Hinter dem Zaun. Die zweite Sanierungsphase der Neuen Nationalgalerie hat begonnen

Zum erfolgreichen Ende der ersten Sanierungsphase der Neuen Nationalgalerie haben das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu einem Baustellenrundgang eingeladen. Einen Einblick hinter den Bauzaun gibt Constanze von Marlin.
Text: Constanze von Marlin
35.000 Einzelteile wurden in der ersten Sanierungsphase der Neuen Nationalgalerie kartiert, demontiert und mit einem Code versehen. Wo sie nun lagern, weiß Arne Maibohm, der für das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) als Projektleiter die Grundinstandsetzung des Mies-Baus betreut. Der denkmalgerechte Rückbau dieser riesigen Anzahl von Originalbauteilen konnte trotz der Komplexität der Aufgabe aufgrund der sorgfältigen Planung und Durchführung aller Beteiligten ohne Schaden abgeschlossen werden. Das liegt sicher auch daran, dass das BBR als Bundesbehörde über einen reichen Erfahrungsschatz bei Sanierungsmaßnahmen denkmalgeschützter Gebäude verfügt.

In der Funktion der Projektleitung steuert das BBR alle Planungs- und Bauprozesse bei sehr unterschiedlichen Bauaufgaben des Bundes in Berlin, Bonn und im Ausland sowie bei den Baumaßnahmen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Seit rund zwei Jahrzehnten besteht eine besondere Aufgabe beispielsweise darin, das Gebäudeensemble des UNESCO-Weltkulturerbes auf der Museumsinsel Berlin als Denkmal zu erhalten und dabei heutigen Museumsbedürfnissen und Baustandards anzupassen. Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, betont daher mit Blick auf die Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie, einer Ikone der Moderne von Ludwig Mies van der Rohe: „Es ist ein Projekt, das uns alle fasziniert. Gleichzeitig stellt sich hier für uns die anspruchsvolle Aufgabe, die denkmalpflegerischen Belange mit den heutigen musealen Anforderungen in Einklang zu bringen und dabei das architektonische Erbe zu wahren.“

Seit 2012 sind der Projektleiter Arne Maibohm und ein stetig wachsendes Team beim BBR mit der sorgfältigen Planung der Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie beschäftigt. Vorausgegangen war ab 2009 eine intensive, dreijährige Vorbereitungs- und Projektentwicklungsphase, in der die denkmalpflegerische Bewertung des Bauwerks im Vordergrund stand. „Meine Begeisterung für die Moderne und insbesondere die Architektur von Mies van der Rohe zeigte sich bereits am Beginn meiner Ausbildung“, erinnert sich Maibohm. So fiel die Wahl auf ein Studium der Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar. Als Projektleiter für die Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie lernte Maibohm auch Dirk Lohan, den Enkel Mies van der Rohes, kennen. „Als damaliger Projektleiter für den Museumsbau der Neuen Nationalgalerie kennt er jedes Detail“, erzählt Maibohm, „das schätze ich sehr.“ Viele der originalen Detailansichten hat Lohan selbst gezeichnet. Während einer Reise nach Chicago 2011 konnte Maibohm den Architekten als Berater für die Sanierungsmaßnahme gewinnen.

Zum Abschluss der ersten Sanierungsphase ist Lohan beim Baustellenrundgang mit dabei. Das Gebäude ist nunmehr bis auf den Rohbau zurückgebaut und hat – wenn diesen Winter auch noch alle Glasscheiben entfernt worden sind – fast wieder den Zustand wie zum Richtfest vor 50 Jahren erreicht. Schwerpunkt der zweiten Sanierungsphase, die im Juni 2017 begonnen hat, ist die aufwändige Sanierung der Stahlbetonwände und -decken. Überall im Untergeschoss des Gebäudes zeigen rote Markierungen die schadhaften Stellen an. Die Schäden überraschen Maibohm nicht, denn sie sind typisch für die Qualität der Substanz aus den 1960er Jahren. Zur präzisen Bewertung, Maßnahmenplanung und Sanierung war die vollständige Demontage also unumgänglich.

Eine weitere große Maßnahme in dieser Projektphase ist die Sanierung der Stahl-Glas-Fassade. Eine Messung der Fensteröffnungen in der oberen Ausstellungshalle hat ergeben, dass die Verformungen im Stahl sowie der geplante Einbau der Dehnpfosten die vollständige Demontage aller Glasscheiben erfordern. Dafür verschwindet die Fassade hinter Planen. Während der vergangenen zwei Jahre fanden die meisten Maßnahmen der Grundinstandsetzung für das Museum von Mies van der Rohe im Innern des Gebäudes statt. Die Arbeiten für die Baugrube der neuen Depot- und Technikflächen zur Potsdamer Straße hin sind fertiggestellt und wurden vor dem Frost winterfest gemacht. Die Fläche des Museums wird an dieser Stelle unter der vorderen Haupttreppe, also zukünftig unsichtbar für die Museumsbesucher, um 900 Quadratmeter erweitert. Die Erweiterung der Gebäudeflächen ermöglicht es, den von Mies geplanten Ausstellungsrundgang im Innern wieder herzustellen.

Nach der Besichtigung des aktuellen Baufortschritts im Gebäude gehen die Gespräche für Arne Maibohm und sein Team gleich weiter. In Anwesenheit der beiden Berater, Dirk Lohan und Fritz Neumeyer, ein Architekturhistoriker, sowie Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie und Norbert Heuler von der Denkmalpflege stellt Daniel Wendler vom federführenden Büro David Chipperfield Architects den aktuellen Planungsstand insbesondere für die dritte Phase vor. Neben der Vorstellung des Entwurfs von David Chipperfield für die Garderobe und den Buchladen geht es um die Ersteinrichtung sowie die Restaurierung der historischen Möbel und der Kunstwerke für die Terrasse und den Skulpturengarten. Nach dem beeindruckenden Baustellenrundgang durch einen völlig entkernten und kahlen Rohbau blitzt hier die Zukunft auf. Die akribische Planung und sorgfältige Umsetzung der Grundinstandsetzung wird die grandiose Architektur in all ihrer Eleganz wieder zum Vorschein bringen. schmedding.vonmarlin.


Kommentare
Danke für den Betrag, die Fassadensanierung ist unglaublich aufwändig allerdings auch sehr notwendig um die Nationgalerie zu erhalten. Ich bin ein großer Fan der Galerie und auch des Hanfwerks. Unheimlich schönes Projekts.
Wer schon einmal in der Nationalgalerie war, der weiß wie groß dies Renovierung sein muss. Wenn man an der Fassade vorbeifährt sieht man die Dimensionen. Mit der S-Bahn kann man sich, wenn auch sehr schnell, einen Überblick über die Ausmaße machen.
Die Restaurierung der Neuen Nationalgalerie in Bild und Wort. Sehr interessant! Unter dem einen Bild steht „Baustellenrundgang im November 2018“. Dieser steht noch bevor. Bis wann dauern die Arbeiten? Welche Architekten sind an dem Projekt mit Gebäudeerweiterung beteiligt?
Liebe Mira Darnow, da hat sich ein Fehler eingeschlichen, es muss natürlich heißen „November 2017“. Zu Ihren Fragen: Die geplante Wiedereröffnung der Neuen Nationalgalerie soll 2020 stattfinden. Für den Entwurf und die Objektüberwachung der Grundinstandsetzung ist das Büro David Chipperfield, Berlin, beauftragt, das beinhaltet auch die Gebäudeerweiterung durch den Depotneubau.