Kolleginnen und Kollegen haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, wo die jeweiligen Expertisen der beteiligten Einrichtungen liegen. Wir Berliner werden zum Beispiel einen Schwerpunkt auf das Thema „Bau“ legen; mit dem Masterplan Museumsinsel, deren Weltkulturerbe-Status und dem 2009 neu eröffneten Neuen Museum verfügen wir über weitreichende Erfahrungen in diesem Bereich. Das Wissen aus den beteiligten Häusern wird in verschiedene „Work-Packages“ verteilt, so dass jeder seinem besonderen Schwerpunkt entsprechend helfen kann. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem British Museum sind zum Beispiel führend im „Storytelling“ und in der Kommunikation und bereiten den Teil der „Spätzeit-Galerie“ für die Neugestaltung vor, die Turiner sind Spezialisten für Restaurierung sowie „Art-Handling“ und werden sich um die Neukonzeption des Alten-Reichs-Flügels kümmern – so bringt jeder sein Wissen ein.

Welche Erwartungen bestehen denn im Hinblick auf das Projekt von ägyptischer Seite?
Die Aufgabe wird zunächst sein, in den nächsten zwei Jahren einen Masterplan für das Nationalmuseum Kairo zu entwickeln. Welche Möglichkeiten hat das Museum? Es ist eine unglaublich tolle Chance, dass die größten europäischen Player helfen, eine Museumsvision zu entwickeln, die auf den Wünschen der Ägypter basiert. Denn es ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe: Die ägyptischen Kolleginnen und Kollegen entwickeln Ziele und wir reagieren darauf und helfen mit unserer Expertise. Dass die Zukunftsvision für dieses bedeutsame Haus, das man durchaus als „Tempel der Ägyptologie“ bezeichnen kann, von den Ägyptern selbst entwickelt wird und wir die Ehre haben, dabei unterstützen zu dürfen, ist wunderbar.

Fassade des Ägyptischen Nationalmuseums am Tahir Platz in Kairo. (c) CC BY-SA 3.0
Fassade des Ägyptischen Nationalmuseums am Tahir Platz in Kairo. (c) CC BY-SA 3.0

Was werden konkret die nächsten Schritte sein?
Gemeinsam mit Christina Haak, der Stellvertretenden Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin, werde ich bereits am 9. Februar nach Kairo fliegen. Dort werden wir gemeinsam mit den Ägyptern und den DirektorInnen der anderen Einrichtungen im Konsortium den bestehenden Zeitplan konkretisieren und detailliert ausarbeiten. Einige Tage später werden dann auch Hans-Jürgen Harras, Leiter des Sicherheitsreferates der Staatlichen Museen zu Berlin, und Ralf Nitschke, der Leiter der Stabstelle Bau, folgen und erste Ortsbegehungen machen. Ralf Nitschke fungiert auch als Schnittstelle zum Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Das BBR konnte durch die Vermittlung von Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, als Teil der Berliner Delegation ins Boot geholt werden. Dort liegt ebenfalls eine große Expertise in Sachen Bau.

Wie wird es nach dem ersten Besuch in Kairo weitergehen?
Nach der Rückkehr aus Kairo wollen wir sobald wie möglich zu einem gemeinsamen Workshop in Berlin einladen, wo wir an konkreten Beispielen veranschaulichen, wie wir hier mit Bauthemen umgehen und wie wir organisiert sind. In dem Zusammenhang wird es dann natürlich auch ins Pergamonmuseum gehen, wo wir zeigen können, wie bei vollem Betrieb saniert wird. Den Abschluss könnte ein Gang ins Neue Museum bilden, wo man eine erfolgreich abgeschlossene Sanierung sehen kann.

Das Projekt kommt in einer Zeit, die von internationalen und europäischen Krisen und Unsicherheiten gezeichnet ist – sehen Sie in dem Vorhaben auch ein Signal der Kooperation und der Gemeinschaftlichkeit?
Natürlich entfaltet das Projekt vor dem Hintergrund der aktuellen globalen Situation eine besondere Bedeutung. Ich bin mir zum Beispiel sicher, dass die Vertreter der EU froh darüber sind, die Briten an Bord zu haben. Das Projekt wäre ohne unsere Kolleginnen und Kollegen aus London auch gar nicht denkbar gewesen. Doch die Planungen haben ja bereits 2017 begonnen und viele der aktuell drängenden Themen, wie der Brexit oder die durch den französischen Präsidenten Macron losgetretene europäische Restitutions-Debatte, haben erst in 2018 richtig Fahrt aufgenommen. Insofern haben uns die Ereignisse hier eingeholt. Aber auf jeden Fall ist es sehr positiv, dass wir bereits an diesen Themen arbeiten und partnerschaftlich mit unseren KollegInnen in Kairo tragfähige Zukunftsvisionen entwickeln. Und besonders freut uns natürlich, dass wir als Vertreter der Staatlichen Museen zu Berlin von Anfang an in das Projekt eingebunden sind.

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